Als Luther vom Kirschbaum fiel und in der Gegenwart landete. Albrecht Gralle
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Название: Als Luther vom Kirschbaum fiel und in der Gegenwart landete

Автор: Albrecht Gralle

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Жанр: Юмористические стихи

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isbn: 9783865068323

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СКАЧАТЬ style="font-size:15px;">      Die Frau wusste wohl über dieses Zauberland Bescheid. Wenn sie sogar Zwingli und Calvin kannte …? Vielleicht hatte der Kurfürst Friedrich ein Treffen anberaumt? Aber was hatte diese Frau damit zu tun? War sie vielleicht eine Gräfin, die sich der Reformation angenommen hatte?

      Und nun legte sie auch noch ihren Arm um Luthers Schultern, als sei er ein Kind, das sich verlaufen hatte. Das ging nun doch zu weit. Gerade wollte sich Luther dagegen wehren, da sagte sie: „So, da wären wir.“ Sie deutete auf ein großes, schönes Gebäude, vor dem mindestens zehn dieser kleinen Kutschen parkten.

      Der Eingangsbereich war ganz aus Glas, sicher die Residenz eines Fürsten. Luther war beeindruckt.

      Die Frau drückte auf einen Knopf, eine Dienstmagd erschien in einem hellblauen Kleid, das sogar die Knie freiließ. Luther trat erschrocken einen Schritt zurück, als die Tür von selbst aufging. Hier wurde anscheinend alles durch Frauen und magische Kräfte geregelt.

      „Guten Morgen“, sagte Luthers Begleiterin. „Ich habe Ihnen den Luther vorbeigebracht und ihm versprochen, dass er Zwingli und Calvin treffen kann.“ Sie zwinkerte mit einem Auge.

      Die andere Frau nickte und lachte sogar.

      „Das wird wohl ein Neuzugang sein. Den hab ich noch gar nicht auf dem Schirm. Na, komm mal mit, Lutherchen. Hast dich wohl verlaufen? Vielen Dank!“

      Die andere Frau nickte und beeilte sich, wieder in ihren Palast zu kommen.

      Wie durch Geisterhand zischte die Tür zurück, und Luther betrat nun den Palast eines unbekannten Fürsten. Vielleicht Graf von Allzeimer?

      „Dann setz dich mal so lange hin“, sagte die Magd. „Hast du Durst? Willst du etwas trinken? Trinken kann nie schaden, weißt du.“

      Sie zeigte ihm einen Sessel mit Lehne, in dem er Platz nahm, dann holte sie eine kostbare Flasche, ganz aus Glas, und füllte sie mit einer Flüssigkeit. Luther probierte vorsichtig. Es schmeckte wie Wasser, aber es perlte wie Apfelwein. Jetzt erst merkte er, wie durstig er war, und bat gleich um ein zweites Glas. Staunend sah er, wie die Magd nach einem Stein griff und hineinsprach. Wieder so ein magisches Ding, als ob man mit einem Rohr sprechen könnte!

      Luther stellte das Glas ab und merkte, wie seine Augen schwer wurden und zufielen. Der Sessel war so herrlich weich.

      Er musste wohl kurz eingenickt sein, denn neben ihm saß plötzlich ein älterer Mann und streichelte seine Hand.

      „Guten Morgen“, nickte er. Die Magd kam herüber und sagte laut und langsam zu Luther: „Das ist Pfarrer Andreas Sonnhüter. Er wird sich ein wenig um dich kümmern. Im Augenblick weiß ich nicht, wo wir dich hinstecken können …“

      „Frau Degenhard“, sagte der Pfarrer. „Haben Sie ein Zimmer, wo ich mich mit dem Herrn in Ruhe unterhalten kann? Bevor ich die Polizei verständige, möchte ich gerne versuchen, mehr aus ihm herauszubringen.“

      Frau Degenhard schien erleichtert zu sein und führte Luther und Pfarrer Sonnhüter in ein leeres Zimmer.

      Es war spartanisch eingerichtet: Ein hohes Bett, ein Schrank, ein Tisch und zwei Stühle. Ein zusammengeklappter Rollstuhl stand in der Ecke. An der Wand: ein heller Fleck, wo einmal ein Bild gehangen hatte.

      Als die beiden saßen, fragte Andreas Sonnhüter: „Man sagte mir, dass Sie … sich Martin Luther nennen?“

      „Ich bin nit sie, sondern er oder du“, stellte Luther klar.

      „Gut, also du. Ich bin der Andreas.“ Er gab Luther die Hand, die dieser zögernd ergriff.

      „Dein Name ist also Martin Luther.“

      „Ja. Doktor Martinus Luther.“

      „Hm“, machte der Pfarrer und strich sich über das Kinn. Er dachte nach. Plötzlich hob er den Kopf und sagte: „Quid custodiens placebo Deo?“1

      Luther schaute ihn verwundert an, aber antwortete sofort: „Non confidas in tua iustitia, sed in iustitia Dei.“2

      Sonnhüter war beeindruckt, überlegte kurz und fuhr auf Hebräisch fort: „Bereschit bará Älohim …“3

      Und Luther ergänzte: „Ha schamajim we ha ärätz.“4

      „Mein lieber Luther“, sagte Andreas Sonnhüter. „Entweder hast du dich auf deine Rolle sehr gut vorbereitet, oder du bist wirklich Luther. Und nun erzähle mal, wie du hierhergekommen bist.“

      Luther holte tief Luft und erzählte alles, so gut er es vermochte. Der Pfarrer stellte Fragen, wenn er nicht alles verstand oder das alte Deutsch ihm unverständlich erschien, und hörte aufmerksam zu.

      Als Luther schwieg, schaute er ihn lange an und sagte: „Das ist das Merkwürdigste, was ich jemals in meinem Leben erfahren habe, aber was du sagst, hört sich … irgendwie stimmig an. Soll ich dir nun sagen, wo du bist?“

      Luther nickte und hatte Tränen in den Augen.

      „Also, aus irgendeinem Grund“, sagte Sonnhüter und betonte jedes Wort, „aus einem Grund, den ich nicht kenne, bist du nicht im Himmel oder in einem fremden Land, sondern bist in die Zukunft versetzt worden.

      Du befindest dich nicht mehr in deinem Jahrhundert, sondern über fünfhundert Jahre später im Jahr des Herrn 2017.“

      Luther starrte den anderen an und war zunächst sprachlos. Er erhob sich, ging erregt auf und ab, murmelte etwas und setzte sich wieder. Sein Gesicht hatte eine blasse Färbung angenommen.

      „Über fünf … hundert Jahr später?“, stammelte Luther. „Die … die Welt ist nicht an ihr End kommen?“

      „Nein, sie ist immer noch da.“

      „Aber über fünfhundert Jahr!“

      Sonnhüter schwieg und ließ Luther Zeit, diesen ungeheuren Gedanken zu fassen.

      „Dann … dann werd ich … Das ist ein Abgrund, wo ich nit vermag nüberspringen. Ich kann nit zurück in mein Wittenberg!“

      Er vergrub sein Gesicht in den Händen. Sonnhüter war erschüttert, aber als er sich vorstellte, wie es ihm wohl gehen würde, wenn er plötzlich im Jahr 2517 auftauchen würde, konnte er Luther etwas nachempfinden.

      „Nun, nach Wittenberg könnten wir schon reisen“, sagte er leise und legte Luther die Hand auf die Schulter, „aber es wird ein anderes Wittenberg sein.“

      Der theologische Gast blickte auf, zog die Nase hoch und spuckte das Ergebnis auf den Boden.

      Sonnhüter sagte nichts dazu.

      „Pass auf, Martin“, fing er an, „Folgendes werden wir machen: Wir gehen nicht zur Polizei … ahm … zum Rat der Stadt. Die können mit so etwas nicht umgehen. Wir gehen erst mal zu mir nach Hause. Du nimmst ein Bad, ziehst dich um, bekommst von mir ein paar andere Kleider, und ich werde sagen, dass du ein Ausländer bist … ahm …, dass du von sehr weit her kommst. Und dann werden wir eine Reise unternehmen und vieles entdecken. Du wirst sehen, was aus der Welt und aus deinem neuen Glauben geworden ist. Wir müssen nur der Dame an der Pforte plausibel erklären, wer du bist und dass du … Ja, wo wohnst du dann eigentlich?“ Sonnhüter blickte sich in dem СКАЧАТЬ