Название: Stress-Familie Robinson
Автор: Adrian Plass
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783865067234
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„Wir halten uns nicht lange mit Tellern und dergleichen auf“, sagte Mike leicht nervös, während er das Essen auspackte. „Hat ja keinen Sinn, alles abzuspülen und dann wieder zu benutzen. Wir können genauso gut mit den Fingern vom Packpapier essen; dann brauchen wir nur noch das Papier wegzuwerfen und uns die Hände zu waschen, stimmt's?“
„Ich weiß gar nicht, wieso wir überhaupt jemals Teller benutzen“, bemerkte Jack, „die machen doch nur das Leben komplizierter, oder nicht? Meiner Meinung nach ist Essen nur Brennstoff. Man steckt es hinein, und es bringt den Motor zum Laufen.“
Er steckte ein großes Stück gebratenen Brennstoff in seinen Mund und kaute es mit sichtlichem Genuss.
„Ich esse gern mit den Fingern“, sagte Felicity fröhlich. „Warum sprechen wir eigentlich kein Tischgebet, wenn wir unter uns sind? Wir sprechen nie ein Tischgebet, wenn nicht jemand hier ist - ein Gast.“ Das letzte Wort sprach sie aus, als verberge sich dahinter eine gefährliche Krankheit.
„Aber Dip ist doch hier, Felicity“, sagte Mike, „zählt sie denn nicht?“
„Natürlich nicht“, erwiderte Felicity verächtlich, „Dip gehört doch zu uns. Mami, warum beten wir nicht, wenn wir unter uns sind? Glaubst du, Gott möchte, dass wir ihm nur dann für unser Essen danken, wenn jemand Wichtiges zum Essen kommt? Bei Emily zu Hause beten sie vor dem Frühstück und vor dem Tee und vor allem, selbst wenn nur Emily und ihre Mami und ich da sind. Bei Emily zu Hause …“
„Felicity, hör schon auf mit Emily s Zuhause“, unterbrach Kathy gereizt. „Mir ist völlig egal, wie es dort zugeht. Offenbar sind bei Emily zu Hause viel tollere Menschen als bei Felicity zu Hause, aber ich fürchte, dir bleibt nichts übrig, als hier mit deiner eigenen nichtsnutzigen Mutter zu wohnen, also iss deinen Fisch, und sei still!“
In der darauf folgenden Stille traten zwei riesige Tränen in Felicitys Augen und rannen langsam an ihrem Gesicht herab. Mike hatte aufgehört zu essen und starrte Kathy an. Vielleicht wartete er darauf, dass sie den angerichteten Schaden wieder gutmachen würde, bevor jemand anderes es tun musste. Schließlich brach Jack das Schweigen. Er würde niemals den Prozess der Brennstoffaufnahme für irgendetwas unterbrechen, aber immerhin fand er zwischen zwei Bissen Zeit, seine Ansicht zu äußern.
„Das ist ein bisschen unfair, Mum. Flitty hat nur darauf hingewiesen, wie heuchlerisch es ist, vor manchen Leuten eine Show abzuziehen, während man sich bei anderen die Mühe spart.“
Eine riesige Fuhre Fisch und Chips unterbrach Jacks im Entstehen begriffene Verteidigungsrede für seine kleine Schwester, aber er hätte sowieso keine Gelegenheit gehabt, noch mehr zu sagen. Was immer sich gerade in Kathy aufheizte, kam in diesem Moment zum Kochen. Sie beugte sich über den Tisch, hob einen steifen Zeigefinger und stach damit in die Richtung ihres ältesten Sohnes.
„Von dir lasse ich mir keine Vorträge über das Thema Heuchelei halten. Ich bin eine Expertin auf diesem Gebiet, nachdem ich das letzte Jahr mit dir erlebt habe. Du sitzt da, stopfst dir Chips ins Gesicht und erzählst mir, dass Teller das Leben komplizierter machen - also, dann darf ich deinem unergründlichen Wissensschatz vielleicht hinzufügen, dass Milchflaschen das Leben ebenfalls komplizierter machen; besonders wenn ich fünf davon in diesem Loch da oben finde, das du dein Zimmer nennst, von denen jede noch einen Achtelliter vergammelte Milch enthält, deren Gestank das ganze Haus verpestet. Wenn du irgendwann einmal anfängst, dein eigenes Chaos in Ordnung zu bringen, und aufhörst, unser Geld zu verschleudern, dann bin ich vielleicht bereit, mir deine Meinung darüber anzuhören, wie wir unser geistliches Leben gestalten und unsere anderen Kinder erziehen!“
Es entstand ein bedrücktes Schweigen. Jack legte seinen Arm, der gerade nicht mit der Brennstoffzuführung beschäftigt war, um Felicity, die immer noch schniefte, und Mike machte den Mund auf, um etwas zu sagen. Der Sturm drehte sich in seine Richtung.
„Falls du mir jetzt erzählen willst, dass ich ein Stück Fisch oder sonst was auf deinen schönen, sauberen, verfluchten Küchenfußboden habe fallen lassen, Mike, dann werde ich aus diesem Haus flüchten - ich glaube wirklich, das werde ich. Offenbar bin ich umgeben von Neurotikern und Idioten, die nicht genug Verstand haben, sich um irgendetwas selbst zu kümmern, und ich habe genug davon!“
Kathy legte die Hände flach vors Gesicht und begann mit vor Erregung zitterndem Oberkörper lautlos zu schluchzen. Felicity starrte ihre Mutter aus geröteten Augen verwirrt an.
„Daddy“, sagte sie mit leiser, heiserer Stimme, „warum weint denn Mami? Ist sie wütend oder traurig?“
Mike breitete verwirrt und unglücklich die Arme aus. „Ich weiß es nicht genau, Liebling. Aber mach dir keine Gedanken. Mami wollte nicht so … sie hat es nicht so gemeint. Sie hat sich nur ein bisschen aufgeregt.“
„Es waren nur vier Milchflaschen“, warf Jack unsicher und vielleicht etwas gedankenlos ein, als meinte er, das würde die Situation in ein völlig anderes Licht stellen.
Sie taten mir alle schrecklich Leid, doch gleichzeitig sang in meinem Kopf die Erinnerung an etwas, das Felicity gesagt hatte, wie ein Vögelchen - immer die gleiche Melodie: „Dip gehört doch zu uns, Dip gehört doch zu uns, Dip gehört doch zu uns …“ Ich war in diesem Augenblick bestimmt die glücklichste Person in der Küche der Robinsons. Ich sehnte mich danach zu helfen.
Etwas an Kathys Verhalten erinnerte mich an all die Gelegenheiten in der Vergangenheit, meistens an den Abenden, wenn eine Welle panischer Einsamkeit auf mich einstürzte und das bisschen inneren Frieden, das ich hatte, überspülte, sodass ich nach Luft ringend zurückblieb und aus demselben Grund weinte wie ein Baby, aus schierer Bedürftigkeit. Über so etwas sprach man niemals. Nein, man wartete, bis die Tränen versiegt waren, dann ging man nach oben, wusch sich das Gesicht und bürstete sich die Haare, und wenn man wieder einigermaßen passabel aussah, ging man wieder hinunter, setzte sich neben das Telefon und ging in Gedanken eine Liste der Leute durch, die man kannte. Wenn man es endlich geschafft hatte, jemanden zu erreichen, klang man heiter und ungezwungen. Man sagte, man werde vielleicht später kurz vorbeischauen (weil man sowieso in der Gegend sein werde), um etwas zu besprechen oder irgendein Arrangement zu treffen oder etwas abzuholen, was man dort hatte liegen lassen. Nichts Wichtiges, nein, nein. Es konnte warten - nur so ein Gedanke …
Wenn sie dann sagten, das sei eine gute Idee, dann spitzte man die Ohren, um herauszuhören, ob sie einen wirklich haben wollten. Wollten sie es - oder taten sie überzeugend genug so, als ob sie es wollten -, dann ging man hin. Wenn man hinkam, wurde man gefragt, wie es gehe, und man sagte prima und lachte ein wenig, doch innerlich schrie man stumm danach, dass sie einen in die Arme nahmen und lieb hatten und sich um einen kümmerten.
Ich bin sicher, andere Leute kommen viel besser mit dem Alleinleben zurecht als ich früher. Aber solche Erfahrungen, wie ich sie gemacht habe, machen einen sehr hellhörig für die Möglichkeit, dass Leute etwas meinen könnten, das sie nicht aussprechen. Ich wusste, dass Kathys Problem nichts mit irgendjemandem zu tun hatte, der jetzt in der Küche saß. Ich beugte mich hinüber und zog sanft eine Hand von ihrem Gesicht.
„Es ist Mark, nicht wahr?“
In diesem Moment hörten wir alle, wie jemand die Haustür öffnete. Die Tatsache, dass darauf nicht das entsprechende Geräusch der sich schließenden Haustür folgte, deutete darauf hin, dass Mark endlich nach Hause gekommen war. Zwei Sekunden später trat er in die Küche und starrte das Essen auf dem Tisch an.
„Ihr konntet wohl nicht auf mich warten, was?“, sagte er empört.
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