Hightech-Kapitalismus in der großen Krise. Wolfgang Fritz Haug
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Название: Hightech-Kapitalismus in der großen Krise

Автор: Wolfgang Fritz Haug

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежная публицистика

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isbn: 9783867549301

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СКАЧАТЬ gediehen. In den USA wuchs mit der Immobilienhausse der Bausektor. Dort entstanden viele Millionen neue Arbeitsplätze. Das war hochwillkommen. Denn durch die Globalisierung gingen gleichzeitig ungezählte Arbeitsplätze verloren. Den jungen Paaren und den Immigranten in den USA, die bei den hohen Hauspreisen nicht mithalten konnten, offerierten die Banken die nachmals berüchtigten »Subprime«-Hypothekenkredite. Die Zinsen waren zunächst niedrig, sollten erst nach 2-3 Jahren angehoben werden. Fehr hebt das aktive Gewährenlassen seitens der Regierung und der diversen damit befassten Staatsapparate hervor: »Die Aufsichtsbehörden schauen zur Seite. Die Regierung, die einen unpopulären Krieg im Irak führt, will die Bürger über eine gut laufende Wirtschaft bei Laune halten.«

      So schien die Immobilienblase die Explosionsfolgen der vorangegangenen Internetblase aufs Wunderbarste wettzumachen. Basierend auf der Doppelfunktion des US-Dollars, nicht nur als nationale Landeswährung, sondern zugleich als Weltwährung zu fungieren, wurden die US-Banken im Zeichen des »Dollar-Wallstreet-Regimes« (Gowan 2007, 156) zum ertragreichsten Wirtschaftssektor des Landes. Unter anderem bündelten sie Millionen von Hypotheken zu einer neuen Form handelbarer Wertpapiere, für die sie beim anlagesuchenden Finanzkapital aus aller Welt reißenden Absatz fanden. Zu sagen, dies sei »unbedrängt von staatlicher Kontrolle« (Kohler 2008) geschehen, verschließt die Augen vor der Komplizenschaft der Regierung, die dies durch ›Deregulierung‹ ermöglicht und die Banken schließlich geradezu bedrängt hatte, den Kreditrahmen auszuweiten. Kurz, die neoliberale Politik drückte mit der einen Hand die Lohnquote und förderte mit der anderen das Konsumniveau durch Konsumentenkredite. Wir kommen darauf bei der Frage nach den Charakteristika des in die Krise geratenen politisch-ökonomischen Systems zurück. Eben dieses Zentrum, mit der Londoner City im Gefolge, wurde zum Ort, an dem die Große Weltfinanz- und Weltwirtschaftskrise ausbrach.

      Der Krach kam auf leisen Sohlen und durch die Haustür von Millionen US-amerikanischer Eigenheimbesitzer. Im Immobilien­sektor, aus dem der Kredithandel eine derart einträgliche Geldquelle gemacht hatte, begann das System zu kränkeln. Bereits 2006 wurden in den USA 1,2 Millionen Häuser zwangsversteigert, 45 Prozent mehr als 2005 (FAZ, 14.3.07, 21). Bis dahin hatten billige Kredite die Hauspreise hochgetrieben und hatte der Kredit den Kredit genährt. Doch jetzt, als angesichts der Inflation die Leitzinsen hochgesetzt wurden und die Hypothekenzinsen stiegen, kamen viele Schuldner in Bedrängnis. Sofern sie nicht der Zwangsräumung zum Opfer fielen, kündigten sie scharenweise ihre Hypotheken, indem sie ihr Haus der Bank überließen und schließlich räumten. Die Hauspreise fingen an zu sinken. Der Immobilienmarkt brach ein. Damit kehrte sich das Wundergesetz um. Hatte bisher der Kredit den Kredit genährt, so nährte nun die Krise die Krise. Jeder Niedergang zog den nächsten nach sich. Zuerst schien der Einbruch sich auf den Sektor der zweitklassigen Schuldner (»Sub-Prime«) zu beschränken. Doch dann weitete er sich in Schüben vom Immobi­lien­sektor des Kreditwesens aufs Kreditwesen des US-Finanzsektors insgesamt aus. Wenig später sprang die »Wallstreet-Krise« auf den Weltmarkt über und schwoll zur weltweiten Banken- und Finanzkrise an.

      Die blinde Dialektik dieses Prozesses zeigt sich darin, dass es die vermeintliche Entschärfung des Risikos war, die das Risiko schließlich unkontrollierbar machte. Die Kreditgeber verteilten die unsicheren und ungesicherten Forderungen auf viele fremde Schultern. Sie bündelten ihre Darlehen zu handelbaren Wertpapieren, in denen alles Konkrete der Beziehung zwischen Schuldner und Gläubiger ausgelöscht und auf den einzigen Punkt reduziert war, dem Käufer des Kreditbündels eine bestimmte Verzinsung zu versprechen. Die Rating-Agenturen, Standard & Poor’s an der Spitze, versahen die Bündel mit Bestnoten. Die Banken, die solche lukrativen Pakete fast überall in der Welt begierig abkauften, schlossen Kreditausfall-Versicherungen ab (CDS), die ihrerseits gehandelt und so weiterverteilt werden konnten. Auf der Spur dieser weltweiten Streuung des Risikos mündete die Kettenreaktion der Finanzkrise in den Flächenbrand des globalen Finanzwesens. In ihrer abgeleiteten und handelbar gemachten Form hatten die Schuldenbündel plötzlich keinen Preis mehr, weil niemand mehr zwischen werthaltigen und wertlosen Schuldverschreibungen zu unterscheiden vermochte. Die Banken mussten die entsprechenden Activa in ihrer Bilanz auf null setzen. Stillstand des Ausleihverkehrs zwischen den Banken war die Folge. Weltweit erstarrte die Kreditvergabe.