Название: Beutezug
Автор: Petra Gabriel
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783955520168
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«Über Trampe.»
Kappes Augen wurden groß. «Theodor Trampe, der alte Gauner? Ja, jetzt erinnere ich mich. Er hat mir mal erzählt, dass er hin und wieder bei Borsig zu tun hat. So, und da seid ihr euch also begegnet?»
Lempel grinste. «Eines Tages in der Werkskantine kamen wir ins Gespräch, als ich mich an seinen Tisch gesetzt hatte. Er fragte mich, woher ich komme. Und als ich Wendisch Rietz sagte, meinte er, dass er einen Freund habe, der ebenfalls von dort stammte. Ja, und dann waren wir schnell beim Du.»
Kappe lachte. «Der Freund war dann wohl ich. Wie ist die Welt doch klein! Aber nun sprich dich mal aus, was gibt es denn so Dringendes?»
Lempel runzelte die Stirn. «Nun, wenn ich es nicht dringend mache, dann bekomme ich einen so beschäftigten Mann ja nie zu sehen …»
«Stimmt, es ist schon eine Schande, da leben wir in derselben Stadt …» Er ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen. «Es tut gut, jemanden von früher wiederzutreffen. Na, dann lass dich mal umarmen, altes Haus.»
Lempel zog den ehemaligen Schulkollegen zu sich heran und klopfte ihm auf den Rücken. «Fast wie früher …», murmelte er irgendwo über Kappes Kopf, während sich Kappes Nase in seine Halsbeuge drückte. Er war schon längst nicht mehr der Kleinere, stellte Lempel nicht ohne eine gewisse Genugtuung fest. Ja, die Zeiten hatten sich wirklich geändert. Und Kappe schien sich sogar richtig zu freuen, ihn wiederzutreffen.
«Was hast du gesagt?», kam es da dumpf aus Lempels Halsbeuge. «Und könntest du mich bitte mal loslassen? Ich kriege kaum noch Luft. Warst du früher auch schon so lang?»
«Nee, früher war ich immer kleiner als Liepe und du.» Schuldbewusst lockerte Lempel den Griff.
Kappe löste sich von ihm, sein Kopf war hochrot. «Du bist ganz schön gewachsen. Puh, nimmst du deine Auszubildenden auch so in den Schwitzkasten? Kein Wunder, dass ihr diese Auszeichnung bekommen habt!»
Lempel wusste, was Kappe meinte. Damals hatte er es noch als Ehre empfunden. Heute wusste er es besser. 1936 war das Borsigwerk in Tegel durch eine Verfügung Hitlers zu einem «Nationalsozialistischen Musterbetrieb» ernannt worden und hatte das Leistungsabzeichen der DAF als «anerkannte Berufserziehungsstätte» erhalten. Er war zum Leiter der Ausbildung befördert worden. Seit einiger Zeit half er auch als Lehrer an der Gewerblichen Berufsschule Kreuzberg I für Elektriker und Mechaniker in der Wassertorstraße 31 aus. Traugott Lempel, der stramme Parteingenosse. Doch es gab auch noch den anderen Lempel, den, der jene Arbeiter mit versteckter Sympathie betrachtete, die sich um Fritz Lüben und seine Widerständler geschart hatten. Lempel schluckte.
«Schniekes Büro hast du», erklärte Kappe in die Stille hinein. Doch Lempel sah den aufmerksamen Blick genau, mit dem er ihn musterte. Er wies auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. «Aber nimm doch Platz! Danke, dass du kommen konntest.»
Kappe schaute zu, wie Lempel sich auf die andere Seite des Schreibtisches bewegte und schließlich setzte. Erst dann folgte er der Einladung. «Normalerweise bin ich es ja andersrum gewöhnt.» Er schmunzelte.
Lempel konnte nicht anders, er grinste zurück. «Ich habe gehört, du bist ein erfolgreicher Kriminaler. Du hast den Raubmord an diesem Fabrikanten in der Lausitzer Straße gewissermaßen in einer Nacht aufgeklärt. Ist der Täter nicht unter verschiedenen Namen aufgetreten? Das hat Trampe jedenfalls gesagt. Er ist mächtig beeindruckt von dir.»
Kappe kniff die Augen zusammen. «Trampe redet zu viel. Ihr scheint euch wohl ganz gut zu verstehen, was? Aber ehe du fragst: Nein, ich leite nichts. Ich habe nicht so eine steile Karriere gemacht wie du. War wohl für mich nicht so …»
Lempel verstand sehr gut, warum Kappe stockte. Der hatte also ebenfalls seine Bedenken. Lehrer, nicht nur die an beruflichen Schulen, hatten sich heutzutage der offiziellen Meinung anzupassen. Sonst waren sie schnell keine Ausbilder mehr, sondern fanden sich als Soldat an der Front wieder, wo sie anderes zu tun hatten, als junge Leute zu verderben, wie es so schön hieß. Falls sie nicht wegen Volksverhetzung in eines der Umerziehungslager wanderten. Schließlich waren die Jugendlichen die Zukunft des Tausendjährigen Reiches, und deshalb konnte das Reich keine Abweichler dulden. Denn tausend Jahre waren eine lange Zeit.
Lempel beschloss spontan, die Vorsicht fallenzulassen - jedoch nur teilweise. Er durfte das Mädchen keinesfalls gefährden. Sie hatte ja niemanden sonst, zu dem sie mit ihren Sorgen gehen konnte.
«Also, was is’ nun? Willste mich ewig anstarren, als wäre ich ein falscher Fuffziger?» Das Misstrauen in Kappes Augen strafte den scherzhaften Ton Lügen.
«Du bist doch ein erfahrener Ermittler.» Kappe schaute ihn nur an.
Lempel wand sich. Nun gut. Am besten rückte er einfach mit der Sprache heraus. «Hans, einer meiner … äh … Schüler, ist verschwunden. Seine Mutter sagt, sie seien zusammen in den Lustgarten gegangen, um am 8. Mai die Eröffnung der neuen Ausstellung zu sehen. Du weißt schon, die mit dem schönen Namen Sowjetparadiese. Da hat es doch einen großen Aufmarsch auf dem Schlossplatz gegeben mit allem Tschingderassassa, um auch ja Aufmerksamkeit zu erregen. Schließlich wollen sie zeigen, was es mit der bolschewistischen Terrorherrschaft auf sich hat. Ein Freund von Hans war auch dabei. In dem Gedränge hat die Mutter ihren Sohn dann aus den Augen verloren. Zunächst hat sie sich nichts dabei gedacht, geglaubt, der komme schon heim. Schließlich ist er fünfzehn und kein Kleinkind mehr. Doch seitdem hat sie nichts mehr von ihm gehört. Ich mache mir große Sorgen, denn das passt nicht zu ihm. Hans ist kein Schwänzer. Ich kenne ihn als einen sehr pünktlichen Jungen. Doch bei der Vermisstenstelle scheint es niemanden zu kümmern. Könntest du mal …»
«Verschwunden? Und was sagt der Freund? Hat die Mutter ihren Sohn überhaupt als vermisst gemeldet?»
«Ich weiß nicht, was der Freund sagt, ich habe ihn nicht gesprochen, denn er ist nicht in meinem Betrieb. Ich kenne auch seinen Namen nicht. Und ja, die Mutter hat ihren Sohn als vermisst gemeldet. Ich habe mich auf ihre Bitte hin außerdem bei den Berliner Krankenhäusern erkundigt. Nichts bisher. Kappe, ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob deine Kollegen überhaupt nach ihm suchen. Könntest du mal nachfragen?»
Kappe kniff die Augen zusammen, dann nickte er bedächtig.
«Ich denke schon … Doch, könnte ich. Wie heißt der Junge denn?»
«Hans von Benn.»
«Ach, so ein adeliges Jüngelchen.» Es war Kappe anzuhören, was er vom deutschen Adel hielt.
Wieder zögerte Lempel. «Also, wie man’s nimmt. Sein Vater trägt den guten deutschen Namen Willy Schmidt.»
«Waren die Eltern nicht verheiratet?» Kappe klang missbilligend.
«Doch, doch», versicherte Lempel eilig, «der Name von Benn kommt von der Mutter. Erika von Benn stammt aus verarmtem niederschlesischem Rinnsteinadel. Sie war Beschließerin, vornehm gesagt, Hausdame und Gesellschafterin auf irgendeinem Gutshof. Und da hat sie den Vater kennengelernt, einen Tischler, der für Ausbesserungsarbeiten engagiert war. Ebendiesen Willy Schmidt. Die verliebte Erika hat ihn gegen den Willen ihres Vaters geheiratet, und die junge Familie ist dann nach Berlin gezogen. Das muss in den späten dreißiger Jahren gewesen sein. Schmidt hat Arbeit als Hausmeister bei der Reichsbank bekommen. Du weißt schon, im neuen Gebäude am Werderschen Markt. Das hat mir Hans jedenfalls erzählt. Kurz darauf hat sein Vater begonnen, sich gewerkschaftlich einzusetzen.»
Kappe war verwirrt. «Gewerkschaft? Die alten Gewerkschaften СКАЧАТЬ