Название: Vom Salz in der Suppe
Автор: Manfred Steinert
Издательство: Автор
Жанр: Книги о Путешествиях
isbn: 9783957449580
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Dieser andere Grund war, nach bisher fast drei Wochen Alleinseins, meinen Studienfreund Klaus auf dem Bahnhof Genthin abzuholen. So wie wir es Wochen zuvor, über Landkarten und Zugfahrpläne gebeugt, abgestimmt hatten: Samstag, den 15. 08. 1964, gegen 16 Uhr! Und Handys gab es damals noch lange nicht, da war schon ein normales Telefon nur etwas für Privilegierte. Da musste man noch klug und vorausschauend planen.
Und eine Gewalttour mit Nachtfahrt, wie schon mal bei Torgau, die wäre theoretisch noch möglich gewesen, um Genthin zu erreichen. Doch hier auf der Havel mit ihren vielen Nebenarmen, Ausbuchtungen und Seen – bei Nacht für einen einsamen Paddler ein aussichtsloses Unterfangen.
Also musste ich wieder Zelt, Boot und Ausrüstung, diesmal jedoch ganztags, alleine lassen und versuchen, irgendwie nach Genthin zu kommen. Wie sich herausstellte gab es von Havelberg aus diese vermutete Bahnverbindung gar nicht, die gab es erst vom etwa fünf Kilometer südlich gelegenen Sandau aus.
In Kürze: Irgendwie und etwas abenteuerlich (teilweise per Anhalter mit drei Nonnen im Auto) gelangte ich gerade noch so zur Zeit nach Genthin, traf Klaus, wir kamen auch am gleichen Tag gegen Abend wieder zurück nach Havelberg und – freudiger Schreck lass nach! – alles war unversehrt. Nicht mal die Kühe auf dem (natürlich wieder) wilden Zeltplatz hatten Interesse gezeigt.
Nun ging es zu zweit weiter, was manches einfacher und unkomplizierter machte sowie – besonders auf künftig stehendem oder nur schwach fließendem Wasser – größere Fortschritte beim »Kilometerfressen« versprach.
Aus genannten Gründen – das Boot lag ja nun nicht wie früher geplant in Genthin, sondern in Havelberg – musste eine notwendigerweise veränderte Streckenführung ausbaldowert werden. Das hieß, nun nicht ab Genthin über Elbe-Havel-Kanal und dem erwähnten Umgehungskanal um Westberlin wieder in die Havel, sondern weiter nördlich »irgendwie« auf Schleichwegen in Richtung märkische Seen.
Da bot sich, zumindest auf der Karte, als Möglichkeit der Abzweig von der Havel zum Gülper See und der Rhin-Kanal nach Wustrau am Neuruppiner See an.
Im Nachhinein keine empfehlenswerte Idee, doch das wussten wir zum Glück vorher nicht. Nicht der eintönigen Landschaft durch das Rhiner Luch (Rhinow, Fehrbellin) wegen, sondern dort warteten sage und schreibe auf nur etwa 30 Kilometer 11 Wehre (in Worten: Elf!) darauf, umtragen zu werden. Eine schweißtreibendes, nicht problemfreies, vor allem ein zeitraubendes Unterfangen. Und die Stimmung killte es obendrein. Statt des geplanten einen Tages brauchten wir bis Wustrau zwei volle Tage.
Irgendwie war es dann doch geschafft und wir befanden uns am Beginn eines wahren Wassersportparadieses.
Waren es die Anstrengungen, das heiße Wetter oder was auch immer, jedenfalls fühlte ich mich am Abend schlapp wie ein nasser Sack, hatte schwere Glieder, dröhnenden Kopf und sogar Fieber. OK, das kann schon mal passieren, normalerweise kein Grund extra darüber zu schreiben. Das Attribut »normalerweise« traf jedoch für mich mit meiner einjährigen Krankenhausvorgeschichte nicht zu. So hatte damals auch alles angefangen und ich war ja gerade noch so von der Schippe gesprungen. (S. »Sternstunde«). Das war wirklich keine gute Nacht, die ich nun erlebte und in der ich mir ausmalte, wie nun weiter, falls es doch wieder … Am nächsten Tag überredete ich Klaus, der von meiner Krankenhaus-Vergangenheit kaum wusste, zu einem Ruhetag. Die wunderschöne Gegend und die Anstrengungen der letzten beiden Tage erforderten keine weiteren Erklärungen. Und am übernächsten Morgen schien zum Glück alles wieder in Ordnung. (Und blieb es bis zum Ende der Reise und es blieb für mich auch unerfindlich, was mich da so kurzzeitig umgehauen hatte und was mir glücklicherweise nicht auf den tagelang einsamen Elbeetappen widerfahren war.)
Und so ging es also weiter.
Jeden der vielen durchfahrenen Seen, Kanäle und Fließe, vom Ruppiner See über die Rheinsberger und Zechliner Gewässer bis zum gewaltigen Müritzsee nun einzeln zu beschreiben, ginge in dieser Kurzversion zu weit.
Wobei für Paddler die kleineren Gewässer und ihre Verbindungskanäle ohnehin sehr viel interessanter sind als die großen, schiffbaren Seen, besonders bei Wind. Die Landschaften sind traumhaft, für Naturfreunde gibt es immer mal wieder ein »Leckerli«, ob nun Seeadler, Reiher(damals noch selten) oder gar Eisvögel. Gelegentlich kommt ein Wehr, das jedoch hier im Wasserwanderparadies nur in seltenen Fällen umtragen werden muss. Oft gibt es dafür Bootsschleppen, kleine Selbstbedienungsschleusen oder auf schiffbaren Gewässern auch die offiziellen Schleusen bei denen man sich entweder an die offiziellen Schleusenzeiten halten … oder den Schleusenwärter mit einer Kleinigkeit »bestechen« musste.
Mitunter sind einige der Fließe so klein und flach, dass man, falls man dazu überhaupt jemanden (Müller oder Schleusenwärter) findet, zum Befahren Zuschusswasser erbitten muss. (Rheinsberger Rhin), um überhaupt fahren zu können. Andernfalls man im Wasser »wandern« und das Boot hinterherziehen muss. (Eine völlig andere Auslegung des Wortes »Wasserwandern«) Mitunter, besonders im nächsten Jahr im Gebiet nördlich der Müritz, kam es auch vor, dass quer über einen mickerigen Fließ oder Bach die Latten eines Weidezauns die Weiterfahrt erschwerten, hinter denen … Kühe im Wasser standen, um zu trinken. Andernorts fuhr man auf einem schmalen Rinnsal durch ewige Schilfwände, bei denen man sich rechts und links mit dem Paddel nicht im Wasser, dafür war es zu schmal, sondern nur noch am Schilf abstoßen musste.
Daneben warten jedoch auch noch andere zeitraubende »Einlagen«:
Sind zwei Seen durch einen schiffbaren Kanal verbunden, dann kann man in den meist unvermeidlichen Schilfrändern die Ein- und Ausfahrten weithin sichtbar durch gewisse Baken erkennen. Kein Problem also die jeweilige Ausfahrt zu finden. Ganz anders, wenn Verbindungen nicht schiffbar sind. Dann wird die Suche nach der Ausfahrt zum Roulette. Wenn man glaubt, eine Lücke im Schilf oder Baumbestand entdeckt zu haben, welche die Ausfahrt sein könnte und volle Kraft voraus in den Schilfgürtel reinfährt, wird man oft (um nicht zu sagen, meist) enttäuscht. Man bleibt stecken, muss aussteigen, bis zum Knie oder auch schon mal bis zum Gürtel im Schilf waten und es erneut an anderer Stelle versuchen. Irgendwann wird man doch mal fündig. Hat man somit den nächsten, der meist kleineren Seen erreicht, hat man diesen in zwar nur kurzer Zeit überquert, um dann wiederum ewig nach dessen Ausfluss zu suchen. Ein paar Mal haben wir für dieses unangenehme, zeitraubende Spielchen Stunden gebraucht. Wenn dazu noch Gemeinschaftsarbeit von Sonne und Mücken angesagt ist, also beide stechen oder es dabei regnet, dann kann man sich gewiss Angenehmeres vorstellen.
Wer jedoch so verbissen an einem »Expeditionsziel« arbeitet, der muss da eben durch. Wenn man sich durchgebissen hat, anfangs ungewohnte Dinge und Situationen zur Tagesroutine geworden sind, dann erreicht man eben auch sein Ziel. Das jedoch hieß im ersten Jahr Waren am Müritzsee. Genau an dieser Stelle sollte es im nächsten Jahr zur zweiten Etappe bis zur Ostsee auch wieder losgehen.
Auch die Müritz hätte wirklich etwas mehr als nur ein paar dürre Sätze verdient. Mit knapp 20 Kilometer Länge und etwa 14 Kilometer Breite fast schon ein kleines Meer. Als wir, von Mirow aus kommend, im Süden einfuhren, hatten wir den See in voller Länge vor uns. Durch den hochsommerlichen Dunst an diesem Tag verschwammen die Nordufer im Nichts und wir kamen uns zeitweise wirklich wie auf dem Meer vor. Zwei Tage blieben uns noch. Am Westufer ging’s in zwei Etappen nach Norden (1.Zielow/Kuhkoppel, 2.Klink/Kuh-koppel). Am zweiten Tag mit unserem kleinen Treiber (Segel) sogar ohne einen Paddelschlag! СКАЧАТЬ