Blind am Rande des Abgrundes. Fritz Krebs
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Blind am Rande des Abgrundes - Fritz Krebs страница 14

Название: Blind am Rande des Abgrundes

Автор: Fritz Krebs

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

Серия:

isbn: 9783957444844

isbn:

СКАЧАТЬ den Umgang mit Karte und Kompass, Geländebeschreibung, Entfernungsschätzen, Tarnen und den vielen militärischen Kram, der einem im Laufe der Jahre dann in Fleisch und Blut überging. Diese Führerschule erlebte ich vermutlich Anfang des Jahres 1936. Ich war zum ersten Mal froh, eine Jungvolkveranstaltung hinter mich gebracht zu haben. Begeisterung hatte das Erleben nicht erzeugt. Dafür stellte sich als Nachwirkung ein eigenartiger Effekt ein: Ich merkte bald, dass ich nun mehr gefordert und gefragt war in meinem Fähnlein. Auf einmal war der kleine Pimpf herausgehoben aus der Masse der Anderen weil er einen Einsatz mit ganz besonderen Anforderungen ehrenvoll bestanden hatte. Ein Ehrgeiz zu etwas Besonderem war mir bis dahin so gut wie fremd gewesen. Jetzt war ich zwar nur um ein Weniges herausgehoben, doch im Laufe der Jahre veränderten sich meine Rangabzeichen weiter. Führer Schnüren kamen eines Tages auch dazu. Sie zeigten die Dienststellung an, die man einnahm. Daran konnte jeder erkennen, über wieviel Jungen der betreffende Träger das Kommando führte. Es bedeutete allerdings auch, dass der Betreffende in der Lage sein musste, den Dienstbetrieb für seine ihm unterstellte Einheit zu organisieren und zu lenken. Zunächst war daran bei mir noch nicht zu denken denn ein Bestreben aufzusteigen war bei mir kaum vorhanden. Allmählich entwickelte sich unter der Führerschaft des Jungvolks ein gewisses Elitebewusstsein und eine Eitelkeit von der besonderen Art, wie ich sie schließlich bei allen uniformierten Formationen dieser Zeit beobachtete. Uns war das durchaus bewusst und wir frozzelten darüber. War einer in eine höhere Dienststellung aufgerückt, dann wurde von den Anderen manchmal gewitzelt, er drücke die linke Brusthälfte zu weit nach vorn. Linksseitig trug man nämlich die Führer Schnüren vom Jungzugführer an aufwärts.

      Mit der Beseitigung der jugendgemäßen Vielfalt im Erscheinungsbild des Deutschen Jungvolks zu Gunsten einer militärischen Einheitlichkeit wurde bereits im Januar 1935 begonnen, als in Marienburg 600 Jungbannfahnen geweiht wurden. Davon kamen 21 nach Thüringen. Eines Sonntagvormittags erfolgte am Altenburger Bahnhof durch uns die feierliche Einholung unserer Jungbannfahne. Etwas später bekamen wir die ebenfalls „geweihten“ Fähnleinfahnen, alle vom gleichen Format, mit weißer Siegrune auf schwarzem Grund und mit eingestickter Fähnleinnummer. Die nach uns in einem demokratischen Staatswesen lebenden Menschen werden es nicht für möglich halten, in welchem Ausmaße 33 Monate nach Hitlers Machtübernahme nicht allein die Jugend, sondern auch die Erwachsenen auf ein militaristisches Gehabe eingeschwenkt waren. Dazu noch eine Notiz aus der Altenburger Landeszeitung:

       Sonnabend / Sonntag, 20. Oktober 1935

       Thing des Stammes Kauffungen. Dumpfe Schläge der Landsknechts Trommeln hallen durch die Straßen der Stadt, und dazwischen erklingen die hellen Fanfaren. Die Leute auf den Straßen bleiben stehen und grüßen mit erhobener Rechten die Fahnen der jüngsten Gliederungen der nationalsozialistischen Bewegung. Der Marsch geht auf den Platz vor der früheren Nikolaikirche … Es ist zum ersten Male, dass das Altenburger Jungvolk seinen Thing nicht draußen im nächtlichen Wald abhält, sondern hier mitten in der Stadt, in einem der ärmsten Viertel …

      Zeltwache, Pfingstlager 1934

      Entrollen der Fahnen für den Abmarsch ins Pfingstlager 1941

      Aus romantischem Spiel wird schrittweise die Vorbereitung auf den kriegerischen Ernstfall.

      Ich muss gestehen, eine Vorstellung über meine Zukunft und berufliche Entwicklung habe ich erst ziemlich spät, in meinem sechzehnten Lebensjahr erlangt. Dann aber war ich mir sehr sicher und verfolgte dieses Ziel mit großer Hartnäckigkeit gegen alle Widerstände und Misslichkeiten meines Lebens.

      Bis dahin tat ich, was der Tag von mir verlangte und verbrachte den Rest der Zeit mit dem, was gerade mein Interesse gewonnen hatte. Die Pflichten des Tages trugen Schule und Jungvolkdienst an mich heran. Das Angenehmste in meinen Beschäftigungen ergab sich aus persönlichen Neigungen und vielfältigen Anregungen aus meiner Umgebung. Daran gewannen Beobachtungen in der Natur ebenso ihren Anteil wie Bücher, Filme und alle möglichen Erlebnisse in unserer Stadt.

       8. Non scholae, sed vitae discimus

      Mein Vater hatte vermutlich schon lange ziemlich klare Vorstellungen über die Grundlagen meines Fortkommens. Er war in seinen Jugendjahren zu der Erkenntnis gelangt, dass einzig und allein eine solide Schulbildung den Weg in eine gesicherte Existenz eröffne. Nachdem er seine Schlosserlehre in Stendal beendet hatte, war er von zu Hause weggegangen und hatte versucht aus eigener Kraft voranzukommen. Das brachte ihn auf der Grundlage seiner Berufsausbildung mit der Zeit bis zum Lokomotivführer. Sein Wunsch, durch ein Fernstudium noch das Abitur nachholen zu können, überforderte ihn, weil er sehr früh eine Familie ernähren musste. Damit endete sein weiterer gesellschaftlicher Aufstieg. Der Beweis für sein damaliges Streben befindet sich in Gestalt einer kompletten Sammlung von Selbstunterrichtsbriefen des Rustinschen Lehrinstituts, Verlag von Bonneß & Hachfeld, heute in meinem Bücherschrank. Darin dokumentiert sich ein Streben meines Vaters, das sein Handeln als Erzieher zweier Kinder wesentlich beeinflusste und vor allem sein Verhalten mir gegenüber prägte. Ich sollte nach seinen Vorstellungen einmal erreichen, was ihm nicht vergönnt war, das Abitur. Dabei war ich überhaupt nicht der Typ eines Aufsteigers, eher der eines einigermaßen begabten Träumers. Nach dem pädagogischen Verständnis meines Vaters gab es für mich zwei Grundregeln: Ich hatte unbedingt zu gehorchen und außerdem meine Hausaufgaben ordentlich zu machen. Ansonsten genoss ich eine ziemlich weitgehende Verfügbarkeit über meine Zeit. Als jedoch die Zeit heranrückte, wo sich die Kinder meines Alters auf die Aufnahmeprüfung für das Gymnasium oder das Realgymnasium vorbereiten mussten, da lehnte ich ab die Schule zu wechseln. Man meldete mich trotzdem im Herzog- Ernst-Realgymnasium der Stadt Altenburg an. Im Winterhalbjahr trainierte mich mein Klassenlehrer, gemeinsam mit vier anderen zur Aufnahmeprüfung bestimmten Klassenkameraden so gut, dass weder er noch unsere Väter ein Misslingen besagter Aufnahmeprüfung zu Jahresanfang 1935 befürchten mussten. Ein kritischer Moment trat dann doch noch ein, als ich in Marsch gesetzt werden sollte, um mich dieser Prüfung auch wirklich zu unterziehen. Ich weigerte mich dorthin zugehen. Es war das aber gerade die Zeit, in der ich mich intensiv für das Spiel mit jenen schon beschriebenen Elastolin-Soldaten interessierte. Eine bestimmte Figur, es war ein MG-Schütze, hatte ich im Schaufenster des Spielwarenladens auf dem Markt oft bewundert und begehrt. Leider bestand außerhalb von Geburtstagen keine Chance, ihn zu erhalten. So fand meine sparsame Mutter einen interessanten Ausweg: Sie versprach mir, dass ich bei Bestehen der Aufnahmeprüfung ihr altes Bügeleisen bekäme, womit ich beim Schrotthändler sicher die paar Groschen erhalten könnte, die zur Anschaffung des begehrten Stückes erforderlich sein würden. Ich willigte ein und gehörte zu den Anwärtern, die ihre Prüfung bestanden. Alle waren zufrieden, ich bekam meinen MG-Schützen und fand mich kurze Zeit danach in Klasse Sexta des Realgymnasiums wieder. Diese Schule war gerade einer Reform dahingehend unterzogen worden, dass die Schüler sich am Ende der Obertertia entscheiden konnten, ob sie mit einer Lateinausbildung bis zur Oberprima mit Abiturabschluss bleiben oder mit einer Realabschlußprüfung aus der Untersekunda abgehen wollten. Dies dürfte für die Väter minderbegabter Schüler einige Sicherheit bedeutet haben, ihr Geld auch dann noch vernünftig angewendet zu haben, wenn ihre Sprösslinge nur den halben Weg durch die Klassenstufen schaffen sollten. Wenn ich mich recht erinnere, betrug das von meinem Vater zu berappende Schulgeld 200 Reichsmark im Jahr, das war ein ganzes Monatsgehalt.

      An dieser Stelle möchte ich wieder einige Passagen aus der Altenburger Landeszeitung zum Thema Schule einfügen, weil damals der Staat auch hier seinen Einfluss auf die Erziehung der jungen Generation mit Nachdruck geltend machte. Zunächst soll noch eine Notiz der Altenburger Landeszeitung zur erwähnten Reform unserer Schule wiedergegeben werden:

       СКАЧАТЬ