Sagen, Märchen und Gebräuche aus Sachsen und Thüringen 1845. Harald Rockstuhl
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       Halle an der Saale – Mühlgraben. Postkarte um 1908.

       Sammlung Harald Rockstuhl.

       Mündlich

      Um Wettin, Halle, Eisleben, Eilenburg und wohl in ganz Sachsen warnt man die Kinder, wenn das Getreide reift und sie Kornblumen pflücken wollen, nicht zu tief ins Korn hineinzugehen, weil sonst der Kornengel komme und sie forttrage. Wer von ihm geraubt wird kehrt nie wieder zu den Menschen zurück.

       Anmerkung:

       Der Name Kornengel, welchen hier die Roggenmuhme führt, stimmt zu Grimms Annahme (Myth. 446) daß ihr Umgehen im Getreide ursprünglich eine wohlthätige Ursache hatte. – Die von Grimm, Myth. 444, zu den im Korn umwandelnden Pilwizen verglichne Stelle der Kaiserchronik bezieht sich auf Simon den Zauberer, von dem schon in den clementinischen Recognitionen (Clementis Romani Opera Col. Agr. 1570 p. 27) berichtet wird, als er in der Jugend von seiner Mutter Rachel einst auf das Feld gesandt worden sei um Gras zu schneiden, habe er die Sichel auf den Boden gelegt und ihr geboten „Geh und mähe“, und sie habe weit mehr gemäht als andre Sicheln.

       Mündlich aus Helfta

      Als man zu Stedten bei Schrauplau ein Haus baute, fand man im Füllemund eine eiserne Lade, und wie man sie aufmachte, sprang ein kleines, rothes Männchen heraus, welches fröhlich im Kreise umher tanzte und immer rief „Nun bin ich erlöst! Nun bin ich erlöst!“ Und es erzählte, es sei ein Kobold und sei vor vielen hundert Jahren in diese Lade verwünscht worden, und wenn das neue Haus fertig sei, wolle es darin wohnen. Als nun das Haus gebaut war, kam das Männchen alle Nacht, machte das Vieh im Stalle los und trieb es auf dem Hofe umher, sprang die Treppen im Hause auf und ab und lärmte so viel, daß bald Niemand mehr in dem Hause wohnen wollte.

       Anmerkung:

       Das schon im zwölften Jahrhundert vorhandene, aus dem lateinischen fundamentum entsprungene fullemunt ist in der Form Füllemund in Sachsen und Thüringen beim Volke gebräuchlich.

       Mündlich aus Diemitz

      In Bischdorf wohnt eine alte, steinreiche Frau, die einen Kobold hat. Der sitzt den ganzen Tag in ihrer Stube auf dem Heerd, und sie unterhält sich mit ihm. Da haben die Nachbarn, die manchmal unter den Fenstern stehen bleiben und horchen, denn gehört wie der Kobold sprach „Nun, Alte, wünschst du dir nichts?“ „Ach ja, Söhnchen“ sagte sie dann, „ich wünsch mir eine recht schöne goldne Kette“ oder „ich wünsch mir einen Beutel mit Dukaten“ oder was sie sich sonst gewünscht hat. Dann ist der Kobold nur zum Schornstein hinaus geflogen und bald zurückgekehrt und hat das Verlangte gebracht.

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