Mit Amor auf der Walze oder „Meine Handwerksburschenzeit“ 1805–1810. Harald Rockstuhl
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Читать онлайн книгу Mit Amor auf der Walze oder „Meine Handwerksburschenzeit“ 1805–1810 - Harald Rockstuhl страница 5

СКАЧАТЬ stärkere Strafe war das Knieen vor der Tafel, danach kam eine kleine Bank zum Alleinsitzen in der Ecke, die ‚Reue und Buße‘ überschrieben war und die wir nur die Jammerbank nannten. So ging ein Jahr hin.

      Um diese Zeit fing ich an, mich fester an den Vater zu hängen. Er nahm mich mit, wenn er über Land ging, um Holz oder Schweine zu kaufen. Das Schulversäumnis schlug Herr Nohr nicht hoch an, denn er meinte, es sei auch Schule, so mit dem Vater über Land zu gehen. Als ich aber einmal dies nur vorgegeben hatte, in Wahrheit jedoch mit einem kleinen Kriegskorps als Hauptmann nach Schönstedt ausgerückt war, um die Bauernjungen zu verprügeln, mit denen wir im Kriege lagen, da hatte unglücklicherweise Herr Nohr meinen Vater gesprächsweise danach gefragt, ob er mich am Donnerstag mitgenommen habe.

      Nun, es ging noch so ab. Von meinem Vater bekam ich ein paar Hiebe und die Aussicht auf gewaltige Schläge, wenn ich wieder Lügen ausheckte; Herr Nohr drohte mir mit der Jammerbank, auf der ich bis dahin noch nie gesessen hatte.

      Um diese Zeit hielt mein Vater einen Gesellen, namens Christian Döbling aus Salzungen, der von guter Familie war und bei meinem Vater in Ansehen stand. Ich stand wiederum bei ihm gut angeschrieben und wir gingen zuweilen ohne meinen Vater über Land. Wenn es nun mal mit mir nicht richtig war, so half er mir durch. Später habe ich ihn auf meiner Wanderschaft besucht, was ich an seinem Ort erzählen werde.

      Mein Vater und Nachbar Buschmann lasen Zeitungen; General Bonaparte, um den sich damals alles drehte, stand in Ägypten. Ein Buchbinderlehrling bei uns machte Bonapartehüte aus Pappe und blauem Zuckerpapier für achtzehn Pfennig. Wer von den Jungen soviel auf die Beine bringen konnte, der kaufte sich einen und setzte ihn auf, wenn’s zu Felde ging.

      Am Kriegstor, auf der linken Seite, wenn man hinausgeht, stand früher das alte Torschreiberhaus. Der Torschreiber Bube, ein Mann von 50 Jahren, gab Unterricht in Rechnen und Schönschrift. Zu ihm brachte mich mein Vater im Jahre 1798, weil diese Künste in der Schule über Latein und Religionslehre etwas vernachlässigt wurden. Zwei Jahre lang habe ich an vier Abenden in der Woche die Nachhilfestunden beim Torschreiber zur Zufriedenheit meines Vaters besucht. Die Stube war klein. Wir lernten zu vier Knaben, wovon ich der jüngste war. Zwei davon sind mir noch im Gedächtnis: der Vater vom jetzigen Bürgermeister Kramer und Friede Köhler aus der Treischmühle. Mein Vater wollte nicht, daß ich auf Schönschrift zuviel Zeit verschwende, meine Mutter hingegen sah es gern: sie kaufte mir einen schönen Malkasten und alles, was dazu gehört.

      Alle Frühjahr kam das kurfürstlich Sächsische Regiment Prinz Clemens hier auf sechs bis acht Wochen zusammen. Diese Zeit hieß die Exerzierzeit und war immer ein Ereignis für die Stadt. So sagte vielleicht eine Langensalzer Frau: „In welchem Jahre ich Hochzeit gehabt habe, darauf kann ich mich nicht gleich besinnen, aber es war in der Exerzierzeit, das weiß ich noch.“

      In der Exerzierzeit im Jahre 1799 saß ich in Quarta hinter der Tafel als Erster, als eines Morgens früh 8 Uhr eine Magd hereinstürmte mit dem Rufe: „Ach, Herrjeses! in der Holzgassen brennt’s!“ Die Tür, die einwärts aufging, war bald verstopft – Tertia saß in derselben Stube – und die Lehrer konnten die Jungen nicht bändigen. Ein großes Fenster, das sich nicht aufmachen ließ, geht Prima gegenüber auf den Gang hinaus. Ich rannte mit dem Ellenbogen eine Scheibe durch, nahm die Scherben heraus und ließ mich hinunter. So war ich der Erste auf der sogenannten Städe gegenüber der Holzgasse. Von da konnte man auf das Dach des brennenden Hauses sehen. Zwischen allen Ziegeln luschten kleine Flammen heraus und aus den Bodenlöchern schlugen sie hoch und dick wie ein Bierfaß.

      So etwas hatte ich nie gesehen und so gern ich gleich nach Haus gelaufen wäre, so hielt mich doch dieser fürchterliche Anblick gebannt, bis das Dach zusammenbrach, was keine zehn Minuten dauerte.

      Da ein ziemlich starker Südwest blies, war das Mühlhäusertor in Gefahr. Einige Scheuern mit Stroh flammten zuerst auf. Meine Mutter konnte vor Bestürzung nicht viel anordnen; mein Vater hatte den Backofen geheizt und wollte eben backen, da ich kam. Als er hörte, daß das Feuer so groß sei und der Wind auf uns losging, kommandierte er zum Einpacken.

      Die erste Lade, die zwei Mann trugen, mußte ich zum Tor hinaus begleiten mit strengem Befehl, nicht davonzugehen, bis mein Vater selbst hinauskäme.

      Nicht lange hatte ich da gestanden, so kam das Regiment Clemens im Sturmschritt den Böhmenweg herein. Der Obriste schickte eine Abteilung zum Löschen, eine zum Retten und einen kleinen Teil ließ er unterm Gewehr zur Verfügung der Bürger und zum Bewachen ihrer Habseligkeiten, denn wohl aus vierzig bis fünfzig Häusern lagen die Möbel und Betten draußen. In unserm Hause war nur der eingemauerte Kessel zurückgeblieben.

      Als ich meinen Posten eine gute Stunde behauptet hatte, meldete sich der Hunger. Die erste Lade war schon lange nicht mehr zu sehen und mit vielen anderen Sachen überbanst [überpackt, übertürmt].

      „Dummer Junge“, sagte ein Soldat, „das Bewachen verstehe ich doch wohl besser als du. Geh, hol dir was zu essen und bring mir auch was mit und einen Schnaps dazu.“ Das tat ich denn auch auf der Stelle. Mein Vater kam selbst mit hinaus und gab mehreren Soldaten Branntwein und Semmeln. In den ersten Nachmittagsstunden war das Feuer getilgt und abends das hinausgeschaffte Gut wieder in unserem Hause.

      Abgebrannt waren zwei Häuser in der Holzgasse, ferner von den Häusern bis zu Munds herauf, uns schräg gegenüber, die oberen Stockwerke nebst allen Hintergebäuden und Scheuern.

      Um diese Zeit trug sich mein Vater mit dem Gedanken, ein neues Haus zu bauen und es kam auch so weit, daß der Neubau auf das folgende Jahr festgesetzt wurde. –

      In Tertia wurden unter dem Kantor Kahlert, dem Vater, Singstunden abgehalten, die auch ich nun besuchte. Es gefiel mir ausnehmend da. Nach 16 Wochen – ich hatte mich in dieser Zeit an einen Mitschüler namens Christel Walter sehr attachiert – wurden wir in die Singchore versetzt. Bei der Auslosung kam Walter in den ersten und ich in den zweiten Chor. Im ersten Chor hieß der Anführer Präfektus, im zweiten Adjunktus. Zu diesen Würden stiegen nur die ältesten Primaner auf, die auf Schullehrerstellen hofften oder von hier aus auch gleich zur Universität abgingen.

      Mein Adjunktus war Herr Meister, der später als Schullehrer nach Kirchheiligen kam; der jetzige Superintendent Meister in Heiligenstadt ist sein Sohn. Meister gab auch Privatstunden und mein Vater schickte mich dieserhalb zu ihm. Dadurch hatte ich einen guten Obern. Hinter dem Rathaus, vor Reichardts Hause, sang ich zum erstenmal Solo in einer Aria in motetta im Text:

       ‚Von des Frühlings Wunderdingen,

       Wenn der Winter ausgetobt,

       Dir ein Liedchen vorzusingen

      Hab’ ich jüngst dir angelobt –‘ usw.

      Auf diese Leistung hatte ich einen besonderen Stolz. Meine Stimme war ganz gut, aber ich konnte für Diskant nicht hoch satt [Thüringer Mundart: genug] hinauf und habe nur noch einmal, in der Bergkirche, vorn auf dem Chor Solo gesungen in dem Kirchenstück:

       ‚Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch,

       Daß der König der Ehren einziehe.‘

      Nicht lange darauf mußte ich zum Alt übergehen. –

      Im Frühjahr 1800 wurde unser Haus abgetragen; mein Vater kaufte noch das kleine Strümpflersche Haus dazu; unser Haus hatte schon zwei Nummern, so wurden alle drei in eins gebaut.

      Das Kriegspielen ging noch immer fort, aber ich hatte keine rechte Lust mehr dazu. Damals hing ich gar sehr an meinem Vater und wenn er mir etwas auftrug, so СКАЧАТЬ