Mensch bleiben im Krankenhaus. Clemens Sedmak
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Название: Mensch bleiben im Krankenhaus

Автор: Clemens Sedmak

Издательство: Автор

Жанр: Философия

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isbn: 9783990402320

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СКАЧАТЬ was man auch „salutogenetische Eigenarbeit“ nennt? Wie viel wird der Patientin im Krankenhausalltag aus Gründen der Bequemlichkeit und Effizienz abgenommen, obwohl es die Patientin, wenn auch vielleicht mit höherem Zeitaufwand, selbst erledigen könnte? Inwieweit wird, um ein gewichtiges Wort zu verwenden, „die salutogenetische Eigenarbeit“ der Patient/​inn/​en ernst genommen, eingefordert und unterstützt? Wie ernst wird die subjektive Gesundheits- und Krankheitswahrnehmung der Patient/​inn/​en genommen? Wie sehr kann auch ein Krankenhausaufenthalt zur Ausbildung neuer Fähigkeiten genutzt werden?

       Selbstachtung kann verbunden werden mit der Idee, sich selbst als ernst zu nehmendes Subjekt zu würdigen, das anderen als „Hindernis“ in den Handlungsweg treten kann.

      Anders gesagt: Wenn ich mich selbst achte, nehme ich mich als Quelle von Ansprüchen, die an andere herangetragen werden und von ihnen Rücksichtnahme mir gegenüber abverlangen, wahr und ernst. Im Krankenhaus bedeutet dies, dass Patient/​inn/​en um ihre Rechte wissen, nicht alles unhinterfragt akzeptieren, auch Rückfragen stellen. Natürlich besteht in einem Krankenhauskontext die Möglichkeit, dass Patient/​inn/​en „herumgeschubst“ werden, ohne dass sie als relevantes „Hindernis“, auf das Rücksicht zu nehmen wäre, wahrgenommen werden. Das hat auch mit der erhöhten Verwundbarkeit zu tun. Reduzierter Gestaltungsspielraum und erhöhte Verwundbarkeit unterminieren die Möglichkeit von Selbstachtung als „Hindernis“-Selbstrespekt. Das ist in einem Krankenhaus nicht von der Hand zu weisen.

       Selbstachtung kann als direktiver Selbstrespekt auftreten, als eine Form des „Ehrens von Abmachungen oder Regeln“.

      Wenn man den Umgang zwischen Personal und Patient/​in als Abmachung sieht, dann ist klar, dass Selbstachtung durchaus damit zu tun hat, den jeweils eigenen Teil der Abmachungen zu halten, also auch Pflichten anzuerkennen. Auf das Thema der Patient/​inn/​en-Pflichten werden wir noch zurückkommen. Weiters sind die Möglichkeiten, „Verträge mit sich selbst zu schließen“, sich selbst „Gesetze zu geben“, Kern des Gedankens von Autonomie in einem Kant’schen Verständnis.

      Eine Patientin kann sich etwa vornehmen, in Würde mit der Krankheit umzugehen. Sie kann sich selbst das Gesetz geben, solange es möglich ist, sich Gesetze geben zu wollen. Das war der Entschluss von Ruth Picardie, einer jungen Engländerin, die in den 1990er-Jahren an Krebs starb und die sich vorgenommen hatte, die letzten Monate mit Würde und Lebensfreude zu leben. Ähnliches hat sich Susan Spencer-Wendel vorgenommen, die mit ALS diagnostiziert wurde und das voraussichtlich letzte Jahr, in dem sie sich bewegen konnte, intensiv für Reisen und Begegnungen nutzen wollte.36 Krankheit gefährdet diesen „Bestimmungs-Aspekt“ von Selbstachtung, weil kranke Menschen aufgrund der Ungewissheit ihrer Krankheitsentwicklung Schwierigkeiten haben, Versprechen abzugeben („An deinem Geburtstag bin ich wieder zu Hause“, oder: „Ich werde mit dir nach Rom fahren“). Ähnlich können auch die behandelnden Frauen und Männer nur bedingt Versprechen abgeben („Ich verspreche Ihnen, dass die Operation gut gehen wird“; „Ich verspreche Ihnen, dass Sie Weihnachten mit Ihrer Familie daheim feiern werden“). Auch hier sieht man, wie Selbstachtung in einem Krankenhaus ein gefährdetes Gut darstellt.

       Selbstachtung kann viertens als „institutioneller Selbstrespekt“ auftreten.

      Damit ist die Zugehörigkeit zu einer überindividuellen Einrichtung ausgedrückt – in diesem Fall jene zur „Menschheitsfamilie“. Jeder Mensch, so könnte man sagen, „repräsentiert“ Menschsein auf eine je besondere Weise. Mit dem Menschsein ist die angesprochene Idee der Menschenwürde verbunden. Selbstachtung wird dort unterminiert, wo Menschen nicht als vollwertige Mitglieder der Menschheitsfamilie angesehen und behandelt werden. Hier kann es verschiedene Formen der Diskriminierung geben, Sexismus, Rassismus, Herabwertung aufgrund des Lebensalters oder der religiösen Zuordnung. Der Punkt, an dem eine Erosion von Selbstachtung in diesem Sinne festgemacht werden kann, könnte die Erniedrigung sein. Auf diesen Begriff werden wir gleich zurückkommen.

       Selbstachtung: ein gefährdetes Gut im Krankenhausalltag

      Im Krankenhaus, wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden, gibt es eine Reihe von möglichen Nährböden für Demütigung und Erniedrigung. Birgit Heimerl beschreibt Krankenhäuser als „Brutstätten und Austragungsorte peinlicher Situationen.“37 Hier steht immer wieder die Selbstachtung auf dem Spiel. Selbstachtung ist in einem Krankenhaus für alle Beteiligten ein moralischer Auftrag, gerade auch im Alltag, in dem sich Kulturen der Selbstachtung handfest zeigen. Dabei sind die Anerkennung als besonderer Mensch, die Gestaltungs- und Handlungsmöglichkeiten, die Anerkennung als Mitglied der Menschheitsfamilie die entscheidenden Quellen von Selbstachtung, die bestmöglich zu schützen sind. So kann man mithilfe des Begriffs der Selbstachtung den Begriff der Würde „operationalisieren“, also greifbarer machen und in Handlungen übersetzen. Es lassen sich wenigstens drei solche Bedingungen unterscheiden: symbolische, soziale und materielle Bedingungen der Möglichkeit von Selbstachtung. Diese können durch andere maßgeblich unterstützt werden.

      Symbolische Bedingungen sind zum Beispiel Gesten, Worte und Taten der persönlichen Zuwendung und solche, in denen das Individuum in den Mittelpunkt gestellt wird. Einem Patienten zum Geburtstag zu gratulieren ist beispielsweise ein Akt, der dies unterstützt. Soziale Bedingungen sind solche der Mitbestimmung und der Information, der Kommunikation und der Interaktion mit anderen. In einem Krankenhaus hat das sehr viel mit „Informiertheit“ zu tun – weiß die Patientin, was im Laufe des Tages geschieht? Wurde der Patient über die einzelnen Diagnose- beziehungsweise Behandlungsschritte informiert? Materielle Bedingungen wiederum sind die Versorgung mit den Mitteln und Möglichkeiten, legitime Bedürfnisse zu befriedigen sowie die Gestaltung der äußeren Bedingungen nach Maßgabe des Möglichen. Das kann sich auch in Kleinigkeiten ausdrücken, am Beispiel eines Hinweises einer Krankenhausangestellten: „Ich möchte nicht im Krankenbett am Krankenhausareal herumgeschoben werden, in meinem Nachthemd, in meinem Bett … was man tagtäglich sieht.“

      Auf diese Weise kann man mit den Hinweisen auf „Alltagsstruktur, „Durchbrechung und Unterbrechung des Alltags“, „Menschlichkeit“, „Gemeinschaftsordnung“ und „Selbstachtung“ mit besonderem Blick auf elementare Lebensvollzüge und die besondere Aufmerksamkeit auf die schwächsten Mitglieder eines Gemeinwesens Bausteine für das Projekt „Kleine Ethik im Krankenhausalltag“ anführen.

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