Название: Er war mein Urgroßvater
Автор: Christiane Scholler
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783990402245
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»Gewöhnen Euer Kaiserliche Hoheit sich an, vor jeder Reise, an jedem Abend recht innig Reue über alle Armseligkeiten des Tages und des ganzen Lebens zu erwecken, damit einen jeden Augenblick wir vor Gott hintreten können, auch wenn der Priester nicht an unserer Seite wäre. Das ist ein großer Trost und gibt uns Muth.«
Ein guter Rat, der auch heute noch seine Gültigkeit hat, nicht nur für den strenggläubigen Katholiken.
Die Frage nach dem Anfang – die Suche nach den Wurzeln
Die Frage nach dem Jetzt und nach der Entwicklung dorthin beginnt immer bei der Frage nach der Vergangenheit. Wir können uns ihr nicht entziehen: Wohin wir gehen, zeigt, woher wir kommen. Wenn Sie Ihren Blick in den Räumlichkeiten der Eingangsebene von Schloss Artstetten schweifen lassen, dann sehen Sie auf den zahlreichen Bildern einen guten Teil der Familie versammelt.
Einige kennen Sie sicher. Die »Klassiker« sind Kaiser Franz Joseph I. und seine Frau, Kaiserin Elisabeth. Rasch finden Sie bestimmt auch den unglücklichen Kaiser von Mexiko, Maximilian, den jüngeren Bruder Kaiser Franz Josephs, der von Napoleon III. gewissermaßen »hineintheatert« und 1867 in Mexiko standrechtlich erschossen wurde. Seine Frau Charlotte hatte übrigens bis zum tragischen Ende vergeblich versucht, in Europas Fürstenhäusern diplomatische Hilfe für ihren Mann zu bekommen. Auch Kronprinz Rudolf, Sohn Kaiser Franz Josephs, dessen tragischer Selbstmord bis heute rätselhaft bleibt, ist hier vertreten.
Der Onkel: Kaiser Maximilian von Mexiko
Kaiser Franz Joseph war als Onkel Franz Ferdinands nicht immer der gütige ältere Herr, als der er so gerne dargestellt wird. In Wahrheit führte »der gute Kaiser Franz Joseph« ein strenges Regiment, nicht nur in der Innen- und Außenpolitik. Das hat auch die Familie oft genug gespürt, mein Urgroßvater Erzherzog Franz Ferdinand aber in ganz besonderem Maße. Sehen Sie sich seine verschiedenen Bilder und Gemälde etwas genauer an – ein Bild sagt mehr als 1000 Worte.
Was an den Bildnissen Erzherzog Franz Ferdinands auffällt, ist der durchwegs ernste und entschlossene Blick. Fast gewinnt man den Eindruck, Lachen oder wenigstens Lächeln kam für diesen Mann nicht infrage. Diese Haltung kommt nicht von ungefähr. Um den Menschen hinter der nachdenklichen und ernsten Fassade zu ergründen und anderen zugänglich zu machen, habe ich mich entschlossen, in diesem Buch meinen Urgroßvater ins Zentrum der Betrachtungen zu stellen. Wenn Sie nun also mehr über den Thronfolger erfahren und dabei die vielen anderen Familienmitglieder, deren Gesichter Sie in den Schlossräumlichkeiten betrachten können, zum Teil nur erwähnt werden, so wissen Sie jetzt, warum. Ich will das Andenken an diesen großen Mann und Vordenker so bewahren, wie es ihm gebührt. Es geht mir dabei nicht darum, die Geschichtsschreibung zu beeinflussen; aber es gibt mir das gute Gefühl, meinem Urgroßvater ein sehr persönliches Denkmal der etwas anderen Art zu setzen.
Herausforderung durch die Familie
Wenn Sie sich nun selbst die Frage stellen: Was hat mich in meinem Leben wirklich nachhaltig beeinflusst?, dann kommt fast sicher die Antwort: Kindheit, Zuhause, Familie, Eltern, Geschwister, Großeltern, selbstverständlich auch Lehrer und Mitschüler, Cousins und Cousinen, Tanten und Onkel. Geschwister können Freunde sein, die das Leben schenkt, sie können aber auch der berühmte Haken sein im Lebenslauf, der vieles entscheidet.
Niemand kann sich aussuchen, in welche Familie er oder sie hineingeboren wird. Der alles entscheidende Zufall, das Entstehen des Menschen, seine genetisch bedingten Anlagen, seine Geburt, Kindheit und Jugend – all das kann großes Glück oder tiefstes Unglück bedeuten.
Ab dem Zeitpunkt des Erwachsenwerdens können wir zumindest bedingt Einfluss nehmen auf unser Leben. Entscheidungen treffen, andere mit einbeziehen, manches tun, anderes lassen. Was auch immer wir beginnen: Nie wird der Einfluss von Geburt und Familie aus unserem Leben völlig wegzudenken sein. Ein Faktum, das auch bei sehr einfacher Familienstruktur mit wenigen Geschwistern oder Einzelkindern kaum zu leugnen ist.
Umso größer ist die Herausforderung, wenn man in eine Familie hineingeboren wird, die nicht nur eine der größten Dynastien Europas darstellt, sondern auch noch als »kaiserliche Familie« bezeichnet wird. Da die Lebensgeschichten der Mitglieder des Hauses Habsburg mit seinen vielen Seitenlinien zahllose dicke Bücher füllen, soll hier – aus dem oben genannten Grund – nur auf den engsten Kreis um den Thronfolger Franz Ferdinand eingegangen werden. Wo ist er geboren worden, wie ist er aufgewachsen, was hat ihn geprägt? Wieso wurde er überhaupt zum Thronfolger? Und woher kommt die Bezeichnung seines Namens »Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este«?
Hohe Geburt in Graz
Der Vater: Erzherzog Carl Ludwig, der um drei Jahre jüngere Bruder von Kaiser Franz Joseph; die Mutter: dessen zweite Frau, Prinzessin Maria Annunziata, Tochter von König Ferdinand II. beider Sizilien (um 1863)
Geboren wurde mein Urgroßvater am Morgen des 18. Dezember 1863 um 7.15 Uhr in Graz, an der Adresse »Sackgasse 18«. Sein Vater war Erzherzog Carl Ludwig, der um drei Jahre jüngere Bruder Kaiser Franz Josephs, geboren am 30. Juli 1833 in Schönbrunn. Franz Ferdinands Mutter war Carl Ludwigs zweite Frau, Prinzessin Maria Annunziata, die Tochter von König Ferdinand II. beider Sizilien.
Der fünfjährige Erzherzog Franz Ferdinand bei einer von seinem Vater so geschätzten Theateraufführung, 1868
Bereits jetzt wird die Geschichte etwas kompliziert, denn Franz Ferdinands Vater Carl Ludwig war insgesamt nicht ohne Grund dreimal verheiratet. Die erste Ehefrau, Margaretha (Tochter des Königs Johann von Sachsen), verstarb bereits nach knapp zwei Jahren kinderloser Ehe blutjung, mit nur 18 Jahren, an Typhus. Drei Jahre später heiratete der inzwischen 29-jährige Erzherzog Carl Ludwig die damals 19-jährige Maria Annunziata. Mit ihr führte er eine einigermaßen glückliche, wenn auch nicht allzu lange Ehe, denn auch sie verstarb nach relativ kurzer Zeit. Sie erlag der Lungentuberkulose. Ein Schicksal also, das sich in tragischer Weise wiederholte und damals keine Seltenheit war. Krankheiten, deren Diagnose und Therapie (beziehungsweise deren Vorbeugung) heute selbstverständlich erscheinen, kosteten vor rund 150 Jahren vielen, leider auch sehr jungen, Menschen das Leben.
Maria Annunziata wusste um ihre Erkrankung und spürte, dass sie nicht alt werden würde. Auch deshalb versuchte sie, in ihr kurzes Leben hineinzupressen, was nur irgendwie möglich war. Dazu gehörte auch die Hoffnung, aus der »Provinz«, als die sie die Stadt Graz empfand, wegzukommen und in die Großstadt Wien zu ziehen. Ihr gutmütiger und ihren Wünschen stets gern nachkommender Ehemann erfüllte diesen Wunsch. Die Familie zog daher 1868 in ein Palais in der Wiener Favoritenstraße. Dort kam auch, nach dem 1865 geborenen Otto, der zweite Bruder Franz Ferdinands zur Welt, der Ferdinand Karl Ludwig genannt wurde.
Hier, im Schloss Artstetten, das der Familie Erzherzog Carl Ludwigs auch als Sommersitz diente, erblickte dann noch ein viertes Kind die Welt. Das kleine Mädchen wurde auf den Namen Margaretha Sophia getauft. Die damals schon sehr schwache und schwer kranke Mutter war damit am Ende ihrer Kräfte. Sie kämpfte noch ein Jahr lang gegen den Tod, der schließlich СКАЧАТЬ