Krähen über Niflungenland. Gunnar Kunz
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Название: Krähen über Niflungenland

Автор: Gunnar Kunz

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

Серия:

isbn: 9783964260086

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СКАЧАТЬ hervor. »Ich will ihn! Ich will, dass er mich liebt!«

      Die Seherin beugte sich der Macht ihrer Leidenschaft. »Du hast entschieden«, sagte sie.

      Verspätet begriff Grimhild, dass die Abmachung zwischen ihnen damit besiegelt war. Aufgeregt öffnete sie den Lederbeutel, den sie bei sich trug, und entnahm ihm etwas Bruchsilber. Sie wusste, dass Thiota diese Art der Bezahlung römischen Münzen vorzog. Alles, was von den Römern kam, hielt sie für eine gefährliche Abkehr von den alten Pfaden.

      Die Alte strich den Lohn ein und machte sich an die Arbeit. »Amnesia«, murmelte sie geistesabwesend, öffnete Tongefäße und schnupperte an Kräutern. Gemeinsam mit Wurzeln, Samen und Pflanzenfasern wanderten diese in eine Tonschale. Nachdem die Seherin die Zutaten zerstoßen hatte, rührte sie das entstandene Pulver in einen Kessel mit Wasser ein und hängte ihn über das Feuer. Anschließend verschwand sie nach draußen. Als sie zurückkehrte, hielt sie einen blühenden Buchenzweig in der Hand. Geschickt entfernte sie die Blüten und schnitt den Ast in gleich lange Holzstäbchen, die sie in den Himmel hielt, um Wodan, den Herrn der Runen, um Beistand anzurufen.

      »Neun Nächte hingst du,

      o Runenmeister,

      am windigen Baume

      in Yggdrasils Ästen,

      dir selbst geweiht,

      geritzt mit dem Speer,

      blutend, wartend.

      Groß war dein Opfer.

      Du neigtest dich nieder

      und hobst unter Qualen

      die heilhaften Stäbe,

      die mächtigen Runen.

      Sie raunten dir zu

      verborg’nes Geheimnis.

      Raune mit mir,

      o Raterfürst!«

      Thiota nahm das Messer, mit dem sie den Zweig unterteilt hatte, und ritzte fehu, die Rune für Reichtum und Glück, in das weiche Holz, gebō, die Rune für Freundschaft und Gunst, und jēra, die Rune der guten Ernte. Nach kurzer Überlegung fügte sie noch berkō, die Fruchtbarkeit verheißende Birkenrune hinzu.

      »Runen sind magisch,

      Runen sind Macht.

      Heilhafte Hölzer,

      zeitlos geritzt

      auf die Pfote des Wolfs,

      auf die Schwinge des Raben,

      auf die Zunge der Schlange,

      auf die Spitze des Speeres,

      in die Schwelle des Hauses,

      in Feuer und Fels, in Wasser und Wind«,

      murmelte sie halblaut dabei. Das Wort laukaR würde ihr Werk gedeihen lassen, das Wort alu ihm Schutz verleihen. Aber wie leicht konnte jemand, der etwas von Runenmagie verstand, den Zauber erkennen und verändern! Deshalb war es unumgänglich, die Worte zu verrätseln. Thiota verkürzte laukaR zu einem l und verdrehte alu zu lua. Die Runen hatte sie bereits als Binderunen verschlüsselt, indem sie gebō und jēra übereinander ritzte und fehu und berkō einen gemeinsamen Stab gab.

      So plötzlich, dass Grimhild zusammenzuckte, waren die Augen der Seherin auf sie gerichtet. »Hast du, was für einen Liebeszauber nötig ist?«

      Die Niflunge wurde rot und nickte. So viel wusste jeder von Liebestränken, dass es gewisse Zutaten gab, die unentbehrlich waren. Sie öffnete ihren Lederbeutel und entnahm ihm ein Tuch mit getrocknetem Monatsblut.

      Thiota löste die Substanz mit warmem Wasser an. »Wenn dein Blut mit seinem gemischt ist, seid ihr für immer aneinander gebunden.« Ein paar Tropfen der roten Flüssigkeit ließ sie in den Sud fallen, mit dem Rest tränkte sie die Runen, Frija um Beistand anrufend. Während das Blut trocknete, wandte sie sich wieder dem Kessel zu. Der Sud war kurz vor dem Sieden. Auf dem Hochstuhl lag ein Eibenstab, den die Seherin nun holte, um damit den Kessel zu berühren, gleichzeitig stimmte sie einen leisen Gesang an. Gesang verstärkte die Zauberkraft des Wortes, das wusste jeder. Bestimmte Regeln waren dabei einzuhalten, damit die Worte ein Muster ergaben und sich nicht gegenseitig aufhoben. In Trance nahm die alte Frau eine Handvoll geweihter Erde, die sie von draußen mitgebracht hatte.

      Eine Gänsehaut bildete sich auf Grimhilds Arm. Thiota wollte dem Trank erdmegin beimischen! Plötzlich fürchtete sich die Niflunge. Waren die Mächte, die sie zu ihrer Unterstützung herbeirief, nicht zu groß, um kontrolliert zu werden?

      Thiota fühlte den Strom schwerer Energie von der dunklen, nach Moos und Farn riechenden Erde durch ihre Finger fließen. Ihre Hände kribbelten. Vorsichtig ließ sie ein paar Krümel in den Trank fallen und hauchte:

      »Erde, Erde,

      Kristallgebärende,

      Fruchtbare, Nährende,

      Reifende, Sprießende,

      Flur oder Grünende

      – bei jedem Namen

      rufe ich dich!«

      Thiotas Gesicht war angespannt. Ihr durfte kein Fehler unterlaufen. Ein Wort verfügte über die Kraft, das Gesagte zu erschaffen, ein Versprecher konnte unvorstellbare Folgen haben. Sie hob die mit Runen versehenen Holzstäbchen auf und ergriff das Messer. Dies war der entscheidende Augenblick. Schrift fixierte den Zauber und machte ihn dadurch mächtiger. Schriftmagie war stärker als Wortmagie, weil sie den Zauber dauerhaft band. Immer noch singend schabte Thiota die Runen ab und ließ die Späne in den Trank fallen.

      »Vergessen, verlieren,

      die Frau, die du liebst,

      der Treue du schworst.

      Ihr Antlitz verblasst,

      trinkst du die Runen.

      Verändern, verwandeln

      soll sich dein Sinn.

      Nicht schlafen sollst du

      vor Sehnsucht nach dieser,

      der herrlichen Jungfrau.

      Verlangen, verfallen,

      gefesselt dein Herz.

      Trinkst du die Runen,

      wirst nimmer begehren

      du Freiheit von ihr.«

      Thiota fühlte sich schwindlig, wie immer, wenn sie starke Magie benutzte. Vor ihren Augen tanzten farbige Kreise, und sie hörte Geräusche, die nicht wirklich da waren: Rauschen, Klingeln, dumpfes Pochen. Ein scharfer СКАЧАТЬ