Название: Schwarzer Kokon
Автор: Matthias Kluger
Издательство: Автор
Жанр: Сказки
isbn: 9783960085355
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Veronika blickte verwundert. Wieso in der Hütte? Warum engagierte sich Clexton derart, wo er doch sonst den direkten Kontakt zu seinen Sklaven mied und seine Anweisungen sowie die Art der Bestrafung an seine Vorarbeiter übertrug?
»Ich würde mich gerne darum kümmern dürfen«, warf sie ein. »Du hast doch sicherlich mit der heutigen Schiffsladung vieles zu erledigen.«
Zur Antwort erhielt sie den kalten Blick Clextons, der ohne weitere Diskussion und zum Erstaunen Veronikas an ihr und Tumelo vorbei ins Innere des Hauses drängte. Verwirrt sah Veronika ihrem Mann hinterher.
Tumelo hob langsam den Kopf. Würde noch eine Anweisung von Madam kommen?
»Habt ihr wirklich das gesamte Haus durchsucht?«
Tumelo nickte, blieb aber stumm. Sollte er vom Blut in Zolas Zimmer berichten, das er bei der Suche entdeckt hatte? Er entschied sich vorerst dagegen.
»Gut, Tumelo, geh hinüber zu den Stallungen und suche dort nach ihr«, befahl Veronika, »und frage Sam, ob er sie gesehen hat. Gib mir sofort Bescheid, wenn du etwas herausgefunden hast.«
Tumelo nickte abermals und schritt die Stufen der Veranda hinab in Richtung Stallungen. Veronikas Blick folgte Tumelo in Sorge um Zola, die sie in der kurzen Zeit, da sie im Herrenhaus untergebracht war, lieb gewonnen hatte.
Vor dem Sommerball
Vier Jahre zuvor, Charleston, South Carolina, 1728
Als Veronika vom diesjährigen Ball der Plantagenbesitzer erfuhr, war sie aufgeregt vor Freude, sollte das Fest doch eine wundervolle Abwechslung für sie sein. Voller Tatendrang, der ihrem jungen Naturell entsprach, empfand sie die Sommermonate auf der Plantage als äußerst langweilig und genoss daher täglich lange Ausritte auf ihrem schwarzen Hengst, den sie von ihren Eltern zum 21. Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Mindestens einmal die Woche besuchte sie mit ihrer Mutter Tea Partys der Plantagenfamilien. Abwechselnd wurde eingeladen, ohne Beisein der Männer, da derartige Treffen den Frauen vorbehalten waren. Unterhaltungen über das wundervoll aufgetischte Gebäck oder die neueste Mode aus England entlockten Veronika allerdings nur ein müdes Gähnen. Sollte ab und an dennoch Spannung aufkommen, so meist, wenn hinter vorgehaltener Hand die Gerüchteküche blühte. Veronika liebte das Getuschel über angebliche Affären der Männer derjenigen Frauen, die nicht zur Tea Party eingeladen waren, und wurde abrupt enttäuscht, wenn die Gerüchte, wie sie fand, zu schnell im Sande verliefen. Mutter betonte dann stets, dass es sich nicht zieme, da die bessere Gesellschaft Skandale zu vermeiden hätte.
Die Sommermonate waren also unaufgeregt und so fieberte Veronika, sobald sich die Blätter der Bäume in goldenes Braun verwandelten, dem Winter entgegen. In der kälteren Jahreszeit wohnte sie mit ihren Eltern in der prunkvollen Villa direkt in Charleston City. Das rege Treiben der Stadt sowie die vielen Läden waren eine willkommene Abwechslung. Sie freute sich auf das neue Theater, welches ihr Vater mit der Stadtverwaltung an der Ecke Church Street/Dock Street plante. Doch bis dahin würden noch einige Monate vergehen, denn jetzt war die Zeit, in der die Sonne tagsüber das Land zum Glühen brachte.
Die kleine, bunte Einladungskarte zum Sommerball, auf die Veronika schon gespannt gewartet hatte, lag auf dem schweren mahagoniroten Arbeitstisch ihres Vaters Robert Turner. Er hatte seine Tochter zu sich gerufen und schob ihr die Karte lächelnd hin.
Veronikas Wangen röteten sich vor Freude, als sie die Einladung las. »Endlich. Ich dachte schon, sie würde gar nicht mehr kommen. Was soll ich nur anziehen?« Sie unterlegte ihren gespielt fragenden Blick mit Schmollmund und leicht seitlich gewandtem Kopf. Als ob dies ein Thema wäre! Ihr Kleiderschrank war voll mit prachtvoller Garderobe. Bevor ihr Vater antworten konnte, küsste sie ihn auf die Wange und tänzelte mit dem Schreiben, fest an ihre Brust gepresst, aus dem Arbeitszimmer.
Robert Turner lächelte kopfschüttelnd seiner Tochter hinterher, dann wandte er sich wieder seinen Unterlagen auf dem Arbeitstisch zu.
Die Zeit bis zum Ball wollte und wollte nicht vergehen. Seitdem Veronika den ersehnten Termin auf der Einladung gelesen hatte, waren ihr die Minuten wie Stunden und die Stunden wie Tage vorgekommen.
Schließlich war es so weit. Der große Tag des Sommerballs!
Vor lauter Aufregung erwachte Veronika vor dem Morgengrauen, noch vor ihren Eltern. Mit nackten Füßen schlich sie, in einem für sie viel zu großen Schlafanzug steckend (Veronika trug nicht die Satinkleider, die für Frauen ihres Standes üblich waren, sondern Schlafanzüge ihres Vaters), in die Küche.
Maarifa, die kleine, farbige Haushälterin mit grauen, kurz gekräuselten Haaren, zwinkerte ihr lustig entgegen. Viel zu dick für ihre Größe, unterstrich die pummelige Figur Maarifas liebevolles Wesen. Sie kannte Veronika seit deren Geburt und verbrachte, dank der Erlaubnis der Herrschaften, viel Zeit mit ihr. Vieles hatte Veronika von Maarifa gelernt, unter anderem das Kochen von schmackhaften Speisen, die Maarifa mit ihren schnellen dunklen Fingern zubereitete. Veronika betrachtete Maarifa nie als Sklavin – nein – Maarifa gehörte zur Familie.
»Was machst du denn hier um diese Zeit?«, fragte Maarifa und sah Veronika mit gespielter Verwunderung an. Natürlich wusste sie vom heutigen Ball.
»Ich bin so aufgeregt und konnte nicht schlafen und jetzt habe ich einen Mordshunger. Wie wäre es mit vier bis acht Broten zum Frühstück?«
»Sicher, nicht dass du dein Kleid sprengst?«, gluckste Maarifa.
»Dann geh ich halt in meiner Reithose, da passe ich immer noch rein.« Sie tänzelte und drehte sich vor Maarifa mit ausgebreiteten Armen, um ihre Figur zu zeigen, die man jedoch wegen des zu großen Schlafanzugs lediglich erahnen konnte.
»Ist ja gut; setz dich auf deinen Hintern und warte ab, was ich dir zaubere.« Maarifa deutete auf einen Schemel, der an der Seite der Küchentheke stand.
Veronikas Eltern würde es sicher nicht recht sein, ihre Tochter in diesem Aufzug bei ihr in der Küche frühstückend vorzufinden. Doch sie schliefen noch. Schnell hatte Maarifa belegte Brote sowie eine Tasse heißer Schokolade zubereitet. Veronika verschlang die ersten beiden mit wenigen Bissen und fragte mit vollem Mund zu Maarifa gewandt: »Was glaubst du, Maarifa? Werden dieses Jahr wieder so viele rosa Lampions hängen wie letztes Jahr? Sie leuchteten abends wie rosa Sterne.« Verträumt blickte sie an die Zimmerdecke, als ob dort dieselben Lampions angebracht wären.
»Na, spätestens in ein paar Stunden wirst du es wissen. Aber schau nicht zu sehr auf die Lampions, sonst entgehen dir die feinen Herren, die dich bestimmt zum Tanzen auffordern werden.« Maarifa lachte.
»Ach was«, entgegnete Veronika mit gespielter Gleichgültigkeit. »Die steigen mir beim Tanzen bloß auf meine neuen Schuhe und werden mich fürchterlich mit Themen wie die Handelsgeschäfte ihrer Väter, die Bestellung der Felder, bla, bla, bla langweilen.«
Doch natürlich war sie aufgeregt, die Söhne der Landbesitzer wiederzusehen, die sie sonst selten zu Gesicht bekam. Wie wird sich wohl Thomas verändert haben? Letztes Jahr zum Sommerball hatte er noch mächtig viele Pickel im Gesicht, was sie verwunderte, denn er war mit 24 Jahren längst aus dem Alter für Akne heraus. Trotz seiner Pickel fand Veronika Gefallen an ihm. Er hatte eine lustige Art zu reden und konnte spannende Geschichten über Indianer erzählen – eine tolle Abwechslung zur sonstigen Konversation der anderen jungen Männer.
Maarifa СКАЧАТЬ