Название: Heimkehr zu den Dakota
Автор: Liselotte Welskopf-Henrich
Издательство: Автор
Жанр: Исторические приключения
isbn: 9783957840066
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Mattotaupa legte den Festrock ab. Er zog die Adlerfedern aus der Schlangenhaut und verwahrte sie, die Büchse aber nahm er an sich. Er verließ das Zelt und ging zum Gleis. Dort fand er kaum einen Menschen mehr vor. Alle die vielen Männer und auch die Frauen, die bei der Ankunft des Zuges zusammengekommen waren, auch die Entladekolonnen, die ihre Arbeit inzwischen getan hatten, waren zur Feier oder zu ihrer Nachtarbeit gegangen, und vielleicht hatten sich auch einige zum Schlafen zurückgezogen. Das Gelände war leer und still, und nur aus dem großen Zelt, dem Mattotaupa den Rücken kehrte, drang der Lärm der Musik und das Singen und Johlen der Feiernden.
Der Indianer ging das Gleis entlang ostwärts, ein kleines Stück nur, dann schlug er einen Bogen nach dem Lager hin, als ob er zurückkehre. Sobald er Stapel von Fässern und Brettern erreicht hatte, die ein gutes Versteck boten, verschwand er für mögliche Beobachter dahinter und begann seinen Kundschaftsgang wie eine Schlange im Gras.
Auf diese Weise konnte er nur verhältnismäßig langsam vorankommen, aber er hatte auch nicht vor, eine große Strecke zurückzulegen. Er wollte in Harkas Revier, zu dem die andeutungsweisen Feindspuren geführt haben sollten, eine Anhöhe gewinnen, die er sehr genau kannte, da die Geländeabschnitte der Kundschaftergruppen wechselten. Von dieser Anhöhe wollte er Ausschau halten und Harkas Späharbeit unterstützen.
So sagte er im Stillen zu sich selbst.
Er sagte es sich immer wieder, aber er glaubte sich selbst nicht. Das Misstrauen wühlte in ihm. Harka hatte berichtet, er habe keine Spuren gesehen, aber Jim hatte von Fährten gesprochen, die in Harkas Abschnitt hinüberliefen. War Harka je eine Spur entgangen, die er finden wollte? Mattotaupa marterte sich selbst mit dem Gedanken, dass er mit seinem Verdacht nicht allein stehe. Mackie war betrunken gewesen, daran gab es keinen Zweifel. Aber Betrunkene sprachen aus, was sie nüchtern verschwiegen. Wie war Mackie zu seiner Beschuldigung gekommen? Was hatte er für Anhaltspunkte gehabt? Jim sagte darüber nichts. Er wollte den Vater schonen. Doch Mattotaupa wollte nicht geschont sein. Er wollte Gewissheit haben, volle, unzweifelhafte Gewissheit.
Er wollte wissen, was sein Sohn Harka in dieser Nacht tat.
Mattotaupa hielt Ausschau.
Nach einer Stunde des Wartens etwa konnte er wahrnehmen, wie Harka im Dunkeln zu der nächsten Bodenwelle schlich, hinaufkroch und oben, von Grasbüscheln gedeckt, liegen blieb, um nach derselben Richtung zu spähen wie der Vater.
Mattotaupas Herzschlag ging immer schneller. Hatte Harka irgendeine Verabredung, wollte er sich mit einem Feind treffen? War seine Eile, die Feier zu verlassen, nicht wirklich verdächtig gewesen? War es nicht sonderbar, dass die Krieger der Bärenbande schon so lange nichts mehr unternommen hatten? Planten sie einen großen Streich vor Einbruch des Winters? Hatten sie die Ankunft des Zuges abgewartet, um gefüllte Vorratsräume und wohlversehene Materiallager in Brand zu stecken und zu verwüsten?
Dem Vater wurde es heiß bis unter die Haut. Seine Augen glühten. Der Branntwein und das Misstrauen arbeiteten gleichzeitig in ihm. Er beobachtete, dass Harka sich bewegte. Der junge Kundschafter glitt den Hang der Anhöhe, auf deren Kamm er lag, an der für Mattotaupa nicht sichtbaren Seite hinab und blieb für lange Zeit verschwunden. Mattotaupa überlegte, ob er zu der Anhöhe, auf der Harka gelegen hatte, hinüberschleichen sollte. Aber der Platz, den Mattotaupa jetzt einnahm, bot im Ganzen den weitesten Ausblick. So wartete er, ob er entdecken könnte, wo Harka sich wieder zeigte. Aber er konnte ihn bis zum Morgen nirgends mehr beobachten.
Es war Herbst, und die Nächte waren lang.
Als es dämmerte, lief Mattotaupa gebückt zu der Bodenwelle hinüber, die er im Auge gehabt hatte. Er sah noch die Spuren, wo Harka im Gras gelegen hatte. Er sah auch die Fährten, die den Hang hinabführten. Dann aber fehlte jede weitere Spur. Harka war ein guter Schüler seines erfahrenen Vaters, ohne Zweifel, und er hatte als Kundschafter Tag für Tag nichts anderes zu tun, als andere zu entdecken und sich selbst zu verbergen. In dieser Kunst war er ein fast nicht mehr zu übertreffender Meister geworden, obgleich oder vielleicht gerade weil er noch so jung war.
Da in der Nacht kein Überfall stattgefunden hatte, begann Mattotaupa etwas ruhiger zu denken und zu empfinden. Mackies schwere Beschuldigung gegen Harka hatte sich nicht unmittelbar bestätigt.
Mattotaupa machte sich auf den Heimweg. Der Wind wehte stark, der Morgenhimmel war von Staubwolken verdüstert. Die Zeltwände blähten sich. Aus dem großen Speisezelt klangen noch immer die Geigen. Im Gras zwischen Zelten und Baracken lagen ein paar Betrunkene und schliefen ihren Rausch aus.
Als Mattotaupa sich seinem Zelt näherte, sah er, dass die Pferde nicht davor angepflockt waren. Harka war wohl schon zurück und brachte die Tiere eben zum Bach, um sie saufen zu lassen.
Mattotaupa ging in das Zelt. Die schweigsame Seminolin saß im Hintergrund. Über dem Feuer kochte Fleischbrühe im Kessel.
Mattotaupa stellte seine Büchse an ihren Platz. Dann wurde er steif wie ein Gelähmter.
Neben der Feuerstelle, auf der hellen Lederdecke, lag sein eigener Revolver.
Mattotaupa fasste nach dem Gürtel. Die Revolvertasche war leer.
Nun wusste der Vater, was Harka getan hatte, als er verschwand und seine Spuren so sorgsam verbarg. Er hatte dem Vater den Revolver aus der Tasche geholt. Es war ein Meisterstreich.
Mattotaupa hob den Revolver nicht auf.
Er ließ ihn vorläufig liegen. Wenn Vater und Sohn noch in jenem unverbrüchlichen, jede Offenheit und Heiterkeit erlaubenden Vertrauensverhältnis gestanden hätten wie einst, so würde Mattotaupa jetzt gelacht, sich gefreut und jedermann erzählt haben, was er für einen vorzüglichen Kundschafter und künftigen Krieger herangezogen habe, der mit siebzehn Jahren schon den eigenen Vater überlistete.
Vielleicht konnte er der Sache diese gute Seite abgewinnen. Wenn Harka glaubte, dass der Vater ihn hatte unterstützen und prüfen wollen – nur seine Kundschafterfähigkeiten hatte prüfen wollen –, dann konnte Mattotaupa dem Sohn jetzt das Lob frei ins Gesicht sagen. Wenn Harka aber nach dieser Nacht annahm, dass der Vater ihn verdächtigte, so wie der betrunkene weiße Mann Harka verdächtigt hatte, dann ... Mattotaupa scheute sich davor, diesen Gedanken zu Ende zu denken. Es blieb ihm auch keine Zeit dazu.
Er hörte den Sohn mit den Pferden kommen. Er hörte, wie Harka mit ein paar Beilschlägen die Pflöcke an anderer Stelle in die Erde trieb, damit die Mustangs einen neuen Weidekreis fanden. Dann schlüpfte der junge Indianer ins Zelt.
Mattotaupa hatte den Revolver noch immer nicht aufgehoben. Jetzt erst, vor Harkas Augen, bückte er sich, griff nach der Waffe und steckte sie zu sich, mit dem Versuch eines Lächelns, mit einer verborgenen Frage, ob der Sohn ihm erlaube, die Sache von dieser Seite aufzufassen.
Harka holte sich seine alte Büffelhautdecke und legte sich wortlos schlafen. Der Vater hatte nur einen Augenblick in das Gesicht des Sohnes geschaut, aber er wusste jetzt, was alles verloren war.
Der alt gewordene Indianer zögerte, dann ging er aus dem Zelt hinaus in den Staubsturm. Er irrte im Lager umher und log sich vor, dass er kein Ziel habe. Doch lenkten seine Schritte immer näher zu dem großen Zelt, aus dem noch immer die Geige des Primas sang. Er gelangte zum Eingang, er ging hinein. Der Geruch von verschüttetem Bier, von kaltem Tabak, von erbrochenem Essen und Trinken schlug ihm entgegen. Die meisten Tische waren schon leer. Nur an einigen saßen noch die Unentwegten zusammen mit aufgedunsenen Gesichtern. Sie grölten heiser und unzusammenhängend und verlangten weiterzutrinken. Drei Kellner bedienten. Die Mädchen waren schon gegangen.
Mattotaupa СКАЧАТЬ