Elisabeth, Erbin von Toggenburg. Oder Geschichte der Frauen von Sargans in der Schweiz. Christiane Benedikte Naubert
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СКАЧАТЬ und den schwachen Walter, der die Zukunft seines Sohnes, wie die Erscheinung einer rächenden Gottheit scheute, aufrecht zu erhalten. Während der Berathschlagung, zu welcher uns Wiherus genöthigt hatte, liessen wir meinen unglücklichen Gemahl auf einige Minuten aus den Augen, und wir fanden ihn jetzt nach dem Abzug der Mönche in der Nähe jenes Brunnens, welcher, wie ich schon erwehnt habe, seiner erhitzten Einbildungskraft so fürchterlich war, und unterschiedliche Äußerungen von ihm zeigten, was wir zu besorgen gehabt hätten, wenn uns die Vorsicht39 nicht zu gelegner Zeit zu seiner Rettung herbeygeführt hätte.

      Wir durften ihn in der Fassung, in welcher er war, keinen Augenblick verlassen, wir wandten alle Künste der Beredsamkeit an, ihn zufrieden zu sprechen, und es gelang der sanften Elisabeth, welche viel über ihn vermochte, endlich sein zagendes Herz mit Hoffnung zu erfüllen, und ihm begreiflich zu machen, daß Graf Donat, und wär er auch ganz der wüthende Tyrann, wie ihn das Gerücht schilderte, doch unmöglich alle Menschlichkeit so ganz ausgezogen haben könnte, der Feind seines Vaters zu seyn und Rechenschaft über Dinge zu fordern, deren Ausgang vielleicht schlimmer gewesen wär, als er gedacht hätte.

      Ihr habt Recht, sagte Graf Walter mit jenem kindischen Lächeln, welches er meistens nach den heftigen Ausbrüchen seiner Rasereyen anzunehmen pflegte, ihr habt Recht! Ich haßte ja Lukretien nicht, sie war meine erste Liebe. Daß Noria schöner und reicher war als sie, konnte jener nur eine Zeitlang schaden; hätte ich diese erst ganz beyseit geschaft, so würde ich wahrscheinlich jene wieder aus der Dunkelheit hervorgezogen und sie in ihre alten Rechte eingesetzt haben.

      Die fromme Elisabeth bebte vor der abscheulichen Aeußerung zurück, welche ihre gutgemeynten Tröstungen aus dem Abgrund eines Herzens hervorgezogen hatten, das ich Thörichte zuweilen für gebessert gehalten hatte; sie sah mich mit wehmüthigem deutungsvollen Blick an, und ich zerfloß in Thränen.

      Weinet nicht, sagte mein aller Besonnenheit beraubter Gemahl, und o, daß ihr meiner Hand nur auf wenig Minuten einen Dolch anvertrauen wollte, weder ihr noch ich sollten länger Ursach haben vor Donats Rache zu zittern!

      Diese Unterredung, welche immer schrecklicher zu werden begunnte, und uns zwey hülflose Frauen für eine nähere Gefahr als für Graf Donats Schwerd zittern machte, ward durch die Ankunft zweyer Mönche aus Wiherus Gefolge unterbrochen. – Sie traten mit allen Zeichen der Angst ein, und meldeten, wie die Ueberredungskunst ihrer geistlichen Brüder bey unserm Feinde bey weitem nicht die erwartete Würkung gethan habe. Graf Donat, ein abgesagter Feind der Geistlichkeit, habe sie alle gefänglich annehmen lassen, und nur sie beyde seyen entflohen, um uns zur Rettung aufzumahnen.

      Zur Rettung? uns? zur Rettung? schrien Elisabeth und ich aus einem Munde.

      Ja, edle Frauen, erwiederte Gerungus, der eine von den beyden Klosterherren, ein Wink unser weisen Abts, sagte uns, was wir von euch zu fordern haben; er meynte, der Anblick der schönen Elisabeth von Rappersweil, eine Thräne aus ihren Taubenaugen, ein Wort mit ihrer herzgewinnenden Stimme, ein Fußfall, könne uns alle retten. O laßt euch erbitten, holdes Fräulein! Ein Maulesel steht bereit, euch ins Lager zu bringen, und wir begleiten euch, um zu eurem Schutze zu dienen.

      O! rief Graf Walter mit jauchzendem Ton, o geht, Elisabeth! erweicht das Herz meines Sohnes für uns alle, und zum Lohn dieser Edelthat will ich ihn euch zum Gemahl geben.

      Elisabeth bebte vor Gerungus Zumuthung und vor Walters Versprechen, auch ich hatte Einwendungen wider die seltsame Forderung der Mönche, doch fingen wir bey Gerungus beredten Vorstellungen und seines Gefärthen des arglosen Udalrichs gutherzigen Zureden an zu wanken, als der Abt Wiherus selbst hereintrat, und der Sache den völligen Ausschlag gab.

      Wollt ihr helfen, rief er, indem er sich an Elisabeth wandte, so eilt, ehe es zu spät ist. Unsere Begleitung bürgt euch vor aller Gefahr, auch habt ihr, wofern ich den Grafen Donat in den wenigen Augenblicken, da ich ihn sahe, richtig beurtheilen lernte, nicht zu fürchten, daß eure Reize eine dem Grafen von Homburg nachtheilige Würkung auf sein Herz machen werden. Er fügte diesen Worten noch andere hinzu, denen die Rednerkunst des einen seiner Abgeschickten so viel Nachdruck gab, daß Elisabeth entschlossen aufstand, und den Mönchen zu folgen versprach.

      Aber welches war die Rolle, die ich hierbey spielen sollte? Mein Gemüth war nicht frey und heiter genug, um tausend Widersprüche, tausend seltsame, Argwohn erregende Umstände in der Forderung der Mönche zu entdecken, welche einem unbefangenen Auge nicht entgehen werden; demohngeachtet dünkte es mich unmöglich zu seyn, das Fräulein von Rappersweil allein ziehen zu lassen, und ihre Schönheit und Unschuld den drohenden Gefahren auszusetzen. Meinen schwachen Gemahl zu verlassen, und ihn seinen vielleicht rückkehrenden verzweiflungsvollen Phantasien preis zu geben, war eben so unmöglich, so wie mir auch die Haut bey dem Gedanken schauerte, bey demjenigen eine Minute allein zu bleiben, der noch vor wenig Augenblicken Absichten wider mein Leben geäußert hatte, die ihm in der Raserey sehr leicht werden mußten, auszuführen. Unsere Leute waren theils alle geflüchtet, oder versteckt, theils waren sie zu Graf Donaten ins Lager geeilt, um durch freywillige Uebergabe ihr Schicksal zu erleichtern, ich blieb also nach Elisabeths Abreise der Wuth meines Gemahls ganz allein überlassen. Welche Parthie sollte ich ergreifen, da hier ein schneller Entschluß nöthig war?

      Wir kamen am Ende darinn überein, daß ich in Gerungus und Udalrichs Begleitung mit Elisabeth zum Grafen Donat ziehen, und der Abt in meiner Abwesenheit auf dem Schlosse bleiben sollte, Graf Walters zu hüten; ein Geschäft, dessen er sich, wie mich dünkte, mit Unwillen unterzog, und das er doch bey der vielen Gewalt, die er über meinen unglücklichen Gemahl hatte, sehr gut verwalten konnte.

      Wir zogen unsern Weg so langsam wie derjenige pflegt, der seinem Unglück entgegenzugehen denkt. Der gelehrte Gerungus bemühte sich, die zagende Elisabeth durch alle Trostgründe der Philosophie und der Religion bey gutem Muthe zu erhalten, indessen ich aus dem einfältigen Udalrich vergebens etwas zu erfragen suchte, was mich in meinen Hoffnungen oder Besorgnissen bestärken könne. Dieser Mann war sicherlich dem Herzen und dem Wandel nach der beste unter Wiherus ganzer Brüderschaft, aber so eingeschränkten Blickes, daß die Welt vor seinen Augen hätte untergehen können, ohne daß er zu sagen gewußt hätte, wie es zugegangen war. Alles, womit er mich zufrieden zu stellen suchte, waren unabläßige Versicherungen, es habe keine Gefahr mit unserer Reise, aber die Beschaffenheit des ganzen Vorgangs war ihm, wie es schien, so verborgen als mir.

      Wir nahten uns jetzt Graf Donats Gezelt, mein Herz begunnte heftiger zu schlagen; was hatte ich von demjenigen zu hoffen, welcher geschworen hatte, mich Lukretiens Schatten zum Opfer zu schlachten? Doch faßte ich mich, schlug meinen Schleyer zurück und ging muthig voran, wohin man uns führte. Ich warf mich zu Donats Füssen, und suchte alles, was ich von ihm flehen wollte, und wozu mir die Worte fehlten, in einem einigen Blicke zusammen zu fassen. Donats durchdringendes Auge ruhte auf meinem Gesicht, und er wandte sich nach einem der churwaldischen Mönche, der hinter ihm stand, indem er fragte, ob ich die Schöne sey, von welcher man ihm gesagt habe. Man nannte ihm meinen Namen, Noria Venosta, und seine Miene, welche vorher den ganzen Ausdruck des Wohlgefallens getragen hatte, verwandelte sich in verbissene Wuth; er riß sich von mir los, und ging der entschleyerten Elisabeth entgegen, welche sich langsam näherte, und dann mit der Anmuth, die die kleinste ihrer Handlungen begleitete, vor ihm niedersank. Gnade! Gnade! rief sie, indem sie ihre Hände bittend vor ihm faltete, Gnade für die hülflose Unschuld! Sollte der siegreiche Donat wider schwache Weiber, wider einen kranken Vater, wider ein Volk, das sich gern vor seinen Waffen beugt, wüthen können? o das sey ferne!

      Donat trat einige Schritte zurück, und sah die kniende Elisabeth mit jenem unerklärbaren Blicke an, den einige Männer in ihrer Gewalt haben. Niemand vermochte zu errathen, ob er die schöne Bittende aus einer für uns günstigen Bestürzung oder aus Verachtung in ihrer Stellung ließ, wie er bey mir gethan hatte.

      Stehet auf! rief er nach einer Weile mit einem angenommenen rauhen Tone, wer seyd ihr?

      Elisabeth von Rappersweil!

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