Название: Estrichgeschichte
Автор: Walter Böhl
Издательство: Автор
Жанр: Техническая литература
isbn: 9783778312193
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Man hat wohl beim Einsatz von Rindern während des Durchmischens des Mörtels empirisch festgestellt, dass sich auch Urin als Verflüssiger eignet. Somit wurde also weniger Wasser benötigt, um die gleiche Mörtelkonsistenz zu erreichen.
Hartstoffeinstreuung
Sowohl bei der nassen als auch bei der trockenen Methode kann man zusätzlich Sand in die Oberfläche einstampfen. Es gibt zahlreiche Literaturstellen, die auch das Einstampfen von Hammerschlag beschreiben. Hammerschlag ist der metallische Abfall, der beim Schmieden anfällt. Das wäre fast eine frühe Anwendung der Hartstoffgruppe M. [7] Praktisch war das wohl die Ausnahme, obwohl es sehr oft erwähnt wird. Hauptsächlich ist wohl Sand verwendet worden. Nach heutigem Sprachgebrauch wäre das eine integrierte Verschleißschicht.
Imprägnierung
Sowohl bei der nassen als auch bei der trockenen Methode bleibt die Oberfläche staubig. Bei bestimmten Arten der Nutzung, z. B. in einer Küche, stellte sich aber nach einiger Zeit eine dichte, „speckige“ Oberfläche ein, die nicht mehr staubte. Dadurch hat man wohl die Erfahrung gewonnen, dass man diesen Effekt auch durch Einlassen der Oberfläche mit Fetten und insbesondere auch durch trocknende Öle, wie z. B. Leinöl, erreichen konnte. [7]
1.5 Fertigteilestrich
In Hünengräbern wurden Lehmestriche in Platten gefunden, deren Fugen verstrichen (verfugt) waren. Der Lehm stammte nicht aus der unmittelbaren Umgebung. [6] Es ist deshalb anzunehmen, dass diese Lehmplatten nicht an Ort und Stelle, sondern woanders hergestellt und getrocknet wurden. Auf diese Art und Weise wurden auch Lehmziegel hergestellt.
Lehmestriche wurden auch noch in der neueren Zeit in Kellerräumen ausgeführt. Dann verschwanden der Lehmestrich und der Lehmbau in Deutschland fast völlig. 1971 wurden alle Normen und Vornormen, die sich mit Lehmbau befassten, ersatzlos zurückgezogen. Erst seit August 2013 gibt es wieder „Lehmnormen“.
1.6 Lehmestrich heute
Mittlerweile gibt es eine sehr agile Lehmbauszene. Der Dachverband Lehm e. V. hat ca. 300 Mitglieder. [10] Es gibt auch Literatur, Seminare, Forschungsarbeiten und detaillierte Verarbeitungsanleitungen für Lehmestrich. Als Estrich kommt heute nur noch die trockene Methode in Form von „Stampflehmboden“ zum Einsatz. Das Material wird entweder erdfeucht und feinkrümelig in Big Bags angeliefert oder einer Lehmgrube entnommen und in einem Zwangsmischer zerkrümelt.
Dazu wird nachstehend eine Verarbeitungsanleitung der Firma Lehm Ton Erde Baukunst GmbH in Schlins, Österreich, wiedergegeben:
Stampflehmboden
„ Lehmböden sind geprägt von ihrer heterogenen Oberfläche, weisen feine Mikrorisse auf und haben dadurch keine Oberflächenspannung. Sie wirken im Gegensatz zu zementgebundenen Böden weich, obwohl sie extrem hart und strapazierfähig sind. Stampflehmböden sind fugenlos einbaubar, wirken durch ihre Farbnuancen lebendig und sind stets ein Unikat.
Die Herstellung eines Stampflehmbodens erfordert ein großes Maß an Erfahrung. Die Ausführung erfolgt in mehreren Etappen und über einige Wochen.
Erdfeuchtes Material wird ca. 15 cm stark plan aufgezogen und verdichtet. Der Verdichtungsprozess erfolgt zunächst mit einem Handstampfer, wobei von Trittbrettern aus und später mit Glättschuhen gearbeitet wird. Danach wird mit einer kleinen, bis zu 240 kg schweren Vibrationsplatte verdichtet. Nach dem Verdichten wird die Oberfläche mit dem aus dem Lehmmaterial hergestellten Schlicker verspachtelt, abgeschabt mit Quarzsand und mit einer Einscheibenmaschine abgerieben. Durch den Schlamm sind alle Fugen, Öffnungen und Unebenheiten ausgefüllt, Steine bleiben jedoch sicht- und spürbar. Bei störenden Unebenheiten wird der Lehmboden mit einem Diamantflächenschleifer leicht abgeschliffen, dadurch entsteht ein terrazzoähnlicher Effekt, der die Oberfläche zusätzlich noch strapazierfähiger macht.
Durch den Trocknungsprozess schwindet der Lehm, und der Boden ist übersät mit vielen kleinen Rissen. Dank dieser Mikrorisse baut der Lehmboden keinerlei Spannungen auf und ist relativ elastisch. Nach dem vollständigen Austrocknen wird die Oberfläche mit Casein und Wachs imprägniert, sodass der Lehmboden sehr pflegeleicht und im Wohnbereich uneingeschränkt nutzbar ist. Die Farbigkeit kann entsprechend den Anforderungen angepasst werden.“
Heizungsrohre werden abgedeckt und überhöhte Abziehlehren hergestellt (Bild: Uwe Wirthwein, Lehmprojekt).
Überhöhtes Abziehen des Estrichs (Bild: Uwe Wirthwein, Lehmprojekt).
Mit einem Handstampfer wird von Trittbrettern aus vorverdichtet (Bild: Uwe Wirthwein, Lehmprojekt).
Endgültig wird mit einer Rüttelplatte verdichtet (Bild: Uwe Wirthwein, Lehmprojekt).
Verdichtung der Ränder von Hand (Bild: Uwe Wirthwein, Lehmprojekt).
Schleifen der Oberfläche (Bild: Lehm Ton Erde Baukunst GmbH).
Schleifen der Oberfläche (Bild: Uwe Wirthwein, Lehmprojekt).
Abschließende Oberflächenbehandlung mit Wachsemulsion (Bild: Lehm Ton Erde Baukunst GmbH).
Fertiger Stampflehmestrich in einem Wohnraum (Bild: Bruno Klomfar, Ausführung Lehm Ton Erde Baukunst GmbH, Architektur Nägele Waibel ZT GmbH).
Oberfläche des Stampflehmestrichs (Bild: Bruno Klomfar, Ausführung Lehm Ton Erde Baukunst GmbH, Architektur Nägele Waibel ZT GmbH).
2. Gipsestrich
2.1 Älteste Funde
Der wohl älteste archäologische Fund eines Gipsestrichs [12] findet sich in Catal Hüyük. Catal Hüjük (auch Çatalhöyük oder Chatal-Hayouk) ist eine in der heutigen Türkei ausgegrabene Siedlung aus der Jungsteinzeit. Sie wird auf den Zeitraum zwischen 7500 und 5700 v. Chr. geschätzt. Ihre Blütezeit war um 7000 v. Chr. Die Ansiedlung lag auf der Hochebene Anatoliens und hatte mehrere Tausend Einwohner. Man rechnet sie dem Zentralanatolischen Neolithikum (CAN) zu. Seit 2012 ist Catal Hüyük Teil des UNESCO-Welterbes. [13]