Название: Leere Hand
Автор: Kenei Mabuni
Издательство: Автор
Жанр: Спорт, фитнес
isbn: 9783938305232
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Der Shaolin-Faustkampf als Kampftechnik der Mönche
Das Shaolin-Kempō entstand im chinesischen Shaolinkloster, das im Jahr 495 (späte Wei-Zeit) von Kaiser Xiào Wén (471-499) für den aus Indien kommenden Zen-Meister Ba Tuo errichtet wurde. Es liegt in der Provinz Henan südlich vom Gelben Fluß (Huanghe) am Fuße des Songshan-Gebirges (japanisch: Sūzan) und wird deshalb auch Kloster Songshan Shaolin genannt. Das Shaolinkloster wurde berühmt durch den Aufenthalt von Bodhidharma19 (jpn. Daruma), der zum Begründer des Zen-Buddhismus in China wurde und die zazen-Meditation20 einführte. Er wurde deshalb auch – wahrscheinlich fälschlicherweise – als Gründer des Shaolintempels oder Ahnherr des Kempō bezeichnet.
In den chinesischen Klöstern gab es viele Kunstschätze und anderes Vermögen. Die Notwendigkeit, diese in dem ständig von Unruhen geplagten Land verteidigen zu müssen, hat dazu geführt, daß sich die Kampftechniken in China vorrangig in den Klöstern entwickelten. Unter dem Begriff Shaolin-Kempō sind Techniken zusammengefaßt, die aus dem Shaolinkloster bzw. aus der Region, in der es sich befand, stammen. Einige davon sind im Laufe der Zeit verlorengegangen, wie z. B. die Techniken »Durchschlagende Faust« (tsūhai ken), »Beseelte Faust« (shin i ken) oder »Kosmische Faust« (rikugō ken).
Im Shaolinkloster unterschied man zwischen Gebetsmönchen, die sich auf die religiösen Studien spezialisierten, und Kampfmönchen, die vor allem die Kriegskünste studierten. Die Kampfmönche wurden gleich bei ihrem Eintritt ins Kloster kahlgeschoren und als Mönche gekleidet. Ihre Zeit verbrachten sie in der Folge eher mit dem Training der Kampfkünste als mit dem Studium des Buddhismus. Als religiöse Übung praktiziertes japanisches Shaolin-Kempō gibt es erst seit der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Es wurde von Meister Sō Dōshin (1911-1980) begründet.
Seit der Ming-Zeit war das Shaolinkloster im übrigen weniger für seine Fausttechniken, als vielmehr für seine Stocktechniken, Kompō21 bzw. Bōjutsu, bekannt. Andererseits wurde auch ein Fukien-Kempō überliefert, das sich in den südchinesischen Provinzen Fukien und Kanton herausgebildet hat. Auch das Fukien-Kempō soll aus einem Shaolinkloster stammen. Dabei handelt es sich aber wohl nicht um das ursprüngliche Songshan-Shaolinkloster, sondern um ein später in der Provinz Fukien errichtetes Tochterkloster.
Das Shaolinkloster von Fukien existiert heute nicht mehr. Es ist auch nicht mehr genau feststellbar, wo es sich befand. Überreste, die auf ein solches Kloster hindeuten könnten, hat man an verschiedenen Stellen gefunden. Da das Songshan-Shaolinkloster nördlich des Yangtse-Flusses lag und sich das Fukien-Shaolinkloster südlich davon befand, spricht man auch von einem Nord-Shaolin und einem Süd-Shaolin bzw. von einem nördlichen und einem südlichen Kempō.
Wie auch in anderen Ländern gab es Zeiten, in denen die Staatsmacht bestimmte Religionen förderte und Zeiten, in denen sie sie unterdrückte. Das Shaolinkloster war davon nicht ausgenommen. Es erlebte sowohl Förderung und Prosperität, als auch Unterdrückung und Brandschatzung. Sicher gab es auch Mönche, die in beiden Klöstern praktizierten und andere, die in Zeiten der Verfolgung in anderen Klöstern Zuflucht fanden und ihr Wissen über die Kampftechniken weitergaben. Es ist auch anzunehmen, daß sie die Verbreitung und das Niveau von Kampftechniken im einfachen Volk beeinflußten. In China unterscheidet man zwischen dem Kempō der Mönche, dem »zum Haus gehörenden« oder Klosterkempō, und dem »nicht zum Haus gehörenden« oder Volkskempō. Repräsentativ für letzteres ist das Taijiquan.
So entstand das heutige chinesische Kempō aus verschiedenen Formen und Stilen des waffenlosen Kampfes, die einen langen Entwicklungsprozeß durchliefen und sich gegenseitig beeinflußten. Aber zweifellos waren es die beiden Shaolinklöster, die in ganz China den Heldenmut entfachten. Wie im japanischen Hieizan-Kloster im ausgehenden Mittelalter bewaffneten sich die Mönche und griffen in das weltliche Geschehen ein.
Ähnlich verhielt es sich in Japan mit Minamoto no Yoshitsune und Musashi Bō Benkei zum Ende der Heian-Zeit (794-1185). Yoshitsune, als Kind Ushiwaka-maru genannt, lebte im Kurama-Kloster im Norden der japanischen Hauptstadt. Er praktizierte dort buddhistische Geheimlehren (Mikkyō)22, begann aber vor allem auch, sich mit Kampftechniken zu beschäftigen. Der Überlieferung nach wurde er vom großen langnasigen Berggeist (Dai Tengu)23 von Kurama in den Kriegskünsten unterrichtet. Um sich abzuhärten, ging Yoshitsune jeden Tag den Weg aus den Kurama-Bergen ins Zentrum der Hauptstadt zu Fuß. Dabei traf er einmal auf der Brücke von Gojō auf Benkei und besiegte ihn.24 Diese Geschichte ist in Japan vor allem durch ein Kabuki-Stück25 gut bekannt.
Der Einfluß des chinesischen Kempō auf die japanischen und okinawanischen Kampftechniken
Nach alten Aufzeichnungen soll in der Edo-Zeit der Chinese Chin Gempin26 als erster das Kempō nach Japan gebracht haben. Es heißt, er habe Kempō im Songshan-Shaolinkloster gelernt und sei ein genialer Mensch gewesen, der im gesamten Wissen seiner Zeit bewandert war, d. h., nicht nur im Konfuzianismus, im Buddhismus und im Taoismus, sondern auch in der Kalligraphie und der Tuschemalerei, der Poesie, der Herstellung von Keramik, Süßigkeiten und Kräutermedizin und darüber hinaus auf dem Gebiet der Akupunktur und Moxibustion27. Nach seiner Ankunft in Nagasaki reiste er auf der Hauptinsel bis in die Region um das heutige Nagoya. Er soll dreimal vom Regenten Tokugawa Iemitsu empfangen worden sein und viele Fürsten getroffen haben, denen er seine Künste vermittelte. Der Kitō-Stil des japanischen Jūjutsu wurde von Fukuno Masakatsu Shichiroemon und Ibaragi Sensai entwickelt, nachdem sie von Chin Gempin unterrichtet worden waren.
Andere Stile hatten ebenfalls ihren Ursprung in China, so z. B. der bekannte Yōshin-Stil, der zu Beginn der Edo-Zeit in Nagasaki von dem Arzt Akiyama Shirōbei geschaffen wurde. Dieser beruhte auf Kempō-Studien, die der Mediziner während einer Chinareise betrieben hatte. Aus dem Tenshin-Shinyō-Stil, der aus dem Yōshin-Stil hervorgegangen war, sowie aus dem Kitō-Stil, entwickelte Kanō Jigorō später das Jūdō.
Daraus läßt sich allerdings nicht schließen, daß die ursprünglichen Stile des Jūjutsu direkt aus dem chinesischen Kempō stammen. Auch in Japan gab es seit alter Zeit Techniken des waffenlosen Kampfes. Der Takenouchi-Stil, der als der älteste im japanischen Jūjutsu gilt, hatte seinen Ursprung in Kurzschwerttechniken, die Takenouchi Hisamori angeblich in der Folge eines langen Gebets, in dem er den Geist des Berges Atago gebeten hatte, ihn zu einem Meister in den Kampfkünsten zu machen, von einem weißhaarigen Bergmönch vermittelt bekam. Dies ereignete sich einhundert Jahre vor dem Eintreffen von Chin Gempin (1587-1670), zu Beginn der Zeit der Feudalkriege im 16. Jahrhundert.
Selbstverständlich hat das chinesische Kempō das japanische Jūjutsu stark beeinflußt. Es war wohl nicht sein Ursprung, aber es nährte und förderte seine Entwicklung. Im Jūjutsu werden z. B. atemi, d. h., gegen bestimmte Körperteile gerichtete, lebensgefährliche K.-o.-Schläge, nicht eingesetzt und demzufolge auch kaum trainiert. Hingegen sind Würfe und Hebeltechniken sehr wichtig. Vor allem sollte das Jūjutsu den Kampf mit der Waffe unterstützen. Seit dem 12. Jahrhundert, der Kamakura-Zeit, als die Ära der Samurai begann, erlebte Japan eine Blütezeit der Schwerttechniken, so daß waffenlose Techniken nur eine sekundäre Rolle spielten.
Auch vom Karate wird oft behauptet, daß es seinen Ursprung im chinesischen Kempō habe. Wegen der technischen Ähnlichkeiten und der Bezeichnungen für die Kata ist das auch durchaus naheliegend. Aber es existieren darüber keine schriftlichen Aufzeichnungen. Also kann man diese Hypothese auch nicht als bewiesen betrachten. Auf Okinawa gab es seit alter Zeit eine Form des Kempō, die man einfach »Hand« (jpn. te bzw. de) nannte. Dagegen bezeichnet man das chinesische Kempō als »Chinesische Hand«, Tōde.
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