Название: Darky Green
Автор: Adrian Plass
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783865067623
isbn:
Mit einem stummen, entschlossenen Nicken packte sie den Einkaufswagen mit beiden Händen, schwenkte ihn vorsichtig um hundertachtzig Grad und machte sich auf den Weg zum Hauptausgang. Soweit sie sich erinnerte, befanden sich dort in einer Nische neben jener großen Drehtür ein paar Telefonsäulen an der Wand.
2
Beth war bei Tom, als Noreens besorgter Anruf vom Supermarkt kam.
In gewisser Weise war der Anlass der Unterbrechung eine große Erleichterung. Schon seit über einer Stunde hatten die beiden trübsinnig über ihren teilweise geleerten Kaffeebechern und teilweise verzehrten Keksen gehockt. Endlos hatten sie Toms unerklärliches Erlebnis im Zug in allen Einzelheiten auseinandergenommen und erörtert, in dem verzweifelten Bemühen, sich einen Reim auf diesen Wachalbtraum zu machen, der doch anscheinend keinerlei Sinn hatte und der zutiefst und nachhaltig erschreckend war.
Beth fand Toms bedrohliche Zeitlupenkatastrophe tief beunruhigend; teilweise natürlich wegen der möglichen körperlichen Gewalt, die ihrem Freund in der Zukunft drohen könnte. Zugleich aber war ihr sehr deutlich bewusst, dass jenes Erlebnis im Zug Wasser auf die Mühle von Toms Furcht vor seiner eigenen Hilflosigkeit angesichts von Gewalt war, die ihm ohnehin schon immer sehr zu schaffen gemacht hatte. Gab es irgendetwas, was er und Beth praktisch tun konnten, irgendetwas, was wirklich helfen konnte?
»Angenommen, das war alles von irgendjemandem geplant«, hatte Tom gerade gesagt, bevor das Telefon klingelte. »Das macht die Sache doch nur noch merkwürdiger, findest du nicht? Ich meine, lieber Himmel, was habe ich denn an mir, was habe ich getan oder was könnte ich tun, das diesen ganzen Aufwand rechtfertigen könnte? Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn. Es ist Wahnsinn! Absoluter Wahnsinn!«
Nachdem sie das Telefon zum Schweigen gebracht hatte, indem sie den Hörer von der Gabel an der Wand nahm, hörte Beth drei oder vier Minuten lang der Person am anderen Ende der Leitung zu. Ihr Beitrag zu dem Gespräch bestand nur aus einem gelegentlichen mitfühlend zustimmenden Gemurmel.
»Ja, Noreen«, sagte sie schließlich entschieden. »Natürlich kommen wir – sofort, nachdem ich aufgelegt habe, versprochen. Bis gleich.«
Tom hörte auf, sich mit den Händen das Gesicht zu reiben, und blickte fragend auf.
»Noreen«, sagte Beth. »Lances Mutter. Der arme alte Lance ist wieder mal dabei, in einem seiner schwarzen Löcher zu verschwinden. Ob wir mal nach ihm sehen können?«
Tom stand auf, klopfte sich auf die Taschen und sah sich in der Küche nach dem Autoschlüssel um. Er fand ihn in einer kleinen Metallpyramide hinter dem Becher, der vor ihm auf dem Tisch stand. Er griff nach dem Schlüsselbund und klingelte laut damit. Punkt.
»Okay – gehen wir.«
Beth atmete erleichtert auf. Sie war froh, dass der Kreislauf durchbrochen war, wenigstens für eine kleine Weile.
3
Auf der Außenseite der gelb lackierten Zimmertür neben dem Badezimmer der Wilsons hing ein eigens angefertigtes Metallschild, das Lance am vorletzten Weihnachtsfest mit gebührendem Zeremoniell von seinem Freund Olly überreicht bekommen hatte. Darauf stand in leuchtend roten Großbuchstaben, erhaben auf hellblauem Hintergrund:
ACHTUNG! LANZENWUNDEN HEILEN SELTEN SIE WURDEN GEWARNT
Dieses exzentrische, alberne Geschenk war ein kleines Symptom dessen, was Olly selbst vielleicht seinen krankhaften Sinn für Ironie genannt hätte. Seine typisch beharrliche und theoretisch humorvolle Marotte baute auf der Vorstellung auf, Lance sei sanftmütig und zurückhaltend, bis man ihn reizte. Dann aber verwandelte er sich in eine Art Neandertaler im Quadrat, vor dem starke Männer entsetzt die Flucht ergriffen, wenn ihnen ihr Leben lieb war. Lance, der sich wirklich und wahrhaftig nicht an den geringfügigsten Anlass erinnern konnte, bei dem er je auch nur einen Anflug von Aggression gegenüber irgendjemandem empfunden oder gar gezeigt hätte, nicht einmal in den angespanntesten Situationen, war (natürlich) über diese freundschaftliche Frotzelei nie beleidigt gewesen. Im Gegenteil, er fand es sehr lustig, ja sogar schmeichelhaft, auch wenn er sich beim besten Willen nicht erklären konnte, warum. So war Olly nun einmal.
Manchmal machte Lance mit. Manchmal schaffte Lance es sogar, den Witz umzudrehen und zu gewinnen.
Zu seinen besten und glücklichsten Zeiten ging Lance durchs Leben wie ein Koala auf einem Eukalyptusbaum, der an der Luft schnupperte und mit einer zeitlupenartig konzentrierten Wonne an den interessant schmeckenden Blättern des Lebens knabberte. Aber er hatte auch seinen eigenen, ganz persönlichen Katastrophenzustand. Seit die anderen drei ihn kannten, war er einige Male heftig in diesen Abgrund gestürzt. Es hatte irgendetwas mit Furcht und Zwangsvorstellungen zu tun, hatte Tom schon immer vermutet.
Meistens fing es mit irgendeiner Kleinigkeit an. Als es zum Beispiel um die Zerstörung der südamerikanischen Regenwälder ging, hatte es mit einem kurzen Artikel in einer Sonntagszeitung begonnen und sich von da aus zu einem neurotisch unersättlichen Sammeln und Verschlingen aller Zeitungen, Bücher oder Fernsehsendungen gesteigert, in denen das Thema in irgendeiner Weise zur Sprache kam.
Es war sehr ernst geworden. Lances Mutter war außer sich vor Sorge gewesen. Dr. Morgan machte Lance deutlich, dass er lernen musste, sich selbst wirksamer zu steuern. Sicherlich war es richtig, Anteil zu nehmen, aber er musste auswählen, worein er sein Herz steckte. Es war gut, sich einer Sache oder einem Ziel zu verschreiben, hatte ihm der Doktor mit seinem walisischen Akzent geraten, der sich anhörte wie ein Bach, der über ein Kiesbett fließt, aber es musste etwas sein, wozu sein Patient auch einen machbaren, ausgewogenen, beständigen Beitrag leisten konnte. Das Problem bei Lance, wenn die Zwanghaftigkeit ihn richtig gepackt hatte, fuhr er fort, war nicht nur, dass er zu den Typen gehörte, für die das »Glas halb leer« war. Er war sogar ein Typ, für den das »Glas bald ganz leer sein wird, und dann wird es wahrscheinlich zusammen mit allen anderen Gläsern auf der Erde zu Bruch gehen«. Sich selbst steuern, das war es, was er lernen musste.
Lance hatte sich vorgenommen, es zu versuchen. Und meistens war es ihm auch gelungen, das musste man ihm lassen. Trotzdem hatte es seit der Regenwaldaffäre mindestens zwei Gelegenheiten gegeben, bei denen Lance das Steuerrad entglitten war, wie Dr. Morgan es ausgedrückt hätte, und er sich den ersten Stadien desselben steilen Abrutschens in die Depression überlassen hatte.
Wichtig war, frühzeitig etwas dagegen zu tun. Das wussten Tom und Beth.
Als Beth behutsam an die Tür klopfte, tat sich zunächst nichts. Sie trommelte ein wenig härter mit ihren Knöcheln und eine leise Stimme sagte: »Herein, wenn’s sein muss.«
Sie stießen die Zimmertür auf und fanden Lance im Schneidersitz mitten auf seinem Bett. Ausdruckslos starrte er in die Richtung der schweren alten Fallfenster, die an der Vorderseite des Hauses auf die Straße hinausblickten. Neben ihm auf dem Bett stand ein Teller mit Sandwichs, Käse und Tomate, die er offenbar noch nicht angerührt hatte. Er drückte mit beiden Armen ein Kissen gegen seine Brust und sah rundlicher und vertrauter aus als je zuvor. Als die Tür aufging, wendete er nicht den Kopf.
Trotz allem musste Tom lächeln. Das Wichtigste war doch, einfach da zu sein. In der Höhle des Dachses. Hatten Dachse Höhlen? Nein, sie hatten Baue. Aber der Dachs in Der Wind in den Weiden hatte eine Art Höhle СКАЧАТЬ