Bube, Dame, König. Fabian Vogt
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Название: Bube, Dame, König

Автор: Fabian Vogt

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783865064486

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СКАЧАТЬ Der Adlige hob zum ersten Mal den Blick: »Ich heiße Kilmarnok. Lord Frederik von Kilmarnok.« Dann schwieg er wieder.

      Jizchak krempelte vorsichtig den Ärmel über seiner Wunde hoch und betrachtete die Verletzung. Ohne seinen Angreifer eines Bli ckes zu würdigen, fing er an, seinen Gedanken über ihn freien Lauf zu lassen: »Nun: Er ist wahrscheinlich einer dieser gedungenen Mörder aus Genua, die dem König noch immer nach dem Leben trachten. Oder einer der vielen Gläubiger, die sich an dem so gepriesenen und so wohlhabenden Königreich dumm und dämlich verdienen wollten. Nein, wartet mal. Jetzt habe ich es!« Er grinste breit in den Raum: »In den Steckbriefen aus Genua hieß es doch immer, der König sei so unglaublich gut aussehend. Wahrscheinlich hat dieser Kerl deshalb geglaubt, ich sei es.« Er bekräftigte seine Schlussfolgerung mit einem meckernden, hohen Lachen.

      Lord Kilmarnok sah ungläubig im Zimmer umher. Sein Blick huschte von einer Person zur nächsten und verharrte in tiefer Ratlosigkeit. Stammelnd fragte er: »Was? Ihr ... Ihr, du bist es nicht? Du bist nicht der König?«

      Jizchak erhob sich langsam und lehnte sich dann schwer auf den Handlauf der Treppe. Seine Stimme klang leicht sarkastisch: »Eure Lordschaft! Schaut mich doch einmal etwas genauer an. Sehe ich etwa aus wie ein König?« Plötzlich wurde er ernst: »Na gut, Theodor sieht auch nicht mehr aus wie ein König. Aber Euer Gedächtnis scheint genauso miserabel zu sein wie Eure Treffsicherheit. Ihr kommt hier hereingestürmt, wollt den König erschießen und erinnert Euch nicht einmal mehr daran, wie er aussah?«

      Der immer noch am Boden Liegende hatte plötzlich Tränen in den Augen. Unsicher rückte er seine Perücke zurecht und sprach mehr zu sich als zu den Anwesenden: »Ich kenne ihn gar nicht! Ich bin ihm auch nie vorher begegnet. Ich bin nach London gekommen, um die Ehre meiner Familie zu verteidigen.«

      Isabelle nahm eine einfache Mantua vom Stuhl und hängte sie sich über die entblößten Schultern. Ihre Stimme war eng und gepresst: »Und Ihr meint, dass Ihr Eure törichte Familienehre wiederherstellt, wenn Ihr einem Sterbenden die letzten Tage raubt und daneben ein Kind zu Tode erschreckt?«

      Als der Adlige sich erheben wollte, stellte ihm Philipp den Fuß auf die Brust und stieß ihn kraftvoll zurück. Lord Kilmarnok verlor das Gleichgewicht und schlug mit dem Kopf gegen eine Truhe, schien es aber in seiner Wut gar nicht zu bemerken. Schwer atmend lehnte er an dem Möbelstück, und es sah aus, als hätte er alle verfügbaren Muskeln seines Körpers gleichzeitig angespannt. Stolz hob er den Kopf und rümpfte die Nase. Plötzlich strömten die Worte aus seinem Mund wie ein Hornissenschwarm: »Der König. Euer König.« Verächtlich schnellte sein Kinn noch höher: »Ihr habt doch keine Ahnung. Er ist ein widerliches Schwein, ein gewissenloser Hochstapler, ein Schmarotzer, der die Welt zum Narren gehalten hat. Er verdient den Tod, nicht nur einmal, nein, tausendmal. Selbst ein Tier hat mehr Anstand im Leib als diese eklige Missgeburt. Keiner von euch weiß, wie es ist, wenn so jemand Schande über eine Familie gebracht hat. Er hat uns alles genommen. Und ich werde nicht eher Frieden finden, bis ich mich gerächt habe. Diese Ratte …«

      Die Flüche hallten in dem kleinen Zimmer nach. Keiner sagte etwas. Jizchak kam von der Treppe und setzte sich auf den Stuhl, von dem Isabelle ihr Kleid genommen hatte. Sanft sagte er: »Ihr kennt ihn wirklich nicht. Wie Ihr ihn beschreibt … so ist der König nie gewesen!«

      Lord Kilmarnok zog die Nase hoch, da er es nicht wagte, zu seinem Taschentuch zu greifen: »König! Ich höre immer nur König! Dass ich nicht lache. Ein aufgeblasener Popanz ist er, sonst nichts. Wer hat ihn denn jemals ernst genommen? Keiner. Man hat ihn ausgelacht. Ganz Europa hat sich über ihn amüsiert. Er war das Gespött aller Höfe dieser Welt.«

      Er beugte sich vor: »Kennt Ihr die berühmte holländische Karikatur von ihm? Da sieht man ihn auf langen Stelzen, wie er verzweifelt versucht, eine über ihm hängende Krone zu erreichen. Aber er kam nicht dran. Nicht einmal mit diesen langen Dingern unter den Füßen. Er hatte einfach nicht das Format zu einem Herrscher. Er ist einfach ein Stück Unrat!«

      Verächtlich spie Kilmarnok neben sich auf den Boden. Isabelle strich sich die Haare aus dem Gesicht: »Nun, zumindest hat er wesentlich bessere Manieren als Ihr! – Ich glaube, dass Ihr keine Ahnung habt, wovon Ihr eigentlich sprecht und was für ein Mensch er ist.« Ihre Züge entspannten sich: »Der König ist herzlich und voller Leidenschaft für das Leben. Er kann so ... so begeisternd sein. Und er war immer großzügig. Er hat damals sogar meine Taufe bezahlt, als mein Vater kein Geld besaß. Er ist ..., nun, er war ein edler Mann.«

      Der Körper des Adligen zuckte unkontrolliert. Nur langsam gewann er die Beherrschung zurück. Für einen Moment rührte er sich nicht mehr, dann fragte er lauernd:

      »Wieso: ›Er war‹?«

      Jizchak riss den zerfetzten Ärmel seines Hemdes ab, um die Wunde zu verbinden. Mit zusammengebissenen Zähnen murmelte er: »Der König liegt im Sterben. Sie haben ihn aus dem Gefängnis entlassen, weil sie nicht für seine Beerdigung aufkommen wollen. Der Arzt hat gesagt, dass er höchstens noch eine Woche zu leben hat. Lasst ihm diese Woche. Sie würde Euren Hass nicht mindern.«

      Lord Kilmarnok stützte sich erneut auf, als wolle er sich erheben. Philipp zuckte nach vorne, doch Isabelle hielt ihn mit einer Handbewegung zurück. Als der Adlige aufgestanden war, richtete er seine Kleider und strich den Stoff glatt. Scharf fragte er: »Warum? Warum sollte ich das tun? Warum sollte ich diesem Haufen Dreck etwas gönnen?«

      Isabelle strich ihrer Tochter, die sich immer noch an sie schmiegte, beruhigend über das Haar: »Warum? Mein Gott, was wollt Ihr eigentlich? Der König kann niemandem mehr etwas tun. Er ist schwer krank und halluziniert die meiste Zeit. Ja, er erkennt nicht einmal mehr die Menschen um sich herum. Er nennt selbst mich andauernd mit fremden Namen. Bringt es Eurer Ehre irgendetwas, wenn Ihr einen wirren alten Mann tötet?«

      Auf der Straße fuhr eine Kutsche vorbei, und das kreischende Geräusch der Räder erfüllte das Haus und schnitt jedes Wort ab. Lord Kilmarnok ließ seinen Blick langsam durch den Raum schweifen, während er sein schmerzendes Kinn rieb. Direkt unter dem Fenster des schmalen Zimmers stand ein großer Schneidertisch, der mit einer dünnen Staubschicht bedeckt war. Deutlich war an einer Stelle der Abdruck einer Schere zu erkennen, die jemand weggenommen hatte. In dem kleinen Kamin, der schmucklos in die Wand eingelassen war, brannte ein mageres Feuer. An der Rückwand aber, an der die junge Frau gearbeitet hatte, gingen zwei Türen ab, die zwischen den angebrachten Papierbögen wie die Augen eines schlafenden Riesen in den Raum ragten. Als nähme er seine Umgebung erst jetzt richtig wahr, fragte der Eindringling, indem er auf die Wand zeigte: »Was ist das hier?«

      Isabelle ging an ihm vorbei und stellte sich schützend vor die Wand. Mit einem ironischen Unterton sagte sie: »Das? Ihr solltet eigentlich wissen, was das ist. Oder kommt Ihr von so weit vom Land, dass Ihr die neusten Moden dort gar nicht erst kennen lernt? Das, was Ihr hier seht, heißt Tapete.« Ihr Blick war mit einem Mal voller Stolz: »Falls Ihr es tatsächlich noch nicht mitbekommen habt: Die Zeiten der bemalten Räume und des Stucks sind vorbei. Darin sind sich alle Experten einig: Es bricht eine neue Epoche heran. Bald wird man in allen Häusern der Reichen die Wände mit bemalten Stoffen behängen. Und ich werde ihnen die Muster dafür liefern.«

      Lord Kilmarnok zog verwundert die Oberlippe hoch. Dann sagte er mit leicht nasaler Stimme: »Welcher Edelmann wird von einer einfachen Arbeiterin ein Muster kaufen wollen?«

      Die junge Frau wandte sich angewidert ab. Schascha aber schoss aus der Ecke, in der sie sich ängstlich verkrochen hatte, hervor, stellte sich vor dem Adligen auf die Zehenspitzen und gab ihm mit ihrer winzigen Hand eine Ohrfeige. Dann huschte sie blitzschnell zu ihrer Mutter zurück, um sich hinter ihr zu verstecken. Mehr verblüfft als erschreckt trat der Lord einen Schritt zurück. Dann hob er, verärgert über seine Irritation, die Hände. Philipp näherte sich dem Mann drohend, so als sei er für einen Anlass zum Verprügeln des СКАЧАТЬ