New Cage. Johannes Fischler
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Название: New Cage

Автор: Johannes Fischler

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежная психология

Серия:

isbn: 9783990402122

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СКАЧАТЬ als „Welt in der Welt“ – als Wirklichkeit innerhalb des greifbar Realen – verstehen, so erscheint sie doch vom selben Wunsch beseelt. Gemeint ist das Verlangen nach neuen innerlichen Dimensionen, nach virtuellen Wirksphären mitten in der Welt.

      Esoterik 2.0

      Doch die Analogie zu den Social Networks zieht noch weitere Kreise. Denn so wie die Vernetztheit des digitalen Hyperraumes wird auch der Wirkkosmos von Zauber und Magie nun an uns herangetragen, und das oft ohne aktive Anforderung seitens des Zielpublikums. Man muss hier nicht mehr den versteckten Eingang finden. Fernab der ehemaligen Exklusivität – das Tor ins Innerweltliche eröffnet sich uns spielerisch.

      An dieser Stelle ist es an der Zeit, den Begriff „Esoterik 2.0“ aufs Tapet zu bringen. Bereitwillig und unverhüllt kolportieren die Vermittler einer eigenwilligen Spiritualität esoterisches Geistesgut und jenseitige Botschaften einer stetig wachsenden Fangemeinde, und das über zahlreiche Kanäle. Denn Multimedialität ist im Zeitalter des Lichtes kein Fremdwort, viel eher fußt in ihr ein bestimmendes Wesensmerkmal dieser Sphären. Ganze Massen empfangen transzendente Botschaften beim wöchentlichen Live-Channeling: von zu Hause aus, ganz für sich, oder in der Community. Ähnlich den Videoplattformen im Internet produzieren auch hier viele spirituelle Konsumenten ihren eigenen Kanal und gehen ihrerseits entschlossen auf Sendung. Die Esoterik 2.0 erhebt dabei ihre Käufer selbst zu geistigen Medien, welche die neuen Wirklichkeiten bereitwillig auch den Übrigen, den Normalsterblichen, offenbaren. An ihnen beweisen sie ihre neu gefundene Berufung. Der spirituelle Aufsteiger unserer Tage hält nicht geheim, nein, er missioniert. Und ganz nebenbei – je mehr „Freunde“ er in seinem Account verbuchen kann, desto durchschlagender sein Prestige, desto höher die eigene Schwingung, umso besser sein Ranking im esoterischen Highscore. Mit jedem generierten „Like“ wird der Aufstieg in die spirituelle Hall of Fame gewissermaßen wirklicher.

      Das Obskure erfährt Veräußerung

      Die unzähligen Licht-und-Liebe-Plattformen im Internet unterstreichen diesen Trend. Das Versteckspiel vergangener Tage scheint endgültig vorbei. Der moderne New Ager entwickelt Sendungsbewusstsein. Hätte sich früher kaum jemand zu spiritueller „Lichtkosmetik“ oder „Aura Lifting“ bekannt, gehört dies heute zum selbstverständlichen Angebot jedes besseren Wellnesstempels. Auch intimste Bereiche bleiben dabei nicht verschont: „Waxing by Angels“ [6] gefällig?

      Unterhielt man sich in der Esoterik 1.0 noch hinter vorgehaltener Hand über Astrologie und Reinkarnation, so stellen die neuen „Botschafter der Liebe“ ihre Überzeugungen mittlerweile ganz offen ins World Wide Web. So auch eine Volksschullehrerin, die das Klassenzimmer mitsamt ihren Schülern regelmäßig mit Erzengel-Sprays reinigt. Für jeden ersichtlich und via Videobotschaft macht sie, wie viele andere auch, keinen Hehl daraus. Warum auch nicht? Die Kinder haben offensichtlich „mehr Spaß am Lernen“ [7]. Dabei wirkt dieses In-die-Öffentlichkeit-Gehen noch nicht einmal besonders mutig. Vielmehr beeindruckt hier dieser Beigeschmack von Normalität. Das vormals Okkulte wird heute entschlossen veräußert. Wir erleben eine noch nie dagewesene Vermarktung des Geheimwissens, eine Esoterik 2.0.

      Gruppendruck mit Kuschelfaktor

      Millionenseller wie „The Secret“ [8] illustrieren eine weitere Paradoxie. Geheimniskrämerei etabliert sich als kommunales Must-Have. Zur Verdeutlichung lohnt hier ein weiterer Abstecher in den Cyber der sozialen Netzwerke. Übereinstimmend mit dem gesellschaftlichen Zwang, sich einer Facebook-Community anzuschließen, versprühen auch esoterische Wirklichkeiten diesen Hauch von Verbindlichkeit. Denn wer nicht von alleine aufspringt, wird von seinem Umfeld regelrecht bekehrt. Wer aber dennoch nicht mitgeht, der bleibt zurück, der ist noch nicht so weit. Dem kann nicht geholfen werden – noch nicht.

      Was sich im Web bereits als Standard etabliert hat, entwickelt sich im Netz der Esoterik 2.0 mit einigen Parallelen: Auch hier steht unser Account schon bereit. Auch hier sind die schönen neuen Selbstbilder bereits hochgeladen. Auch hier erwartet uns eine neue schillernde Identität und mit ihr im Schlepptau viele neue „Freunde“. Auch hier bleibt man online, also immer brav an der Leine. Gruppendruck mit Kuschelfaktor – so formieren sie die Bewegungen der Neuen Zeit. Ob nun im Digitalen oder im Spirituellen: Als Türöffner zum Umworbenen dient da wie dort die Schmeichelei.

      Spieglein, Spieglein

      Diese entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als die hinter allem stehende treibende Kraft. In einer Gesellschaft, in der Schlagwörter wie „Liebe dich selbst“ beinahe schon wie ein Befehl ertönen, finden esoterische Himmelschlösser ein tragfähiges Fundament. Als Bausubstanz hierfür dient die gegenseitige Selbst-Bespiegelung. Wie in den Foren des Internet vernetzt man sich dabei gegenseitig. Hyper-Verlinken, das nicht nur fühlbar verbindet, sondern auch spirituell aufwertet. Geblendet von unendlichen Reflexionen eigener Selbstverschönerung wird die Scheinwirklichkeit zum Königspalast. Ein Spiegellabyrinth, aus dem man kaum mehr herausfindet. Hermetisch? Ja, nur diesmal nach außen.

      Und genau dieses Außen gerät dabei mehr und mehr in Vergessenheit. Die Rede ist von jener sogenannten „Dualität“, sprich der realen Welt, der Welt mit Freud und Leid, der Welt mit den großen Herausforderungen der Menschheit, mit chinesischen Mauern und alljährlichen Ölteppichen. Inmitten unendlicher Reflexionen seiner selbst verliert sich das Ich in Wirklichkeiten, die uns scheinbar noch heiler und noch ganzer machen, aber mit Realität nichts gemein haben.

      Wirklichkeit ist das, was wirkt – Verillusionierung

      Derart losgelöst vom Irdischen dient die Esoterik 2.0 als groß angelegtes Gemeinschaftsprojekt phantastischer Wirklichkeitsentwürfe. Und wer möchte behaupten, dass die hier beschrittenen Dimensionen nicht erfahrbar, nicht spürbar wären? Kurt Lewin formuliert es treffend: „Wirklichkeit ist, was wirkt.“ [9] Sie kennen doch den Blick in die Unendlichkeit: die Aussicht ins Ewige inmitten der täglichen Rasur oder von mir aus beim alles glatt machenden Peeling? Nur zwei Spiegel genügen und wir leben im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Optische und seelische Rückkoppelungen schenken das Gefühl kosmischer Ausdehnung. Dem Betrachter seiner eigenen unendlichen Wiederholungen verleihen sie ein Antlitz endlosen Weitblickes und erhabener Weisheit.

      Esoterische Communitys dienen sozusagen als Spiegelwelten wechselseitiger Verillusionierung. Man erfüllt sich gegenseitig mit Bedeutung und bestärkt einander beim gemeinsamen Gang aus der Realität in diese neue glanzvolle Wirklichkeit. Und, ob nun für die breite Masse oder nicht: Elitarismus schafft eben Charisma. Kennen Sie derartige Gesichter, die erleuchteten Antlitze selbstbestimmter Liebesbotschafter der Neuen Zeit? Diese Antlitze voll Güte und Fürsorge, diese Sinnbilder von Sanftheit. Ihre Mimik kann bezaubern, sie wirken wirklich. Und das nicht nur auf sich selbst, sondern vor allem auch auf jene, die noch ihre Heimat in der „alten Welt“ glauben. Charisma ist nun mal ansteckend, für seinen Träger geradezu klebend.

      Hereinspaziert!

      Esoterische Welten sind Wirklichkeiten in der Welt. Was beim ersten Hinschauen so anschmiegsam und auf sanften Pfoten daherkommt, erweist sich bei genauerem Hinsehen als Zerrbild unserer tiefsten Eitelkeiten. Gleich dem Narcissos der griechischen Mythologie verliert man sich auch hier in einem Spiegelkabinett der Selbstliebe. „Narzissmus“ ist eng verwandt mit dem Wörtchen „Narcosis“, also mit Betäubung. Und das, was die amerikanischen Psychologen Jean Twenge und Keith Campbell so treffend als „Narzissmus-Epidemie“ [10] charakterisieren, ereilt uns als Esoterik der Neuen Zeit in seinen schillerndsten Farben. Man muss nur genau hinschauen.

      Demzufolge kann das Wohlgefühl, welches eine Welt „unermesslicher Liebe“ versprüht, ganz leicht zu kaltem Schauer am Rücken ausarten СКАЧАТЬ