100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 1. Erhard Heckmann
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СКАЧАТЬ zwanzigtausend Goldsucher zum Ziel hatten. Hier und im benachbarten Dyea, das auf dem Land eines indianischen Dorfes entstand, wuchsen urplötzlich Zelte, Hütten und Holzhäuser empor, die aus dem Nichts zwei Städte mit unglaublicher Geschäftigkeit entstehen ließen. Mitten drinnen auch achtzig Saloons, grell geschminkte Damen, Spieler, Betrüger, Gauner jeder Art und die flinken Finger der Diebe. Berüchtigt war damals ganz besonders Jefferson R. „Soapy“ Smith. Mit seiner erbarmungslosen Gang erpresste er Schutzgelder, kontrollierte etwa 200 Ganoven und kassierte für Telegramme, obwohl gar keine Telegrafenleitung existierte. Der heutige Tourist findet sein Grab auf dem „Goldrush Grave Yard“ in der Nähe der Stadt und kann auch sein Ende, eine Schießerei vom 8.7.1898 nacherleben, in der abendlichen Show „The Days of ’98“, die die Eagles Hall präsentiert. Außerdem: An jedem 8. Juli wird zu Skagway auch der „Soapy Smith’s Wake“ zelebriert. Die Erinnerung an jene wilden Tage wird auch in einem Teil des Stadtzentrums als „Klondyke Gold Rush National Historical Park“ weitergelebt und die vergangene Zeit angehalten. Was sonst noch für die Stadt wichtig ist, darüber informiert eine Broschüre des Visitor Centers: „Skageway hat fünf Kirchen, eine Bibliothek, eine Bank, und neben B&B decken die 382 Hotel- und Motel-Zimmer in 12 Unterkünften von modern bis historisch alles ab. In der 12-klassige Schule mit 17 Klassen-Zimmern unterrichten 12 Lehrern und ein Direktor durchschnittlich 125 Schüler; The Skagway News erscheint zweimal wöchentlich, eine Mittel- und Kurzwellenstation stellt der Nachbarort Haines bereit und die Fernsehversorgung stellt das ARC System sicher. Der Kabelserve mit 14 weiteren Programmen kostet monatlich 46.84 $ zusätzlich. Zwei Parks, ein Spielplatz, Museum, Bowlingbahn, Zelt- und Wohnmobilplätze ergänzen Freizeitmöglichkeiten wie wandern, angeln, campen oder Ski und Snowmobil im Winter.“ Soweit das kleine Faltblatt im Jahr 2000, in dem mindestens 600.000 Besucher erwartet wurden. Für einen Rundgang ist eher die Rückseite des Faltblattes interessant, denn dort ist unter der Überschrift „Skagway, Gateway to the Klondyke“ die schachbrettartige Stadt fein säuberlich skizziert. Rechts liegen die Dogs, links verlässt der Klondyke Highway das Städtchen in Richtung Carcross, während der Skagway River die Skizze im Vordergrund begrenzt. Parallel dahinter der Airstrip, der in Alaska nicht fehlen darf. 23 Avenues kreuzen vier Parallelstraßen rechtwinklig, wobei aus der dritten, der State-Street, der Klondyke Highway hervorgeht und die Eisenbahn am oberen Rand den Stadtplan abschließt.

      Unser Hotel, das Westmark-Inn, liegt in der Nähe der Ferry-Dogs, 3rd Ave/Broadway Street, und für fünf Taxidollar ist die Entfernung in wenigen Minuten überbrückt. Seine vier Sterne stehen für eine solide und saubere Herberge mit geräumigem Zimmer und Bad, TV, Radio und Mini-Bar. Mit einem Burbon aus ihrem Inneren stoßen wir auf das Ende unserer erste Etappe an und stiefeln dann sofort ins Zentrum, um einen Überblick zu gewinnen. Kurz vor Mitternacht lassen wir uns noch im hellrot gestrichenem „Mascot-Saloon“ nieder, denn ein Bier in einem solchen ist hier schlichtweg ein Muss. In der alten Zeit soll er einer der übelsten gewesen sein, doch scheint die rustikale, gut besuchte Einkehr, in der Country-Musiker für Stimmung sorgen, auch heute noch sehr beliebt zu sein. Verständlich, dass auch wir schnell Kontakt finden und uns nach dem zweiten Bier aus dieser lustige Runde gar nicht so gern verabschieden. Wir müssen aber unbedingt ins Bett, denn morgen früh 8 Uhr startet unser Zug nach Whitehorse, und vorher möchten wir den Ort noch kurz bei Tageslicht erkunden.

      Vom Hotel bis zum Broadway sind es am nächsten Morgen nur wenige Schritte, und damit sind wir auch schon im Freilichtmuseum der Goldrauschzeit, dem denkmalgeschützten Teil, angekommen. Inmitten geschichtsträchtiger Gebäude, falscher Fassaden und Holzstege lässt sich jene alte Zeit schon ein wenig erahnen, doch ist das Überleben dieser Atmosphäre auch der Tatsache zu danken, dass die Stadt von den Feuern verschont blieb, die so viele andere Orte jener Zeit ganz oder teilweise vernichteten. Schwerer vorstellbar allerdings, dass Skagway damals die größte Stadt Alaskas war und eine Gruppe britischer Finanziers in der Erschließung des Yukons schon recht früh eine lukrative Zukunft voraussah, und im Juli 1898 mit der Konstruktion einer Schmalspurbahn über den White Pass begann. Zwei Jahre später war der Schienenstrang bis Whitehorse gelegt, das regionale Dampfschiffsystem angebunden und von der White Pass Corporation ein Transportnetz auf den Weg gebracht, das noch heute existiert. Während des Goldrausches boomte Skagway, und dank seines eisfreien Hafens zusätzlich auch als Warenumschlagsplatz und Tor zum Landesinneren. 1899, als sich die Goldgier nach Nome verlagerte, erschlaffte die Stadt, und während der Jahrhundertwende wurden viele Geschäfte aus den Straßen an den Broadway verlagert, auf dem damals auch die Gleise der Eisenbahn durch den Ort zogen. Skagway hatte begonnen, sich in seiner weniger dramatischen Rolle als Hafenstadt für den Yukon zu etablieren. Während des Zweiten Weltkrieges verschaffte der Bau des Alaska Highways dem Ort neue Impulse, denn das ankommende Baumaterial musste von den Schiffen auf die Eisenbahn umgeladen und transportiert werden. Beide Transportmittel lassen auch heute noch die Kassen klingeln, wenn die großen Kreuzfahrtschiffe Touristen aus aller Welt für einen Kurzbesuch anlanden. Viel kürzer, als die der betuchten Weltenbummler war auch unsere Visite in dieser Stadt nicht, doch haben wir dennoch in der berühmten und beliebten Kneipe „Red Onion Salon“, die zu Goldgräberzeiten das exklusivste Bordell der Stadt gewesen ist, noch einmal kräftig bei Lifemusik gefeiert: Drei Jahre später, am Vorabend des amerikanischen Unabhängigkeitstages.

      Unsere per Internet bestellten Tickets nach Whitehorse hat der Schaffner im Bahnhof sehr schnell zur Hand. Name und Land genügen, und schon liegt der 190 $ teure Umschlag auf dem Tresen. In der Bahnhofshalle rattert auf schmalem Sims die „White Pass & Yukon Rail“ im Miniformat, und die Bänke haben „Räder“ statt Beine. Aber so bequem, wie wir die Hauptstadt des Yukons heute erreichen können, so schwierig war es damals für jene, die noch vor der Eisenbahn ankamen und sich im Winter mit ihrer Ausrüstung über die Berge quälen mussten. Zwei Trails standen dafür zur Auswahl. Der längere, aber weniger steile über den White Pass, oder der Chilkoot. Mörderisch waren sie beide. Als jedoch das erste Gleisstück bis zum Bennett Lake, einem der Quellseen des Yukon Rivers, seinen Dienst aufnahm, hatten beide Trails und auch Dyea ausgedient, und der letzte Nagel, der am 29.7.1900 zu Carcross eingeschlagen wurde, verband Skagway auch mit Whitehorse. Es war eine Meisterleistung der Ingenieure und des Eisenbahnbaus, denn diese Linie galt vorher als unrealisierbar.

      Innerhalb von 26 Monaten hatten zehntausend Männer und 450 Tonnen Sprengstoff das Gleisbett aus den Küstengebirgen herausgesprengt, sich gegen Geographie und härteste Klimaverhältnisse aufgebäumt und den „Railway build of gold“ kreiert. Steigungen bis zu 9,3 Prozent, Kurven, die sich mit 16 Grad Biegung an überhängende Klippen krallten, zwei Tunnel und mehrere, über Bockgerüste führende Brücken gehörten dazu wie die stählerne Auslegerbrücke, die bei ihrem Bau 1901 die höchste ihrer Art in der Welt war. Es war eine Leistung, die ein ähnliches internationales Ansehen errang wie der Panamakanal, der Eifelturm oder die Freiheitsstatue. Heute schnauft die Eisenbahn für den Tourismus wieder über den White Pass (1.003 Meter). Täglich bis nach Fraser, und von Mitte Juni bis Ende August samstags auch auf einer 130 Kilometer-Rundtour bis zum Bennett Lake, dem Ende des Chilkoot Trails. Mit Lunchpaket, geführter Tour und gezogen von der 1947 gebauten Baldwin-Dampflock Nummer 73.

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