Karibik ohne Kannibalen. Walter Laufenberg
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Название: Karibik ohne Kannibalen

Автор: Walter Laufenberg

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783945961629

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СКАЧАТЬ Provisionen zahlten. Jedenfalls hielt er noch zweimal an und lud uns aus. Beim ersten Mal gab es einen schönen Wasserfall, den wir betrachten durften oder sollten. Der 133 Meter hohe Dunns River Fall, den wir sogar ein Stückchen hinaufklettern konnten. Beim zweiten Halt war es eine alte, über und über efeubewachsene Kirche, die wir bestaunen durften, dazu Christoph Kolumbus, der als Denkmal vor der Kirche Wache hielt.

      Kolumbus war auf seiner zweiten Reise, im Jahre 1594, auf Jamaika gelandet, wenn auch nicht da, wo jetzt sein Denkmal stand. Die Stelle, an der er zuerst jamaikanischen Boden betreten hatte, die Discovery Bay, hatten wir schon am frühen Vormittag kurz besichtigt. Sehr kurz, denn es war dort nichts zu sehen, als eine kleine Bucht. Die hatte der Entdecker Santa Gloria genannt. An Einfällen für schöne Namen hatte er ja keinen Mangel. Damit spätere Besucher etwas zu knipsen haben, hat man irgendwann ein paar Requisiten aufgestellt: Maschinen, deren Funktion uns rätselhaft blieb, Gedenksteine für Familien, die uns nichts bedeuteten, ein Kanönchen sowie ein Wasserrad, beide so putzig wie funktionslos. An die rund 60 000 Arawaks, die einst auf dieser Insel gelebt hatten, erinnerte nichts, obwohl es in diese Bucht gepasst hätte. Unter dem ersten spanischen Gouverneur, Juan de Esquivel, der im Jahre 1509 die Kolonisation der Insel begonnen hatte, wurden die Arawaks als von der gütigen Vorsehung geschenkte Sklaven betrachtet. Nach etwa fünfzig Jahren harter Arbeit für die spanischen Herren waren sie so gut wie ausgestorben.

      Erst beim dritten Stopp nach dem Hilton-Strandhotel empfing uns ein gemütliches kleines Restaurant. Da wurde uns, draußen unter Palmstrohdächern, Landestypisches geboten: Krabben und Hummer. Und dazu Rumpunsch als eiskaltes Erfrischungsgetränk. Was für ein Unterschied zu dem heißen Tee mit Rum, der uns die heimischen Winter überleben half. Der Rum machte uns erst richtig klar, wie weit wir uns von zuhause wegbewegt hatten.

      Dann ging sie auch schon wieder weiter, die rasende Fahrt. Es huschte alles nur so an uns vorbei. Es war so viel, was vor unseren eifrig bewegten Augen ablief, dass überhaupt nichts zu sehen war. Doch auf einmal rollten wir in eine fast städtisch wirkende Siedlung ein. Straßenzüge mit festen Steinhäusern um uns herum. Ein riesiges Plakat zeigte mir eine hochschwangere Schwarze: Werbung für Empfängnisverhütung per Pille. Kaum zu glauben, die Anti-Baby-Pille im Busch. Wir waren in der früheren Inselhauptstadt Spanish Town angekommen. Fotostopp auf dem Platz vor der ehemaligen Residenz der Vertreter des spanischen Königs. Säulengänge und ein schmuckes Portal, vergammelte Pracht aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, genau so deplaziert wirkend wie die Werbung für die Pille. Da musste man sich erst von dem Reiseführer in der Hand darauf hinweisen lassen, dass wir im Zentrum der einstigen Hauptstadt der Insel Jamaika standen. Zur Zeit der Spanier, und auch noch unter der anschließenden Herrschaft der britischen Gouverneure, war Spanish Town eine quirlige Metropole, jetzt präsentierte sich uns nur noch ein verschlafenes Landstädtchen, in dem die Arbeiter der umliegenden Bananenplantagen wohnten.

      Nach anderthalb Jahrhunderten spanischer Herrschaft hatten die Engländer im Jahre 1655 in einem Handstreich die damalige Inselhauptstadt Spanish Town und damit die ganze Insel in ihre Gewalt gebracht. Sie organisierten in kurzer Zeit eine florierende Kolonie, die so wertvoll war, dass sie viele begehrliche Angreifer anlockte. Doch die Briten wussten sich gegen die französischen und spanischen Flotten zu wehren. Und sogar für die Bekämpfung des Piratenunwesens, wie in vielen anderen Meeren die permanente Gefahr für Inselbewohner, hatten sie ein Rezept, ein typisch britisches. Henry Morgan war der Anführer der Piraten, die in dem Städtchen Port Royal an der weiten Bucht, an der heute Kingston liegt, ihr Hauptquartier hatten. Die Britische Krone ernannte den Räuberhauptmann einfach zum Ritter und Leutnant-Gouverneur von Jamaika, also zum Oberaufseher. Das Spiel gefiel Henry Morgan. Er verbot die Piraterie und knüpfte eine Menge seiner ehemaligen Kumpane auf. Der Rest der unermesslich reichen und kraftstrotzenden Piratenherrlichkeit ging dann bei dem verhee- renden Erdbeben von 1692 zugrunde, das Port Royal auslöschte. Nach dieser Naturkatastrophe bauten die Engländer sich in der Nähe eine neue Inselhauptstadt, die sie Kingston nannten. Deren günstige Lage an einem weiten Naturhafen war ausschlaggebend für den Abschied von Spanish Town als Hauptstadt. Kingston, die neue Stadt am Fuße der Blauen Berge, eine Metropole mit einer halben Million Einwohnern, durfte sich inzwischen die größte englischsprachige Stadt in der Karibik nennen.

      Jamaika war als der absolute Höhepunkt der Reise angekündigt worden. Eigentlich recht ungeschickt, den Höhepunkt am Anfang der Tour zu servieren. Mein Tischnachbar konnte der Jamaika-Durchquerung jedenfalls schon einen Superlativ verleihen:

      »Die schrecklichste Autofahrt meines Lebens«, seufzte er. Auch er hatte die Fahrt in einem Taxi gemacht.

      »Eine Raserei, eine Hetzjagd. Der Fahrer war ein Wilder, wie er im Buche steht. Der Kerl hat mit seinem Wagen an dem einen Tag mehr Delikte begangen, als er in zwanzig Jahren absitzen könnte. Er war nicht einmal zu halten, als er einen anderen Wagen kräftig gerammt hat. Ohne Aufenthalt weiter, rücksichtslos. Ich bin völlig bedient.«

      Mein Tischnachbar auf dem Schiff war ein älterer Herr, Inhaber eines Unternehmens für Schuhimport/-export in Bremen, mit dem ich wenig gemeinsamen Gesprächsstoff hatte. Bücher zu schreiben hielt er für bloßen Zeitvertreib. Den Schuh zog ich mir nicht an. Wir beiden Ehepaare mussten aufgrund höherer Fügung immer zusammen an unserem Vierertisch sitzen. So kriegten meine Frau und ich beim späten Abendessen zu hören, wie es ihm und seiner Frau ergangen war:

      »Rechts Wald und links Wald, und immer mal wieder Ausblicke über die hügelige Landschaft. Sehr schön. Aber eine Kurve nach der anderen, dass man schwindelig wurde. Dabei wollte ich mir das näher ansehen, die Hütte am Straßenrand, so schön strohgedeckt. Vorbei. Dann wieder so ein Anblick, Negerkinder drum herum, die aussahen, wie aus dem Märchenbuch geklaut. Wieder vorbei. Alles so herrlich ursprünglich, endlich der Blick durchs Schlüsselloch in die andere Welt, in eine echte Welt. Als wieder einige Hütten am Straßenrand auftauchten, haben wir dem Fahrer befohlen anzuhalten. Ein malerisches Bild war das: Offene Feuer, über denen Maiskolben geröstet wurden. Aber dann entpuppte sich die Idylle als Wirtshaus im Spessart. Der Mais-Mensch bestand darauf, seine Maiskolben zu verkaufen. Der Mann war nicht abzuschütteln. Dabei mag ich gar keinen Mais. Ich denke noch an das nasse Maisbrot nach dem Krieg. Und als ich von einem Negerknaben ein Foto machen wollte, stellte sich die dralle Negermami mit energischem Protest vor ihn und forderte Bezahlung. Die Frau hatte feste Preise: 20 Cents pro Foto. Als ich dem Kleinen 15 Cents in das Händchen gab, mehr Münzen hatte ich gerade nicht, lehnte die Mutter ab. Ich musste mir Geld leihen, um das naturverbundene einfache Leben fotografieren zu dürfen. Als wir dann wieder einstiegen, sah ich noch, wie die Frau dem Jungen das Geld mit Gewalt abringen musste. Der Kleine machte ein großes Geschrei und lief heulend in den Wald. Dabei hielt gerade ein weiterer Touristenbus an. Diese Verzweiflung der rabiaten Mutter, jetzt ohne ihren Lockvogel. Das habe ich ihr gegönnt.«

      »Diese Blumenpracht«, schwärmte die Frau des Schuhmannes, »stellen Sie sich das vor: Unmengen von Weihnachtssternen. Unser Weihnachtsstern in dem Delfter Topf steht noch daheim auf dem Couchtisch. Ich hoffe, unsere Haushälterin gibt ihm regelmäßig Wasser. Aber hier waren ganze Hecken von Weihnachtssternen zu sehen. Im Vorbeifahren. Lange rote Hecken. Wie gern hätte ich mal die Nase hineingesteckt. Aber immer vorbei.«

      Am frühen Nachmittag im Hafenviertel von Kingston angekommen und mit einem Aufatmen aus dem Wagen gekrochen, wurde jedem mit einem Blick klar, welchen Zweck die wilde Jagd hatte. Alle Busse und Taxis spuckten ihre Touristen vor einer riesigen Halle aus. Und diese Halle war vollgepackt mit Souvenirs. Ein Stand neben dem anderen, immer das Gleiche: Korbarbeiten, Holzgeschnitztes, Postkarten, Ketten, Hüte, Armreifen, Rumbakugeln und Trommeln. In jeder Koje saß eine dicke Mami und versuchte sich in Überredungskünsten. Weil das Schiff noch nicht im Hafen angekommen war, mussten die Durchgerüttelten fast vier Stunden lang den Kopf schütteln oder Dollars hinblättern. Kaum eine Möglichkeit, sich diesem Superangebot zu entziehen. Die Stadt Kingston lag weit weg, mit dem Taxi wäre das ein Aufwand von umgerechnet 25 Mark hin und 25 Mark zurück gewesen. Verzichtet. Aber außer dieser großen Halle, dem Crafts Market, gab es dort am Hafen nichts. Bloß noch die schäbige kleine Kneipe mit dem einsamen Goldfisch in seinem schiefhängenden СКАЧАТЬ