Название: Spenglers Nachleben
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Издательство: Автор
Жанр: Афоризмы и цитаты
isbn: 9783866747197
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40 Das Konzept der Agentur LifeCourse Associates, die 1999 von Strauss und Howe gegründet wurde und bis heute geleitet wird, basiert auf einer explizit an den Untergang des Abendlandes angelehnten, zyklisch verfassten Geschichtstheorie, die sie in ihrem Buch The Fourth Turning: An American Prophecy – What the Cycles of History Tell Us About America’s Next Rendezvous with Destiny, New York 1997 vorlegten. Unter dem Motto »put what we know to work for you« bieten die beiden geschichtsphilosophisch grundiertes Strategie-Consulting für Unternehmen, Politik und Militär an und versprechen, ihre ›Einblicke‹ in den Lauf der Geschichte umstandslos als Wettbewerbsvorteil geltend machen zu können. Denn: »Sound strategic planning cannot ignore the key lessons of history.« Vgl.: http://www.lifecourse.com., zuletzt abgerufen am 21. November 2017.
41 Vgl. Gasimov, Zaur: Spengler im heutigen Russland. Zur Neu-Eurasischen Rezeption der Kulturmorphologie, in: Merlio, Gilbert u. Meyer, Daniel (Hrsg.), Spengler ohne Ende. Ein Rezeptionsphänomen im internationalen Kontext, Frankfurt a. M. u. a. 2014, 243–255.
42 Der ›Parteiphilosoph‹ der Alternative für Deutschland, Marc Jongen, langjähriger akademischer Mitarbeiter Peter Sloterdijks an der Karlsruher Hochschule für Gestaltung, bezieht sich in seinen Vorträgen regelmäßig auf Spengler, den er neben Nietzsche, Heidegger und eben Sloterdijk zum philosophischen Gewährsmann eines ›Avantgarde-Konservatismus‹ stilisiert, in dessen Zentrum eine auf Mobilisierung zielenden Theorie des Wutbürgers (Thymostheorie) steht. Sein im Januar 2016 angekündigtes ›Manifest‹ für die AfD liegt zwar bislang noch nicht vor, Jongens Unterfangen, Spengler parteiphilosophisch zu rehabilitieren, stieß im rechten Parteispektrum allerdings durchaus auf Resonanz, so etwa, als Björn Höcke in direkter Anspielung auf Spenglers letztes zu Lebzeiten veröffentlichtes Buch das Jahr 2016 zum ›Jahr der Entscheidung‹ ausrief.
43 Vgl. Nagle, Angela: Kill all Normies. Online Culture Wars from 4chan and Tumblr to Trump and the Alt-Right, Winchester/Washington 2017.
44 Auf Einladung von Erich Hörl, Professor für Medienkultur am Institut für die Kultur und Ästhetik digitaler Medien in Lüneburg, und uns fand die Tagung vom 27.-29. Januar 2016 in Räumen der Leuphana-Universität unter dem Titel Resonanzen. Oswald Spengler und die Postmoderne statt.
45 Vgl. Spengler, Oswald: Pessimismus?, in: Ders., Reden und Aufsätze, München 1938, 63–79.
46 Schmidt: Postmoderne, 90.
47 Rosa, Hartmut: Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung, Frankfurt a. M. 2016.
48 Görlich, Christoph: Welt-Bilder und Weltmodelle. Resonanz als Metapherntechnik und Technikmetapher, in: Peters, Christian Helge u. Schulz, Peter (Hrsg.), Resonanzen und Dissonanzen. Hartmut Rosas kritische Theorie in der Diskussion, Bielefeld 2017, 271–291, 278.
49 Bense: Wesen Deutscher Denker, 162 f.
50 Rosa: Resonanz, 298.
51 Mattenklott, Gert: Blindgänger. Physiognomische Essays, Frankfurt a. M. 1986, 13 f.
52 Der geplante Beitrag Arno Bammés zu unserer Diskussion, der eine Brücke von Oswald Spengler zu Peter Sloterdijk schlägt, wurde indessen »unter der Hand so umfangreich, dass er unmöglich in das vorgesehene Buchkonzept integriert werden konnte.« Er liegt mittlerweile als Monographie vor, auf die wir gerne verweisen: Bammé, Arno: Die Apokalypse denken, um den Ernstfall zu verhindern. Unheilsprophetie von Spengler bis Sloterdijk, Marburg 2017, 11.
53 Vgl. den Text Oswald Spenglers in diesem Band sowie zur Einordnung den Beitrag Fabian Mauchs.
54 Vgl. den Text Heinz Dieter Kittsteiners in diesem Band sowie zur Einordnung den Kommentar von Jannis Wagner.
Geoffrey Winthrop-Young
Kälte, Krieg und Katastrophen
Martial-historiografische Anmerkungen
zu Spengler und Kittler
Dreißig kalte Parallelen
Vor zwanzig Jahren haben Michael Wutz und ich im Vorwort unserer Übersetzung von Friedrich Kittlers Grammophon Film Typewriter den Versuch unternommen, amerikanische Leser in die Mysterien der neuen deutschen Medienwissenschaften einzuführen. Ganz im Geiste jener französisch orientierten Theoriezeiten ging es uns in erster Linie um Pariser Anschlüsse: also um die Art, in der Kittler Michel Foucault lacanisierte, Jacques Lacan foucaultisierte und beide wiederum mit Anleihen bei der Medientheorie Marshall McLuhans und der Informationstheorie Claude Shannons anreicherte, was zur Folge hatte, dass Foucault und Lacan von ihren diskursanalytischen bzw. psychokybernetischen Köpfen auf ihre medientechnischen Füße gestellt wurden und die – damals noch nicht so genannte – German media theory sich als Erbe des – damals noch so genannten – französischen Poststrukturalismus in Szene setzen konnte.1 Dank Kittler gab es jetzt auf dem Umweg über Deutschland in Nordamerika French theory up to date.
Natürlich kann man weiter ausholen. War Kittlers Manöver nicht Teil eines deutsch-französischen Theorieschlagabtauschs, der in strukturalistische, existenzialistische und phänomenologische Vorzeiten zurückreichte? War es nicht eine selbstbewusste Umkehrung des bilateralen Theorie-Praxis-Gegensatzes, den Heinrich Heine einst an der funktionalen Äquivalenz von Kant und Robespierre festgemacht hatte? Jener räsonierte, dieser guillotinierte, aber beide über den Rhein hinweg auf analoge Weise. Was Deutschland, so das betagte Klischee, in den abgehobenen Domänen von Philosophie und Musik leistet, inszeniert Frankreich in praxisorientierter Barrikadenöffentlichkeit. Jetzt aber wurde in Deutschland der Anspruch erhoben, die esoterischen linksrheinischen Komplexitäten von Dekonstruktion und Diskursanalyse in den Klartext informationstechnischer Positivitäten zu überführen. Es war eine Form theoretischer Erdung, in der von Ferne der Erlösungsgestus aufblitzte, mit dem ein Jahrzehnt später amerikanische Hypertext-Theoretiker Roland Barthes und Jacques Derrida als etwas linkische Vorwegnahme digitaler Textverarbeitungspraktiken anpriesen.2 Kittlers Theorie, so schien es, verschrieb sich dem Motto von Heinrich Manns Untertan Diederich Heßling: »Sachlich sein, heißt deutsch sein.« Und war das nicht Teil des Untergangs der Theorie im Abendland? Der textzentrierten Kultur der französischen maître penseurs folgt die technikzentrierte zivilisatorische Spätphase in Gestalt deutscher Medienwissenschaftler.
Das war unterhaltsam, teilweise sogar schlüssig, aber nicht sonderlich originell. Nicht dass man dies bei Kittler hätte nachlesen können (er hielt geistesgeschichtliche Überblicke dieser Art für akademisches Boulevardtheater), da waren die Bücher von Norbert Bolz um einiges ergiebiger. Sehr viel interessanter erschien es uns, auf verborgene, wenn nicht gar verschwiegene Verbindungen Kittlers zu binnenländischen Theorietraditionen hinzuweisen. Die Nähe zu Martin Heidegger war offensichtlich, doch gab es nicht auch Bezüge zu anderen Größen der konservativen Revolution wie Ernst Jünger und Oswald Spengler? Wir haben das damals nur kurz angedeutet, und es ist dementsprechend überlesen worden. Hier folgt der Versuch, dieser Frage im Falle Spenglers noch einmal nachzugehen.
Was Heidegger betrifft, sind Einflüsse und Anschlüsse, Schulden und Verbindlichkeiten hinlänglich bekannt.3 Verdanken wir einem bekannten Frankfurter Wort zufolge Hans-Georg Gadamer die Urbanisierung der Heideggerschen Provinz, so bietet uns Kittler deren СКАЧАТЬ