Название: Hasenrein eingemiezelt
Автор: Kathrin Dittmer
Издательство: Автор
Жанр: Публицистика: прочее
isbn: 9783866747142
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Am Abend schwänze ich mit Klaus und Philippe den selbstverständlich mehrsprachigen »literary event« unter dem nicht ganz unwahren Vorwand, am anderen Morgen sehr früh zum Flughafen aufbrechen zu müssen. Wir finden eine Kneipe, wo man trotz der Abendkühle draußen sitzen kann. Ich überfliege die flämische Karte, denn inzwischen bin ich überzeugt, jede Sprache der Welt zu verstehen, wenn ich es nur nicht zu genau nehme. Wir wählen das »Bier des Monats«, das vermutlich von der Mitarbeiterin des Monats serviert wird, einer ruppigen Kellnerin, die so rasant Französisch spricht, dass ich zu ihren Ausführungen einfach nicke. Haben die Belgier einen wohlmeinenden Gott des Bieres und der Ironie? Sie bringt Trappistenbier. Wir lehnen uns zurück, strecken die Beine aus, paffen Philippes kubanische Zigarren – und schweigen.
2011
Liebe, Tod & Taxi
Manchmal ist es gar nicht so leicht, sich etwas einfallen zu lassen. Das kennt jeder. Man könnte alles machen und gerade deswegen geht nichts. Wie beim Einkaufen, wenn man vor lauter Warenangebot nicht weiß, was man nehmen soll, und plötzlich alles überteuert und nicht des Kaufes wert findet.
Das sind natürlich Luxusprobleme. Solange man sein Auskommen hat, ist das nicht weiter wild. Es besteht nur die Gefahr, in einen Trott zu geraten und einfach immer dasselbe zu machen. Ich bewundere Leute, die radikal sind in diesen Dingen. Ich meine jetzt nicht, spontan Homard à l’américaine anstelle von Pellkartoffeln zuzubereiten, obwohl man keine Ahnung und nur einen verbeulten Topf besitzt, sondern, sich auf den Weg zu neuen Ufern zu machen. Oft wird ja dergleichen im Roman oder Film dargestellt.
Trotz meiner Bewunderung bleibe ich bei diesen Darstellungen misstrauisch. Nehmen wir an, so ein Protagonist findet sich – also nicht nur in einer Kaufkrise, sondern in einer echten Lebenskrise. Da lässt er alles hinter sich und geht nach – beispielsweise – New York oder, noch abgedrehter, nach Teheran oder Fukuoka. Dort hat er dann alle möglichen bedeutungsschweren Begegnungen und das Leben geht weiter, oder er kommt zu der Erkenntnis, dass das Leben nie weitergeht, sondern immer im Kreis rum und dass nur die Liebe zählt oder es nur auf den Tod zu warten gilt. Ich frage mich dann immer: Wie hat er das finanziert? Er sitzt dauernd im Café, sieht weiter gut ernährt aus und fährt sogar Taxi oder entschließt sich, kurz nach Texas zu fliegen und hängt dann da ein Vierteljahr rum. Wovon?
Manchmal sind es Künstler. Nun ist hinlänglich bekannt, dass nur sehr, sehr wenige Künstler eine goldene Kreditkarte besitzen. Also, wie geht das? Ich weiß, das ist materialistisch gedacht, aber ich meine auch keine surrealen oder metaphorischen Stoffe, sondern solche, wo einfach nur eine Geschichte erzählt wird. Vielleicht bin ich auch insgeheim wütend, dass mir so ein Beispiel gegeben wird und ich mir in meiner vertrauten Umgebung ganz feige vorkomme. Trotzdem, diese Menschen müssen alle reiche Erben sein, denn sie gondeln durch die Weltgeschichte, ohne irgend etwas zu tun, das sie ernährt. Also, ich vermute, sie jobben doch. Es wird nur nicht erwähnt, weil das, solange sie nicht Vogelwart werden und ihr Leben ohne Umschweife ganz der Ornithologie weihen, als langweilig gilt.
Jetzt komme ich mal zu einem meiner Probleme: Ich musste in diesem Text die Wörter »Liebe«, »Tod«, »Teheran«, »Taxi«, »Ornothologie«, »Weltgeschichte« und »Ehe« unterbringen. Warum, führt jetzt zu weit. »Ornithologie« ging ja noch, aber »Ehe« ist jetzt leider (und natürlich vollkommen zufällig) übrig geblieben.
2008
In Aalsupp gehört kein Fisch
Eigentlich wollte ich etwas Komisches schreiben, aber es gelingt einfach nicht. Ich ärgere mich in letzter Zeit zu sehr beim Zeitunglesen oder Fernsehen. Und zwar mal wieder – es ist kaum zu glauben, nach elf Jahren immer noch – über Samuel P. Huntington. Genauer gesagt über seinen Übersetzer. Vielleicht war es auch nur die Titelredaktion des deutschen Verlags, die entschieden hat »clash of civilization«, also das Aufeinanderprallen der Zivilisationen mit »Kampf der Kulturen« zu übersetzen. Und an diesem angeblichen Kampfgetümmel kommen wir nun nicht mehr vorbei.
Nun kämpfen die Kulturen in allen Medien und in den Köpfen der Menschen. Ist es diese verflixte Kombination aus german angst und german stabreim, dass das so gut ankommt? Ist die deutsche Eigenart, das Fürchten zu lernen und die Alliteration des Rätsels Lösung? Leider muss ich immer völlig unpassend an den »Krieg der Knöpfe« denken, wenn ich es höre, oder an den »Lauf der Lemuren«, obwohl mir die Veralberung des ernsten Themas wirklich fern liegt.
Der Siegeszug der griffigen Formel, die übrigens auch Huntington nicht gerecht wird, lässt sich anscheinend nicht mehr aufhalten. Statt zu überlegen, ob bei uns innenpolitisch nicht schon eine Sicherung durchgebrannt ist, fragen ehemals differenziert denkende Redakteure vorzugsweise ausländische Experten, wie dem »Kampf der Kulturen« beizukommen wäre. Die ausländischen Experten geben dann irritierend interessante Antworten, die aber nicht zur Frage passen. Kein Wunder: vom Kampf der Kulturen haben sie ja auch nie etwas gehört. Und schon wieder prallt etwas aufeinander – und voneinander ab.
Das Besetzen von Begriffen ist ein wirkungsvolles politisches Instrument. Dass sich ein Slogan quasi von selbst durchsetzt, ist neu. Es erinnert freilich an die Werbung aus unseren Kindertagen, die sich in einer Ecke des Gehirnkastls festgesetzt hat und die wir nun zu den Schätzen unseres Langzeitgedächtnisses zählen dürfen. Oder werden Sie je vergessen, dass Olaf Husten hat?
Vielleicht muss man diese Erscheinung mit ihren eigenen Waffen schlagen, indem man selbst ein paar eingängige Formeln findet und den Wettbewerb »Denkvermögen der Demokratien« ausruft. Wer findet den besten Gegen-Slogan? Das »Zagen der Zivilgesellschaft« sollte endlich aufhören.
2007
Winki
Katalog meiner Sentimentalitäten II
Früher wurde nicht so viel erzogen, sondern man überlebte die Kindheit einfach. Die war von allerhand Seltsamkeiten, eigenen Rätseln und kleinen Beschwörungen durchzogen. Ich erinnere mich, dass ich, als ich noch sehr klein war, nicht gerne Gummibärchen aß. Auch wenn es eindeutig lebloses Zuckerzeug war, konnte ich kaum glauben, dass man die Bärchen ungestraft zerbeißen durfte. Meine Geschwister kauften Teufel am Kiosk, aus Weingummi mit rot-grünem Körper und schwarzem Kopf. Die aß ich bedenkenlos, doch auch nicht ohne Mitleid mit dem Teufel. Vielleicht waren meine Impulse einfach fehlgeleitet, da ich zumindest in Erwägung zog, Schokohasen zu bestatten statt sie zu essen. Ich besaß und versorgte auch ein hässliches – und nebenbei gesagt, haltlos rassistisches – Plastikpüppchen namens Winki, das uns irgendein onkeliger Schützenfestgänger überlassen hatte.
Winki war dunkelbraun, hatte ein Plastikbaströckchen an, wurstförmige Ärmchen und Beinchen, Henkelohren mit einem goldfarbenen Ohrring, Wackelbildäuglein, und ich wundere mich heute, dass er keinen Nasenring hatte und Bimbo hieß. Uns war das egal. Er durfte mitspielen. Und da Winki mir sehr leid tat, weil er so hässlich war und offensichtlich nicht hätte existieren dürfen, baute ich ihm ein gemütliches Heim aus Pappe. Wunderbarerweise passte er genau in ein leeres Schächtelchen Erfrischungsstäbchen, aus dessen Deckel ich Betthaupt und Fußteil ausschnitt. Ich weiß nicht, wie erholsam der Schlaf im Erfrischungsstäbchen-Bett ist, aber bestimmt schöner als in einer Zigarettenschachtel zum Beispiel. Überhaupt die Sprengel-Schokolade. Schön war der goldene Bienenkorb auf den Tafeln. Die Pralinenmischungen hießen India oder Für Genießer und Oma hatte manchmal eine Schachtel Theresientaler, wobei ich mich heute frage, wieso man in Hannover Schokolade nach österreichischen СКАЧАТЬ