Zwei Freunde. Liselotte Welskopf-Henrich
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Zwei Freunde - Liselotte Welskopf-Henrich страница 75

Название: Zwei Freunde

Автор: Liselotte Welskopf-Henrich

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

Серия:

isbn: 9783957840127

isbn:

СКАЧАТЬ zu dem wir gehen«, sagte Anuschka. »Sieh, den leuchtenden sollen wir haben, weil wir gute Kinder sind und einander lieben. Du mußt den Haß sterben lassen – Bruder. Sag mir deinen Namen.«

      »Nenn mich Oskar.«

      »Osa ist gut.«

      »Und sag mir, Anuschka, wie man Haß sterben lassen kann. Menschen sterben wohl, aber der Haß springt über die Gräber und ist immer wieder lebendig.«

      »Er kann nicht sterben, Osa, weil ihn niemand lieb haben will.«

      Die Wandernden gingen weiter. Schwarze Brücken zogen sich über das stumpfe Wasser. Am fernen Himmel stand der Mond. Sein Licht war still, es rührte sich nicht und wärmte nicht. Die Stangen des Geländers endeten. Man konnte vom Weg ins Wasser sehen, ohne daß der schwarze Strich von dem Elemente abhielt. Die Bahn zwischen den Mauern, die das Wasser begrenzten, weitete sich. Schwarze Maste sahen in die Nacht, und alte breite Kähne schliefen. Die Wandernden setzten sich auf eine große Steinplatte und schauten in den Hafen. Auf dem Schleppkahn zu ihren Füßen brannte noch Licht in der Kajüte.

      »Das Licht wartet auf uns, Osa«, sagte Anuschka. »Siehst du, wie es hell geblieben ist und ist nicht schlafen gegangen, weil es auf uns wartet. Wir sind gekommen zu ihm.«

      »Anuschka, Kind, das ist der alte dicke, langsame Kahn, der heute an deinem Hause vorbeigefahren ist, als ich zu euch ging. Er fuhr mir fort und wußte, daß ich nicht mit ihm kommen würde. Aber nun in der Nacht hat er gewartet, und ich bin doch noch gekommen.«

      »Laß uns auf den Kahn gehen, Osa.«

      Anuschka sprang auf, und ehe der Mann sie haschen konnte, lief sie die schmale Steintreppe abwärts zu dem Schiff. Der Mann folgte ihr und sprang hinter ihr mit einem großen Sprung auf die Planken des Schiffs, daß es dröhnte. Der Hund schlug an. Kreischend erklang sein Gekläff und zerriß die Stille.

      »Anuschka …!«

      Das junge Weib schlüpfte an dem knurrenden Hund vorbei, und der Mann blieb stehen und sah ihr nach. Sie schlüpfte in eine helle Öffnung hinein und war verschwunden. Wichmann stand vor dem knurrenden Hunde.

      Er wartete, bis der Schiffer kam, das Tier fortwies und ihm winkte. Hinter dem grob gekleideten Mann ging auch er in die Kajüte. Es war ein kleiner Raum. Die Frau, die die Wäsche aufgehängt hatte, saß hier; sie stopfte jetzt Strümpfe. In einer kleinen Hängematte schlief ein Kind. Wichmann gab dem Schiffer von seinen Zigaretten, und der nahm sie, legte die Pfeife fort und rauchte das geschenkte Kraut.

      Anuschka saß auf der schmalen Bank bei der Frau. Sie summte ein Lied und fing leise an, fremde Worte zu singen. Niemand sprach ihr dazwischen, bis sie ihr schwermütig-trauriges Lied geendet hatte.

      »So ein Besuch«, sagte der Schiffer dann. »Ich hab’ gedacht, es sind Diebe.«

      »Die wären wohl leiser gekommen.«

      »Ja. Laut genug sind Sie gekommen.« Der Mann musterte Wichmanns guten Anzug und schaute in sein Gesicht. Er wunderte sich wohl, daß der junge Mann nicht so betrunken war, wie er es vermutet hatte. Er tat zwei weitere Züge an der Zigarette. Was wollte ein gut angezogener Mann des Nachts auf einem Kahn?

      Wichmann rauchte auch. Die Frau stopfte weiter. Sie sah bleich aus und krank. Anuschka sang ein neues Lied.

      »Kennst du das?« fragte der Schiffer. »Bist du schon gefahren?«

      »Ich fahre wieder.«

      »Zu welchem gehörst du?«

      »Ich suche einen.«

      »Soso.«

      Wichmann war zumute wie in einem Märchen, wenn Zauberstäbe die Menschen und das Land umwandeln. Was lag für eine unbegreifliche Kraft in diesem mageren Mädchen mit dem grünen Kittel und den hellen Augen. Sie war eine Frau, aber wenn der Mann an sie dachte, dachte er immer ›Mädchen‹. Er zweifelte nicht, daß sie mit dem großen Wanderer, auf dem sie jetzt saßen, fortfahren werde. Sie war eines Tages in die Stadt gekommen, und jetzt mußte sie wieder gehen.

      »So«, sagte der Schiffer nach langer Zeit, als die Frau ein Paar Strümpfe fertig in den Korb legte und seufzte. »Was kannst du arbeiten, Mädchen?«

      »Kochen und waschen, Schiffer. Stopfen und flicken.«

      »So. Da braucht es aber auch Papiere und Kleider.«

      »Das bring’ ich.«

      »Was wir sind, wir fahren in der Frühe um fünf.«

      »Ja.«

      Die Frau sah Anuschka mißtrauisch an. »Warum willst du gehen? Wirst du ein Kind haben? Oder suchen sie dich?«

      »Niemand sucht mich. Ich habe auch kein kleines Kind und werde auch nicht kleines Kind haben.« Anuschka war traurig. »Ich bin nicht von hier, und ich gehe wieder.«

      »Du kannst uns helfen für das Essen. Wenn du mir die Papiere bringst.«

      »Osa, geh – willst du mir die Papiere bringen und die Kleider? Es ist alles in der Kommode.«

      »Kommst du nicht noch einmal mit mir, Anuschka?«

      »Doch. Ich gehe noch einmal mit dir.«

      Der Schiffer brachte die beiden zur Treppe.

      »Du wirst wohl nicht wiederkommen«, sagte er.

      »In einer Stunde, Schiffer, bin ich wieder da.«

      Oskar und Anuschka wanderten ihren Weg am Ufer zurück. Der Mond sah ihnen in den Nacken, und Anuschkas Haare schimmerten durchsichtig. Sie lachte.

      »Ich bin wieder froh, Osa.«

      »Weißt du denn, was du tun willst, wenn ihr die Fahrt beendet habt und der Schiffer schickt dich wieder fort?«

      »Ich weiß es nicht, Osa. Weißt du, wo du bist hergekommen auf diese Welt und wohin du wirst gehen fort aus ihr? Das ist größere Stunde, und du weißt es doch nicht. Alphonse hat mich gebraucht, er braucht mich nicht mehr. Osa, seine Augen haben es gesagt, und ich will wieder gehen. Du mußt an Alphonse denken, Osa, ihn nicht verlassen, er ist gut und liebt eine böse Frau.«

      »Ach, Anuschka, ich liebe Alphonse nicht.«

      »Aber ich will ihn durch dich lieben, Osa, das wirst du spüren. Ich will es versuchen.«

      Anuschka ging zu einer Bank, die unter einem großen Kastanienbaum stand. Es war finster unter dem Dach der breiten Blätter, und Anuschkas Gestalt verschwamm ganz mit dem Schatten.

      »Geh, Osa, ich bitte dich, und hole meine Sachen. Alphonse wird sie dir geben.«

      Der Mann machte sich auf den Weg. Als er vor dem Hause Nr. 27 stand, wußte er noch nicht, ob er träumte oder wachte. Der Buick stand noch vor der großen Haustür. Der Chauffeur las eine Abendzeitung. Die Laternen vertrieben in ihrem kleinen Umkreis das Mondlicht und schienen auf Pflaster und Häuser.

      Wichmann ging langsam die breiten Stufen der Holztreppe hinauf. Als er am Klingelzug gezogen hatte, kam ihm Katja entgegen.

      »Oh, СКАЧАТЬ