Название: Zwei Freunde
Автор: Liselotte Welskopf-Henrich
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783957840127
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»Essen Sie nur, Robby.«
»Der Josef Boschhofer und der Justus Grevenhagen sind nur Kalkberge! Wenn ich Minister bin, Wichmann, sollen Sie sehen … sollen Sie sehen … da mach’ ich Fragezeichen!«
›› … ha, des glaub’ ich also auch. Fragezeichen, daß einer Sau grausen könnt!«
»So ist es, Kaspar! Daß einer Sau graust … grausaust … Lassen Sie mich zufrieden. Ich werde jetzt Oberregierungsrat, oder die ganze Hütte fliegt in die Luft! Die Lotte spricht Englisch, Französisch und Italienisch, sie will einen Minister oder einen Diplomaten zum Ehemann haben. Ich werde vorläufig Oberregierungsrat …«
Korts trank sein letztes Glas aus.
»Ich stift’ auch eine, Herr Korts. Jetzt fängt’s an, sich zu lohne.«
»Jetzt langt’s auch ohne, Kasperl. Mit der Pritsche müßte man kommen und die Großmütterbeamten totschlagen! Kasperl, geben Sie acht, wenn ich mit der Pritsche komme! Seid Ihr alle da? Ja!«
Korts hatte seine Papierserviette zusammengedreht, so daß sie steif war, und klatschte damit auf den Tisch. »Der Baier: Lieber Herr Regierungsrat, so schnell geht das nicht, was denken Sie sich – klaps – die Schmock: Nein, Herr Regierungsrat, ich habe so viel andere eilige Arbeiten – klaps – die Lotte: Manieren wie ein Kongonigger – klaps – der Pöschko: Dann wenden Sie sich bitte an den Referenten – klaps – der Grevenhagen: Ihre Ernennung kann nicht vorweggenommen werden – klaps – der Boschhofer und der St … klaps, klaps – Kasperl, habe ich gut gearbeitet?«
»… ’s tut’s, Herr Oberregierungsrat, ’s tut’s.«
»Ich bin Robert der Teufel … haut sie, daß die Fetzen fliegen! … Kinder, Kinder, in einem Alter, in dem andere Leute die Welt erobert haben, sitzen wir herum wie das Stallvieh und lassen unsern Geist melken, damit andere die Sahne trinken! Es ist zum Auswachsen. Ich wachse aus, Kasperl, geben Sie acht auf meine Triebe! Sie werden sich alle noch die Augen reiben, wenn der Kalk von den Wänden fällt! Bei den IG-Farben hatte ich schon eine eigene Unterabteilung … und was bin ich heute bei unserem JG? Die Lotte hatte ganz recht, nur hinaus aus dem Mief, bevor man erstickt ist! Kasper, wenn ich einen Mercedes habe, lad’ ich Sie ein!«
»In zehn Jahren, Herr ›Ministerialrat‹…«
»Ho! Zehn Jahre! Kasper, in zehn Jahren bin ich Generaldirektor oder Oberbürgermeister oder Minister, und die Lotte würde sich die Finger schlecken, wenn sie mich dann noch kriegte … aufs Wohl!«
Wichmann schaute aufmerksam auf Korts, wie ein Junge, der mit den Händen in den Hosentaschen dasteht und das Platzen eines Knallfrosches bewundernd beobachtet. Der Wein hatte Wichmann beschwert und ruhig gemacht, und er aß langsam das folgende Käsebrot. »Sie waren bei den IG-Farben?« fragte er Korts erstaunt.
»Vier Jahre, 1923 bis 1927. Lemme und Boschhofer haben mich ins Ministerium geholt, um der Juristeninzucht etwas frisches Blut zuzuführen!«
Korts war für Wichmann ein neuartiges und seltsames Phänomen. Er selbst war immer ehrgeizig gewesen, aber vor der Prophezeiung der eigenen Karriere in der Manier Robert des Teufels hätte er sogar im Suff noch eine abergläubische Furcht gehabt.
Korts zählte Schweizer-Käse-Löcher.
»Wichmann, wenn ich nur wüßte, was Sie an sich haben! Sie haben etwas für Frauen und für Ministerialdirektoren! Sie sind so still und rätselhaft mit Ihren dunkelblauen Augen und so unschuldig und entwicklungsfähig! Die Lotte hat Sie heute angeschaut, daß einer eifersüchtig werden könnte, und Sie sind kalt geblieben! Wenn ich nur wüßte, was Sie mit dem Boschhofer gemacht haben, der ist auch verliebt in Sie! Wichmann, Sie sind ein stilles Wasser, und stille Wasser sind gefährlich.«
»Ich gebe Ihnen noch mal die Flasche, Korts, aber das ist die letzte. Sonst muß ich Kredit nehmen und kann der Hüsch morgen die hundert Mark nicht leihen.«
»Geben Sie mir die Flasche, Wichmann, ich will dann ruhig sein und niemandem mehr sagen, daß Ihr Vater Christlicher Gewerkschaftsführer und Mitglied der Zentrumspartei ist.«
»Wer hat denn diesen Mist aufgebracht?!«
»Ha no … ischt denn des net wahr?«
»Keine Rede davon. Mein Vater war Universitätsprofessor und hat nie einer Partei angehört.«
»Ha no, jetzt sage Sie … aber sage Sie’s net so laut, denn für die Lischte ist der Irrtum wahrscheinlich besser! Aber wir haben uns auch immer schon gewundert, daß sich der Grevenhagen ausgerechnet einen Zentrumsmann holt. Die gehöre doch eigentlich zu uns herüber, in den Orient zum Nischan. Mir habe das ganz säuberlich von Referat zu Referat getrennt, damit keine gegenseitige Infektion in Glaubensdingen stattfindet.«
»Welcher Partei gehört denn Grevenhagen an?«
»Gar keiner, des ischt vielleicht sein größter Fehler. Er repräsentiert – wie soll man das richtig ausdrücken? – ehemals kaiserlich-parteilospreußische Königstreue in republikanischen Formen durchtränkt mit sehr viel Dienstauffassung, umkränzt von Regimentskameraden, immer auf Draht in ›Ehrensachen‹ und selbstverständlich evangelisch. Es hat den Anschein, daß er mit Fanatismus an seine eigene Dienstauffassung glaubt, und jedenfalls wär’ ihm zuzutrauen, daß er den prophezeiten Zusammenbruch herbeiwünscht, damit unsere rosarot beleuchtete Republik gleich damit abgeht …«
»Daher der Scharfblick?«
»Sachlichkeit hat immer ihren Hintergrund, lieber Wichmann.«
»Aber wieso kommt dann unser Robby als Untergebener zu der von Ihnen so anschaulich geschilderten Grevenhagenschen klaren Unklarheit? Ist Rob von der ›rechten‹ Partei?«
»Der Herr Korts paßt überall hin. Er hat bei der IG den Farbwechsel gelernt. Aber vielleicht erzählt er uns was, heut abend?«
Korts schüttelte die Löwenmähne.
»Nee … nee … nichts wird erzählt. Ich muß jetzt still sein! Wichmann hat gesagt, ich muß still sein und meine Flasche trinken. Aufs Wohl!«
Die Sitzung in blaudunstiger Luft, vor gefüllten Gläsern zog sich in schweigendes Beisammensein hinein. Der Kellner räumte die Käseteller ab. Korts hatte die Hände auf den Tisch gelegt. Seine Handgelenke, die so breit waren wie der Arm selbst, kamen aus den Manschetten hervor und verstärkten den Eindruck des Stiermäßigen, den Wichmann beim ersten Anblick des Nackens, der einen breiten Kopf trug, schon unwiderstehlich gehabt hatte. Casparius saß auf der anderen Seite wie ein nachdenklicher, gutmütiger großer Affe.
Es wurde nur noch getrunken und kaum gesprochen. Über des Casparius ausdrucksfähiges Gesicht ging eine Fülle von Stimmungen und Gedanken. Korts starrte auf sein Glas; seine Wangen waren rot.
»Wichmann – kommen Sie mir bei der Hüsch nicht in die Quere … ich erschlage Sie sonst!«
»Möchten Sie?«
»Ja, das möchte ich.«
»Auf Ihr Wohl, Robert Korts!«
Die Gläser klangen ein letztes Mal.
Es war spät in der Nacht, als die Kollegen zahlten und gingen. Die Residenzstraße war schon still geworden. Der Schein СКАЧАТЬ