Mein kleines DDR-ABC. Arndt Haubold
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Название: Mein kleines DDR-ABC

Автор: Arndt Haubold

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

Серия:

isbn: 9783957447005

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      B WIE BRAUNKOHLE

      „Nein, o nein, kein Schornstein könnte rauchen,

      ohne Kohle zu gebrauchen.

      Nur mit Kohle, merkt euch das,

      gibt es Strom und gibt es Gas …“

      Dieses Loblied der Braunkohle lernte ich Anfang der 1960er Jahre in der Schule singen. Darin wurde das Rauchen der Schornsteine noch als Symbol des Fortschritts betrachtet. Ich wuchs, wie alle Kinder in der DDR, mit der Braunkohle auf. Wir heizten unsere Öfen mit ihr, Zentralheizung war noch Luxus. Ende der 1950er Jahre gab es gelegentlich noch Torfbriketts zum Heizen oder auch Steinkohle, doch später nicht mehr, nachdem die geringe Steinkohleförderung im Westerzgebirge eingestellt worden war. Für einige Ofentypen (sogenannte Dauerbrandöfen) brauchte man nach Möglichkeit auch später einen gewissen Zusatz an Steinkohle (man nannte es Anthrazit), der Mangelware war und nicht immer nach Wunsch gekauft werden konnte.

      Braunkohle jedoch gab es in Menge, und sie wurde kostengünstig im Tagebau gewonnen. Es gab zwei große Kohlereviere in der DDR: das erste im Leipziger Becken um Borna und Espenhain, Delitzsch und Bitterfeld, Merseburg und Weißenfels, das zweite in der Lausitz um Senftenberg und bei Zittau. Die Brikettzüge rollten Tag und Nacht durch das gesamte Land und versorgten es mit Heizmaterial. Die Eisenbahn fuhr noch in den 1960er Jahren zum großen Teil mit Kohlelokomotiven. Fast der gesamte Strom für die Republik wurde aus Kohlekraftwerken gewonnen. Auch viele Chemikalien wurden aus Braunkohle hergestellt. Als 1964 ein extrem langer und kalter Winter herrschte, brach die Kohleversorgung der Republik teilweise zusammen. Die Bevölkerung sollte es gar nicht spüren, aber Schulen und öffentliche Einrichtungen wurden wochenlang geschlossen. Wir hatten zu unserer Freude reduzierten Schulbetrieb, der im Wechsel vormittags und nachmittags in Betriebsräumen einer Papierfabrik durchgeführt wurde. In diesen Räumen war die Hitze so unerträglich, da es keine Regulierungen für die veralteten Heizungen gab, sodass wir entweder einschliefen oder die Fenster aufgerissen werden mussten und letztlich bei Kohlemangel die Heizenergie vergeudet wurde. Die Folgen der Kohleheizung im ganzen Land waren ein typischer Kohlegeruch in der Luft – den besonders ausländische Besucher wahrnahmen – und eine enorme Luftverschmutzung mit Krankheitsfolgen und ästhetischen Schädigungen. Vor allem in den Großstädten Leipzig und Halle herrschte bei nebligen Wetterlagen Smog. Er schlug sich nieder in Atemwegserkrankungen vieler Menschen, über die es aber keine offiziellen Statistiken oder Mitteilungen gab. Das Thema war in der Presse tabu. Fuhr man mit dem Zug von Karl-Marx-Stadt über Borna nach Leipzig, schlug einem bei Borna ein übler Dauergestank in die Nase, und die Fenster wurden geschlossen. Die Menschen in Espenhain konnte ihre Wäsche nicht im Freien trocknen, weil sie sie sonst mit einem grauen Kohlestaubbelag in die Schränke gelegt hätten.

      Die Braunkohle wurde hauptsächlich in Brikettform ausgeliefert und verbrannt. Wir brauchten für unseren großen Haushalt zirka 100 bis 120 Zentner im Jahr. Die kleine Papierfabrik, in der mein Vater arbeitete, benötigte einen Eisenbahnwaggon Kohle aller zwei Tage. Damit das ganze Land heizen und seine Wirtschaft laufen konnte, mussten zahlreiche Siedlungen zerstört und ihre Bewohner umgesiedelt werden. Jahrmillionen hatte es gedauert, bis die Braunkohle entstanden war, in Jahrzehnten wurde sie ausgeplündert und verbraucht für nur wenige Generationen der Menschen. In der Umgebung von Leipzig verschwanden zirka vierzig Dörfer und eine Kleinstadt (Eythra) von der Landkarte. Flussläufe wurden verlegt, Straßen und Eisenbahnlinien. Eine idyllische Auwaldlandschaft wurde zur mondartigen Wüste. Alte Schlösser, Bauerngüter und Kirchen wurden abgerissen, lediglich das wertvolle Inventar der Kirchen wurde geborgen und auf andere Kirchen verteilt. Es gab mangels politischer Öffentlichkeit keine Proteste der Bevölkerung. Geduldig wie Schafe ließen sich die Menschen zur Schlachtbank führen. Sie gaben ihre Bauerngüter, ihre Häuser und Gärten auf und erhielten als Ersatz eine kleine Neubauwohnung in Markkleeberg, Borna oder Leipzig und waren darauf bis zur Wende (als ihnen der reale Geldwert und der Betrug, den sie erfahren hatten, bewusst wurde) manchmal noch stolz, weil diese Wohnung zentralbeheizt war und über ein Bad verfügte, damals noch Luxus in der DDR.

      Subjektiv СКАЧАТЬ