Название: Marivan unter den Kastanienbäumen
Автор: H. Ezadi
Издательство: Автор
Жанр: Исторические любовные романы
isbn: 9783957442185
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Er antwortete: „Der Schah hat gestern den Premierminister entlassen. Seit Tagen gibt es in Teheran und in anderen Großstädten Demonstrationen und die Menschen rufen laut: „Nieder mit diesem Regime!“ Das Schah-Regime und die Savak haben mit Militär reagiert, aber ohne Erfolg. Die Menschen lassen sich nicht mehr einschüchtern. Scheinbar will der Schah ein neues Ministerium bilden.“ Mein Vater hielt inne, hob seine Hand und deutete uns an, dem Radiobericht zu lauschen. Ein Bericht aus Sanandaj.
Der Nachrichtensprecher von BBC berichtete, dass die seit fast drei Wochen im Gefängnis von Sanandaj im Hungerstreik befindlichen politischen Gefangenen lebensbedrohlich gefährdet seien. Sanandaj lag im westlichen Iran, eine große Stadt, aber auch eine Provinzstadt, in der vielen Kurden lebten, die zu einer Minderheit der Volksgruppen im Iran zählten. Wie in vielen Großstädten des Iran gab es auch hier ein großes Gefängnis, in dem nicht nur Straftäter wie Diebe oder Mörder inhaftiert wurden, sondern auch Regimegegner, wie zum Beispiel Schriftsteller, in Bezug auf die Kurdenfrage politisch engagierte Bürger, Oppositionsparteimitglieder und Aktivisten von Untergrundorganisationen, die für ihre Rechte kämpften. Es wurden Stimmen eingeblendet, die die gerechte Behandlung der zwölf inhaftierten politischen Gefangenen forderten. Der BBC-Moderator war mit einigen Reportern im ganzen Land per Telefon verbunden. Diese berichteten von den sich im Hungerstreik befindlichen Gefangenen. Was wussten sie über die Gefangenen in Sanandaj oder wie sie als Kurden die Stadt Sene nannten? Ein Reporter berichtete: „Wir fanden heraus, dass Freunde und Familienangehörige der in Sene inhaftierten Gefangenen aus Solidarität nach Teheran fuhren und vor dem Gerichtshof friedlich demonstrierten, damit die Gefangenen unter menschenwürdigen Bedingungen im Gefängnis leben können. Sie sind keine Schwerverbrecher, haben lediglich eine andere Meinung und wollen für alle Menschen im Land Gerechtigkeit herbeiführen, auch wenn sie im Sinne des Regimes Kurden sind. Wir wissen, dass während der Demonstration in Sene Schlagstöcke eingesetzt wurden und Schüsse fielen und dass Demonstranten verhaftet worden sind.“ Der Reporter berichtete weiter: „An der Busstrecke von Sene nach Marivan wurden Menschen ohne Grund von der Polizei und der Savak eingefangen, verletzt und inhaftiert. Die Gruppe war in Teheran, um all diese Menschen mit ihrer ganzen Kraft zu verteidigen und um die derzeitigen Missstände zu beseitigen. Sie demonstrierten friedlich und schrieben ihre Forderungen auf.“
Der Moderator schaltete sich ein und fragte alle an der Diskussion beteiligten Reporter: „Wie lauten konkret die Forderungen der Gefangenen und Demonstranten? Aus welchem Grund befinden sich die Gefangenen im Hungerstreik und warum wird überall demonstriert? Wie stellt sich die derzeitige Situation im Gefängnis in Sene dar?“
Ein Reporter antwortete: „Täglich verschlechtert sich die Situation für die Gefangenen und jetzt nach drei Wochen ist sie lebensbedrohlich. Diese Menschen müssen dringend medizinisch betreut werden, sonst sterben sie. Einige von ihnen liegen bereits im Koma.“
„Ja, und es handelt sich um friedliche Forderungen, wenn ich mir ihre Flugblätter ansehe“, sagte der BBC-Moderator zu den Reportern. „Sauberkeit, frische Luft, Radio hören, Zeitungen lesen, keine Schikane durch die Beamten – das muss doch möglich sein! – Mit diesen Worten verabschiedet sich BBC von Ihnen, liebe Zuhörer. Dies war ein Bericht aus Kurdistan im Iran. Wir wünschen Ihnen allen eine gute Nacht. Morgen hören Sie uns um neun Uhr in unseren Morgennachrichten.“
Meine Mutter wollte noch etwas fragen, aber mein Vater winkte ab. „Morgen ist ein neuer Tag. Es ist unfassbar, was mit den Gefangenen geschieht! Lasst uns jetzt schlafen gehen.“
Ich legte mich ins Bett und dachte über diesen ereignisreichen Tag nach. Wenn ich an die Diskussion meiner Eltern dachte, fand ich, dass sie doch eigentlich respektvoll miteinander umgingen, dass sie zusammenhielten. Und trotzdem wollte jeder seine Meinungen vertreten. Manchmal musste man eben seine Ohren auf Durchzug stellen und diplomatisch sein. Wenn jedoch das Gleichgewicht verloren ging, starb etwas. Ich dachte in dieser Nacht, dass unser Staat mit seiner Ungerechtigkeit gegenüber der Bevölkerung weit von Diplomatie und Gleichgewicht entfernt ist.
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