Die letzten Kinder Bessarabiens. Neuanfang nach Krieg Flucht und Vertreibung in der DDR. Artur Weiß
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СКАЧАТЬ ertönte wieder ein Pochen und Hämmern. Da sich der Meister mehr um das Hotel kümmern musste, war ich mit dem Lehrling meist allein in der Schmiede. So reifte in mir eine gewisse Selbständigkeit heran, was sich für mich später auszahlte. Zum anderen hatte ich die Absicht, die Stelle längere Zeit zu halten, weil der Meister es mir überließ, die Arbeit selbst einzuteilen.

       Schulentlassung von Helmuth (Konfirmation)

      Seit Wochen wurde im Frühling 1951 über die anstehende Konfirmation der Schulabgänger geredet - für die betroffenen Dorfbewohner ein wichtiges Ereignis. Auch in unserer Familie war eine gewisse Hektik zu spüren, ist es doch die dritte Konfirmation, die meine Mutter in der noch immer schweren Zeit ausrichten muss. Weil wir aber eine gewisse Eigenständigkeit hinsichtlich der Selbstversorgung unserer Familie erreicht hatten, sahen alle frohen Mutes dem Fest entgegen. Wie schon bei Irma und mir hat Mutter auch für Helmuth die Garderobe selbst genäht, wobei meine Schwester ihr half. Immer nach der täglichen Arbeit auf dem Bauernhof arbeiteten Mutter und Irma abends am Gelingen des Festes. So hat Mutter als ehemalige Weinbäuerin wie in Bessarabien Wein angesetzt, um zu dem guten Braten, den es zur Feier des Tages gab, mit einem Gläschen Wein anstoßen zu können.

      Helmuth sah dem ganzen Treiben ruhig und gelassen zu, was seine Freunde ihrerseits auch taten. Sie alle waren halt im Gegensatz zu mir unbelastet. Mein Bruder hatte sich auch schneller integriert und hatte problemlos Freunde im Dorf gefunden. Traditionsgemäß zur Osterzeit kam das Wochenende, an dem Helmuth seinen auf den Leib geschneiderten Anzug anziehen durfte. Sichtlich zufrieden betrachtete er sich im Spiegel. Er konnte mit den anderen mithalten. Vor allem war Mutter stolz und bekam beim Betrachten feuchte Augen.

      Ein Freund rief Helmuth und unterbrach damit die momentane Stille in unserer Stube, das Glockengeläut holte die Gemeinde zur Andacht zusammen. Mit dem Gesangsbuch in den Händen lief der Konfirmand eilig die Treppe hinunter zu den anderen, gemeinsam begaben sie sich zu ihrem Stelldichein.

      Die feierlich gekleideten Bewohner des Dorfes folgten dem Klang der Glocken und wir als Familie schlossen uns an. Pastor Maier zelebrierte wie üblich in der gut besuchten Kirche die Messe, darin ging er massiv auf die gegenwärtige Zeit ein, die uns Menschen keine rosige Zukunft bringen wird. Seine Predigt war äußerst gewagt in dem zu dieser Zeit herrschenden System, aber Geistliche hatten derweil noch Schonzeit.

      Trotz landesweiter Unzufriedenheit ließen sich die Familien von ihrem Vorhaben nicht abbringen, die Konfirmation ihrer Kinder zu feiern.

      Die Feier begann bei uns mit einem deftigen Schweinebraten, den Mutter vorbereitet hatte, dazu gab es den selbst gekelterten Wein, der hochprozentig ausfiel. Zur Konfirmation durfte Helmuth den Wein auch probieren, was er ausgiebig tat und zum ersten Mal ins Schwanken geriet. Wir alle fanden das lustig, weil es in die gesellige Runde passte und der Konfirmand nur noch lallend Fragen beantworten konnte.

      Etwas später holten seine Freunde ihn ab, um ihre Runde durch das Dorf zu machen. Zur gegebenen Zeit gab es Kaffee und Kuchen, sogar eine Torte, die Mutter mit Müh und Not hat backen können. Eine Torte auf den Tisch zu bringen war zu dieser Zeit etwas Besonderes und eine Köstlichkeit zugleich. Langsam neigte sich der Tag zum Ende, Mutter und Irma bemühten sich, das Abendbrot anzurichten. In dem Moment kam Helmuth mit dem Pfarrer die Treppe hoch. Mutter begrüßte ihn mit einem „Grüß Gott“ und lud ihn zum Abendbrot ein. Er willigte ein und Helmuth bot ihm einen Platz am Tisch an. Es wurde während des Essens über vieles geredet, auch über unsere Herkunft. Mutter berichtete von den schrecklichen Erlebnissen während des Krieges, von Flucht und Vertreibung. Sie verschwieg auch nicht, dass der Vater ihrer Kinder im Krieg geblieben ist und durch den Suchdienst immer noch nicht gefunden wurde. Während des Gespräches wurde so manches Gläschen Wein getrunken. Der Pfarrer probierte auch von meinem Spezial-Likör, was seine Wirkung nicht verfehlte. Es kam schließlich dazu, dass Simon und ich den Pfarrer zu später Stunde nach Hause begleiteten, weil er es nicht allein schaffte. So endete der Abend und auch Helmuths Konfirmationsfest, wobei alle zufrieden waren, da wir so etwas Lustiges schon lange nicht mehr erlebt hatten.

      Bemerken möchte ich auch noch, dass nun schon die dritte Konfirmation ohne unseren Vater stattfand, was uns alle sehr traurig stimmte. Unser jüngster Bruder Herbert wird wohl auch ohne ihn den Schulabschluss und die Konfirmation begehen müssen. Bei all den fröhlichen Tagen und Stunden, aber auch Zeiten der Besinnung, vergingen die Wochen und Monate bis zu den Sommerferien. Dies ist die Zeit für alle Schulabgänger, in der sie die Abschlussprüfungen ablegen müssen und letztendlich das ersehnte Zeugnis in den Händen hatten.

      Für Helmuth und seine Freunde begann nun ein neuer Lebensabschnitt, nämlich der Einstieg ins Berufsleben. Am 1. September 1951 trar der angehende Schuhmacher seine Lehre beim Schuhmachermeister Paul in seinem Heimatdorf Mörz an. Der Meister, ein großgewachsener und freundlicher Mann, band Helmuth eine Schürze um, zeigte dann auf einen Hocker: „Das wird für die nächsten drei Jahre dein Arbeitsplatz sein.“ Schüchtern, wie Helmuth damals noch war, machte er ein Probesitzen, wobei er den Meister und seine Mutter zufrieden lächelnd ansah. Daraufhin verließ Mutter die Werkstatt mit den Worten: „Sei immer fleißig und höre auf deinen Meister!“

      Nun standen wir zu viert in Arbeit und verdienten unser Geld. Wenn auch der Lehrlingslohn von Helmuth im ersten Jahr 20 DDR-Mark, im zweiten 30 DDR-Mark und im dritten 40 DDR-Mark betrug, war es für Helmuth dennoch ein Erfolg. Für das tägliche Mittagessen bei seinem Meister wurden ihm 10 Mark monatlich abgezogen.

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