Standort Bananenrepublik. Hans Christoph Buch
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Название: Standort Bananenrepublik

Автор: Hans Christoph Buch

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783866743441

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      Bechir beugt sich vor und zündet sich eine Zigarette an. »In Darfur lebten zahlreiche Ethnien friedlich nebeneinander: Zaghawa, Fur, Massalit und andere. Letztes Jahr zettelten die Zaghawas einen Aufstand gegen die Zentralregierung an, unterstützt durch Waffen und Soldaten aus dem Tschad. Dessen Staatschef Déby ist unser Freund, denn er kam mit sudanesischer Hilfe an die Macht.« Doch die tschadische Armee werde von Zaghawas dominiert, die in Darfur einen separaten Staat errichten wollten. Sie glaubten, der Moment zum Losschlagen sei gekommen, als die Regierung in Khartum, als Zeichen ihres guten Willens, Waffenstillstand schloß mit den Rebellen im Südsudan. Um den Friedensprozeß zu stören, hätten die Zaghawas Polizei- und Militärposten angegriffen. »Wir sind verpflichtet, unsere nationale Souveränität zu verteidigen, und die sudanesische Armee hat den Aufstand niedergeschlagen. Falls es dabei zu Menschenrechtsverletzungen kam, bedauern wir dies und haben unsere Bereitschaft erklärt, UN-Beobachter und Hilfsorganisationen nach Darfur einreisen zu lassen. Trotzdem wird Sudan als Schurkenstaat verteufelt und in den Medien an den Pranger gestellt!«

      Szenenwechsel. Carnivore heißt Fleischfresser, und das Restaurant trägt seinen Namen zu Recht. Hier gibt es die besten Steaks von N’djamena, und nach Einbruch der Dunkelheit findet eine andere Art Fleischbeschau statt. Junge Frauen aus Kamerun, die im Tschad Abitur machen – das Kameruner Abitur wird in Frankreich nicht anerkannt – geben sich ein Stelldichein mit Geschäftsleuten, Diplomaten und Entwicklungshelfern. Einer von ihnen ist Georges, der seit drei Jahren in einer Oase im Norden des Tschad arbeitet, wo es weder Alkohol noch Frauen gibt: Ehemänner, Brüder und Väter halten sie eifersüchtig unter Verschluß. Alle zwei Wochen fährt er in die Hauptstadt, um Pernod zu trinken und sich sexuell auszutoben. Ich will wissen, wie er sich gegen AIDS schützt. »Es gibt zwei Denkschulen. Mein russischer Kollege behauptet, Wodka sei das sicherste Mittel gegen AIDS. Aber das ist russisches Roulette. Am besten legt man sich eine feste Freundin zu!« Zur Zeit hat Georges Liebeskummer: Seine Ex-Geliebte hat Abitur gemacht und ist nach Jaunde zurückgekehrt, und er kann sich nicht entscheiden zwischen Frau und Kind in Lyon und einer anderen Kamerunerin. Während Georges das Für und Wider erörtert, fegt eine Sturmbö durch das Gartenlokal, die Äste von den Bäumen und Speisekarten über die Tische wirbelt – ein Vorbote der Regenzeit, die den Osten des Tschad in eine Schlammwüste verwandeln wird.

      Georges Nummer zwei, ein Namensvetter des Entwicklungshelfers, ist aus anderem Holz geschnitzt. Der Jesuitenpater arbeitet seit 36 Jahren im Tschad, trägt ausgelatschte Sandalen, und Malaria oder Hepatitis hat seine Haut gelb gefärbt. 1984 – 86 hat er eine katastrophale Dürre miterlebt, in der die Bauern Haus und Hof verließen und ihre Kinder im Busch aussetzten, weil sie weder Wasser noch Nahrung fanden. Zehn Jahre zuvor hatte ein Bürgerkrieg zwischen Nord und Süd das Land in feindliche Lager geteilt; wer die unsichtbare Front überschritt, wurde verdächtigt, ein Kollaborateur oder Verräter zu sein.

      »Stammesfehden haben hierzulande Tradition, denn alle ethnischen Gruppen haben alte Rechnungen miteinander zu begleichen«, sagt Pater Georges, der mir im Büro des Erzbischofs, der Procure, unter einem Papst-Poster gegenübersitzt. »Nicht nur Polizei und Armee, auch die Nachbarstaaten Sudan und Libyen mischen in undurchsichtiger Weise mit. Es geht um die Verteilung immer knapper werdender Ressourcen, und für Nomaden ist Viehdiebstahl kein Verbrechen, sondern Ehrensache. Die Zaghawas sind ein altes Kriegervolk, und bevor sie in Darfur rebellierten, haben Zaghawa-Söldner in der Zentralafrikanischen Republik einen dem Tschad genehmen Putschoffizier namens Bozizé an die Macht gebracht. In letzter Zeit aber nehmen die Verteilungskämpfe immer bestialischere Formen an, und was derzeit an der sudanesischen Grenze passiert, sprengt den Rahmen der üblichen Banditentätigkeit und ist offener Krieg. Passen Sie auf sich auf!«

      »Die Vertreibung aus ihren Häusern ist schlimmster Stress für Kinder, alte und behinderte Menschen, die am verwundbarsten sind«, lese ich in einer Broschüre des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen. Wir fliegen in 23 000 Fuß Höhe, unter uns die von ausgetrockneten Flüssen durchzogene Savanne, eingehüllt in gelbbraunen Dunst. Es war nicht leicht, einen Platz in einem der Hilfsflüge zu ergattern; prominente Politiker, VIPs genannt, haben Vorrang, oder die Maschinen bleiben wegen technischer Pannen am Boden. Stundenlanges Warten auf der Piste hat das Flugzeug aufgeheizt; im Innern ist es heiß wie in einem Hochofen, und die Passagiere – zwei italienische Entwicklungshelfer und eine deutsche Mitarbeiterin von Caritas International – fächeln sich mit Faltblättern Luft zu. Noch heißer ist es bei der Landung in Abéché; um dem Gluthauch zu entkommen, suchen wir unter dem Heck der »Beechcraft 200« Schutz, während eine »Transall« der französischen Luftwaffe mit apokalyptischem Donnern auf der Piste niedergeht. Seit dem Einfall libyscher Truppen in den siebziger Jahren ist französisches Militär hier stationiert. Am Rand des Flugfelds wächst ein zerzauster Kameldornbaum, in dessen löchrigem Schatten sich das Empfangskomitee zusammendrängt: Vertreter örtlicher Hilfsorganisationen, aber der für mich zuständige Pressesprecher des Welternährungsprogramms ist nicht dabei. Nach kurzer Beratschlagung schließe ich mich der Caritas-Mitarbeiterin an. Sie heißt Christine Decker, kommt aus Freiburg und hat dasselbe Ziel wie ich: Die Flüchtlingslager entlang der Grenze zu besuchen, um sich ein Bild zu machen von der Lage der Vertriebenen, das nicht auf bloßem Hörensagen, sondern auf persönlichem Augenschein beruht.

      Doch das ist leichter gesagt als getan, denn vorher sind bürokratische Hürden zu überwinden und administrative Genehmigungen einzuholen, ohne die der Aufenthalt im Grenzgebiet illegal und doppelt gefährlich ist: Reporter, die unangemeldet einreisen, werden als Spione verhaftet und verhört, abgeschoben oder ausgewiesen. Philippe, Büroleiter eines katholischen Hilfswerks namens SECADEV, das mit der Caritas kooperiert, weckt den Ortskommandanten aus seiner Siesta. Der schickt uns weiter zum Polizeichef und von dort zum Gouverneur, der uns bei Einbruch der Dämmerung in seinem Palast empfängt. Ein leerer Repräsentationsraum mit vom Wind bewegten Vorhängen, verstaubten Teppichen und einem überlebensgroßen Porträt des Staatspräsidenten, unter dem der Gouverneur sich auf einer Art Thron niederläßt, während ich wie ein angezählter Boxer erschöpft in einen Ledersessel sinke. Der Polizeichef holt eine Taschenlampe, und im tanzenden Lichtkegel zeigt der Gouverneur uns die Lage der Provinz Ouaddai auf der Landkarte, die sich immer wieder unter seinen Händen zusammenrollt. Die Grenze mit Sudan sei über tausend Kilometer lang und deshalb schwer zu kontrollieren, erläutert er, während ein Bedienter lauwarme Limonade ausschenkt. Die sudanesische Regierung halte sich nicht an den kürzlich vereinbarten Waffenstillstand; bei der Verfolgung von Flüchtenden seien die Reitermilizen wiederholt auf tschadisches Gebiet vorgedrungen, um Vieh zu rauben und grenznahe Dörfer zu plündern; letzte Nacht hätten Janjaweeds bei Koulbous die Grenze überschritten, wie Radio France meldete. Ich will wissen, wer die Milizen sind und in wessen Auftrag sie handeln. »Sie nennen sich Araber«, sagt der Gouverneur, »aber sie sind keine. Jan heißt Waffe und Ja heißt Pferd. Es sind bewaffnete Reiter, hellhäutige Sudanesen, Zivilisten und Armeeangehörige, die in offiziellem Auftrag morden, stehlen und vergewaltigen, um die autochthone Bevölkerung aus Darfur zu vertreiben. Die sudanesische Regierung lügt, wenn sie behauptet, sie wisse von nichts, und gleichzeitig verspricht, die Übergriffe zu unterbinden. Das sind leere Worte, um Zeit zu gewinnen und vollendete Tatsachen zu schaffen vor Beginn der Regenzeit, die das Gebiet unpassierbar machen wird. – Wir haben nichts gegen unsere sudanesischen Brüder«, fügt der Gouverneur nach einer Pause hinzu und zündet sich eine Filterzigarette an. »Ich war kürzlich in Khartum als Mitglied einer Verhandlungsdelegation, und ich frage Sie: Wenn in Darfur wirklich Frieden herrscht, wie die sudanesische Regierung beteuert – warum kommen dann täglich mehr Flüchtlinge über die Grenze?«

      »Und was verspricht sich Khartum vom Einsatz der Milizen?«–»Die Janjaweeds alimentieren sich selbst – durch Raub und Mord. Sie kosten nichts, sind niemandem zur Rechenschaft verpflichtet und nirgendwo offiziell registriert. Wenn einer von ihnen verwundet wird oder stirbt, kräht kein Hahn nach ihm.«

      Der Gouverneur kommt aus der Hauptstadt und ist seit vier Jahren in Abéché stationiert. Um Loyalitätskonflikte zu vermeiden, werden alle leitenden Funktionen mit Auswärtigen besetzt – teile und herrsche auch im Tschad. Als ich ihm meine Visitenkarte überreiche, entsteht große Verlegenheit. Der Polizeichef schwärmt mit СКАЧАТЬ