Название: Was würde Jesus tun
Автор: Markus Schlagnitweit
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783990406281
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Vielleicht kann die jesuanische Aufforderung zur Feindesliebe auch hier weiterhelfen: Echte Liebe verlangt immer auch den Raum der Diskretion und Intimität. Ihr geht es ja um das Gegenüber, nicht um sonstige Interessen. Vielleicht kann deshalb das auch in unserer modernen Mediengesellschaft so nötige Gespräch der Feinde nur gelingen, wenn es nicht sogleich an die Öffentlichkeit dringt. Vielleicht könnte es bei einem entspannten Glas Wein oder Bier eher geführt werden – zwischen Caritas-Vertreterinnen und Identitären, Regierungsmitgliedern und Oppositionellen, Gewerkschaftern und Finanz-Jongleuren, Modernisierungsverlierern und erfolgsverwöhnten Kosmopolitinnen. Es wäre jedenfalls ein dringendes Desiderat. Aber es verlangt nach einer Vorbedingung: die Anerkennung des Gegners als gleichrangig, die Würdigung des Feindes als Menschen. Es geht in dieser Akzeptanz der Anderen keineswegs darum, ihre Position einfach zu teilen; es geht vielmehr darum, die Position der Feinde ernst zu nehmen und zumindest als würdig zu erachten, dass man sich mit ihr gewissenhaft auseinandersetzt, weil auch Feinde Würde haben. Es wird auch nicht verlangt, das vom Feind allenfalls erlittene Böse einfach zu vergessen und zu verdrängen, weil Vergessen und Verdrängen niemals heilsam sein können. Es geht vielmehr darum, dieses Böse zu unterscheiden von dem, der es verübt hat: weil dieser niemals in sich böse und verdammenswert ist, sondern immer noch ein Mensch mit grundlegenden Rechten und Würde.
Als spirituelle Grundlage für eine solche Haltung der gegenseitigen Achtung und des Respekts sollten alleine schon die grundlegenden Passagen der UN-Menschenrechtsdeklaration über die unabdingbare Menschenwürde genügen. Das Christentum verankert sie noch zusätzlich in seiner Rede davon, dass alle Menschen – ob getauft oder nicht – Gottes Geschöpfe, seine geliebten Töchter und Söhne und sein Abbild sind. Einen interessanten Zugang bietet darüber hinaus eine Formulierung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde von Korinth. Paulus fragt darin seine Adressaten: „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“, und antwortet gleich selbst: „Gottes Tempel ist heilig, und der seid ihr.“ (1 Kor 3,16 f.) – Auch diese Worte sind eine Überforderung, wenngleich eine ungleich „angenehmere“ als die Rede von der Feindesliebe: Tempel, Wohnung Gottes sein – welcher Mensch vermag das? Unfertig, unvollkommen und ungenügend, wie wir alle sind! Eher noch ein Rohbau, eher eine ewige Baustelle als eine Wohnung, ein Tempel gar! Und dann auch noch: heilig – nicht als Forderung, sondern als Feststellung: „Gottes Tempel ist heilig, und der seid ihr“! – Nein, wenn diese Zusage gilt, dann muss sie für alle Menschen gelten. Welche Vorzüge hätte ein Einzelner schon vorzuweisen, dass sie diese Titulierung rechtfertigten in Unterscheidung zu anderen Menschen? – Nein, wenn schon „heiliger Tempel“, wenn schon „Wohnung Gottes“ – dann heißen alle Menschen so und sind alle heilig! – Heilig: also verehrungswürdig, unantastbar, unbedingt liebenswert. – Alle: also auch die ganz Anderen, letztendlich sogar die eigenen Feinde.
Vielleicht sind diese so zu lieben, wie man eben das Heilige liebt: nicht unbedingt mit derselben Wärme und Zärtlichkeit, mit der man Freunde oder gar Lebenspartner liebt – aber jedenfalls in unbedingter Ehrfurcht und Respekt und im Bewusstsein, dass dieser Andere, dass dieser Feind von unbedingter Bedeutung und Würde ist: Heilig auch er; auch er ein Tempel Gottes – selbst noch im brennendsten Konflikt!
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