Название: Die Bande vom Vorwald
Автор: Siegfried Böck
Издательство: Автор
Жанр: Природа и животные
isbn: 9783960087953
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Gespannt verfolgen die Schwarzweißen den ruhigen Schwebeflug des ahnungslosen Mäusejägers und was sie sehen, ist beeindruckend. Allein die Spannweite der Schwingen beträgt mehr als das Doppelte von dem, was eine große Schwarzweiße vorzuweisen hat, und selbst Edgar wirkt gegen dieses Kraftpaket nur wie ein schwächlicher Zwerg.
Dann ist es endlich so weit. Ein kurzer, nicht einmal besonders lauter Signalschäckerer ertönt und der Schlafbaum spuckt fünf schwarzweiße, flatternde Gestalten aus, die sich ohne Umschweife und mit lautem Geschrei auf den überraschten Bussard stürzen.
Bevor dieser überhaupt reagieren kann, hängen Elfriede und Elsa bereits an seinen Schwanzfedern und beginnen heftig daran zu zerren. Edgar und Eddy nutzen den Schwung des Anfluges und stoßen mit aller Wucht auf den tief fliegenden Bussard herab, und zwar so zielgenau, dass es beiden gelingt, ihn mit den Schnäbeln empfindlich am Rücken zu attackieren. Der Braune miaut entsetzt und versucht durch ungeschickte Wendungen seine Peiniger loszuwerden.
„Hiääh, hiääh, ihr schwarzweißes Lumpenpack, lasst mich in Ruhe, hiääh, hiääh!“
Verzweifelt versucht der Bussard zu entkommen, doch seine Gegner sind hartnäckig. Zwei davon hängen immer noch schwer an seinem Stoß und behindern durch ihr Gewicht seine Fluchtversuche. Von oben wird sein Rückengefieder durch einen Hagel von Schnabelhieben so heftig bearbeitet, dass überall abgelöste und herausgerissenen Federn und Federchen herumstieben. Der Bussard wird langsamer und das gibt auch Erich, der bisher nur hinterhergeflattert ist, endlich die Gelegenheit, zum Bussard und zu seinen kämpfenden Geschwistern aufzuschließen. Eine abstehende Feder des zerzausten Bussardstoßes ist das Ziel seiner Begierde und schon zum Hineinbeißen nahe, wirklich schon ganz nahe, doch dann breitet der bedrängte Bussard seine Schwingen zur vollen Spannweite aus und beginnt heftig damit zu rudern. Der dabei entstehende plötzliche Luftwirbel schleudert Erich seitlich weg und sein zuschnappender Schnabel klappt ins Leere. Erich stößt einen enttäuschten Schrei aus, aber auch seinen Schwestern geht es nicht viel besser. Beide müssen den Bussardstoß abrupt loslassen, als ihr unfreiwilliger Spielpartner sich plötzlich mit gewaltiger Kraft fast senkrecht in den Himmel hochkatapultiert. Mit ärgerlichem Gekrächze flattern sie jetzt umher und schimpfen dem Spielverderber empört hinterher.
„Hiääh, hiääh, hiääh, hiääh!“
Triumphierende Katzenschreie ausstoßend, schraubt sich der Bussard immer höher in den blauen Himmel hinauf, nur noch von Edgar und Eddy mit wütendem Geschäcker verfolgt. Trotz wildem Flügelflattern sind die beiden aber bereits hoffnungslos abgehängt und der Abstand wird mit jedem Flügelschlag größer und größer. Schließlich geben sie die Verfolgung auf und kehren mit müden Flügelschlägen zu ihren Geschwistern zurück.
„Hiääh, hiääh, hiääh, hiääh!“
Mit der Erfahrung eines perfekten Segelfliegers lässt sich der Bussard von der Energie des Aufwindes immer höher tragen, bis er endlich, hoch über den Geschwistern, seine ruhigen Kreise zieht. Wohl wissend, dass ihm die schwarzweißen Quälgeister mit ihren kurzen Flügeln und ihrem unbeholfenen Flatterflug dorthin nicht mehr nachfolgen können.
Wahrscheinlich hat er den Zwischenfall auch schon wieder vergessen, denn Bussarde sind zwar geniale Segelflieger, aber, wie schon gesagt, nicht gerade Geistesriesen.
Auf dem Aussichtspunkt des Schlafbaumes, dort, wo normalerweise Eddy seinen Platz hat, sitzt eine etwas klein und schwächlich geratene Elster und beobachtet kopfschüttelnd das Spektakel.
Eine ungewöhnlich weiße Ringfärbung rund um beide Augen verleiht der Schwarzweißen das Aussehen eines Brillenträgers, was, zumindest bei einem menschlichen Beobachter, unweigerlich den Eindruck von überdurchschnittlicher Intelligenz und Gelehrsamkeit hervorruft, und dieser Eindruck täuscht in keiner Weise. Elbert Elster ist so umfassend gebildet, dass oft kein Schwarmfreund mehr versteht, wovon Elbert eigentlich schäckert, wenn er vergeblich versucht dem Schwarm die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Ausarbeitungen zu erläutern. Es geht dann meistens um so komische Sachen wie „Psychologischer Abbau von Flugangst bei Jungelstern“ oder „Wie können wir die Elsternwelt im Zuge der Wissenschaft verändern“. Woher er seine allumfassende wissenschaftliche Ausbildung bezogen hat, ist nicht bekannt und interessiert im Schwarm auch niemanden so wirklich.
Bedächtig kratzt Elbert Elster, der große Universalgelehrte, sich am Kopf und schäckert leise vor sich hin. „Täk, täk, was ich da so mit wissenschaftlichem Interesse verfolge, untermauert meine These bezüglich des recht bescheidenen geistigen Entwicklungsstandes der braunen Einfaltspinsel, täk, täk. Gute Segler, aber alles andere als Gehirnakrobaten, täk, täk.“
Elbert macht eine kleine Pause und verfolgt jetzt mit schief gelegtem Kopf interessiert den Heimflug der deutlich erschöpften und überhitzten Schwarmfreunde.
„Täk, täk, allerdings scheint das Geistesniveau einiger Artgenossen auch nicht wesentlich höher zu liegen. Rohe Gewalt statt geistiger Analyse und das noch bei dieser Hitze, täk, täk, das zeugt bestimmt auch nicht von überragender Intelligenz, täk, täk.“
Damit lässt Elbert es vorerst gut sein. Er schwingt sich energisch von seinem Ausguck, um den angeschlagenen Helden entgegenzufliegen und ihnen mit wissenschaftlichen Ratschlägen zur Seite zu stehen, ob sie diese nun hören wollen oder nicht.
Emil Elsters Leidenschaft
Nach diesem kurzen Ausflug zum Elster-Teenager-Schlafbaum oder besser zum Schlafbaum der Vorwaldbande, kehren wir zur mächtigen, allein stehenden Kiefer zurück, wo der Alltag in seinem gewohnten Gang verläuft.
Neue Bewohner kommen, andere ziehen wieder aus. Nester werden gebaut und wieder verlassen, denn Nestbauer wie Gildo und Gerlinde Grünkern, das Grünfinkenpaar, oder Buchhart und Berta Samenknacker, die Buchfinken, wohnen nur für die Zeit der Kinderaufzucht im Hochhaus der Kiefer. Sind die Kleinen aus dem Haus, packen auch die Eltern ihre Sachen und ziehen weg. Vielleicht werden wir die eine oder andere Familie irgendwann mal näher kennenlernen. Ansonsten sind die Bewohner genug damit beschäftigt, die Kinder zu versorgen, Lebensmittel zu beschaffen, sauber zu machen und mit allem anderen, das der Alltag eben so mit sich bringt. Man wohnt nebeneinander in guter Nachbarschaft und respektiert sich gegenseitig, sodass es nur selten Streitereien zwischen den doch so verschiedenen Gemeinschaften gibt. Alles in allem, es lässt sich wirklich gut leben in der Hochhaussiedlung der mächtigen, allein stehenden Kiefer.
Es hätte eigentlich immer so weitergehen können, wenn Emil Elster nicht dieses eine Hobby hätte. Er sammelt nämlich mit Leidenschaft kleine glänzende Gegenstände und hat davon auch schon eine schöne Sammlung zusammengetragen. Diese kostbare Kleinteile-Ausstellung besteht aus verschiedenen Sorten von Aluminiumfolien, glänzenden Kartoffelchipstüten, aus ein paar Metallscheiben, Nägeln und Schrauben und als Hauptattraktion aus einem wunderschön silberglänzenden Kugelschreiber. Gerade auf dieses Prachtstück ist der Sammler natürlich zu Recht sehr stolz. Die Sammlung wird dann auch jedem, der sie sehen will (oder auch nicht sehen will), mit viel Fachwissen und noch mehr wichtigem Geschäckere vorgeführt.
Jetzt ist es aber so, dass ein echter Sammler nie genug von seinen Schätzen bekommen kann und deshalb sehr viel tut und wagt, um in den Besitz von noch schöneren und noch selteneren glitzernden Dingen zu kommen.
Wer so einer Sammelleidenschaft verfallen ist, der darf sich dann auch nicht wundern, wenn es dabei immer wieder zu aufregenden СКАЧАТЬ