Название: Erster-Weltkriegs-Tagebuch aus der böhmischen Provinz
Автор: Josef Brauner
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783960086123
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10. Oktober 1914: Unter den galizischen Flüchtlingen im Pilgerheim in Niederheidisch befand sich auch eine russische Spionin, welche sich am Bahnhof in Prerau den Galiziern zugesellt hatte. Über diesen Fall schrieb die ‚Deutsche Grenzwacht’ in Landskron vom 9. Oktober:
'Verhaftung einer russischen Spionin
Am Sonnabend voriger Woche kam mittelst der Bahn ein ganzer Transport von Flüchtlingen aus Galizien. Sie gehörten den verschiedensten Gesellschaftsklassen an. Sie wurden von Lichtenau aus nach Grulich und Niederheidisch dirigiert und hier für eine Rast in verschiedenen Häusern und Örtlichkeiten untergebracht. Man sah da verschiedene Gestalten. Das traurige Los dieser heimatlos gewordenen Leute, welche die Kriegsfurie hinausgetrieben von ihren Heimstätten, aus den von ihren Vorfahren ererbten Sitten, Gewohnheiten und Gebräuchen milderte wohl manch ein Urteil.
Unter diesen Bedauernswerten befand sich ein verschleiertes, schwarz gekleidetes Frauenzimmer, welches, da man den Flüchtlingen ihre Nachtherbergen zugewiesen hatte, ein eigenes Zimmer für sich beanspruchte. Man willfahrte dem Wunsch, da man glaubte, die betreffende Frauensperson sei gewiss besseren Kreisen angehörig gewesen. Da sie sich in ihr Zimmer zurückgezogen hatte, beobachtete man sie durch das Schlüsselloch und bemerkte, dass sie eine größere Anzahl von Schriften unter den Kleidern geborgen hatte, an deren Fortsetzung sie emsig zu arbeiten begann. Von dieser Wahrnehmung wurde sofort das k. k. Gendarmeriekommando in Grulich verständigt, das sofort eifrige Nachforschungen anstellte. Deren Ergebnis war, dass man es mit einer russischen Spionin zu tun habe, die angab, eine Lehrerin zu sein. Man möge sich der bei ihr vorgefundenen Papiere nur ganz ruhig bemächtigen. Die wichtigsten Sachen habe sie schon fortgeschickt. Natürlich wurde diese Person verhaftet, vom Grulicher Bezirksgericht in strengsten Gewahrsam genommen und am 1. Oktober mittelst Gendarmeriebegleitung nach Königgrätz eingeliefert. Unterwegs bildete die Spionin auf der Eisenbahn nicht nur den Gegenstand der Neugier, sondern sehr viele Personen zeigten nicht üble Lust, die Spionin zu lynchen.
Einer Frau, die an sie die Frage richtete, wie sie so etwas als Frau unternehmen konnte, erwiderte die Spionin: ‚Nu, was ist da weiter dran? Eine Kugel!’ ‚Ich bedauere die Kugel’, sagte die Frau; ‚um das unwürdige Ziel, das ihr gesteckt wird! Ihnen gebührt ein Strick, aber keine Kugel!’ Solche Anreden musste die Spionin viele anhören.'
10. Oktober 1914: Ob zwar im Mai dieses Jahres schon eine Pferdeassentierung stattfand, so wuede sie mit Rücksicht auf den herrschenden Krieg erneut abgehalten. Sie wurde heute Vormittag am großen Platze bei den Lauben durchgeführt. Assentiert wurden aus der Stadtgemeinde Grulich 29 Pferde.
12. Oktober 1914: Bei der am 11. Oktober in Hohenmauth stattgefundenen Landsturmmusterung wurden von den in Grulich wohnenden 58 Landsturmpflichtigen der Geburtsjahrgänge 1892, 1893 und 1894 40 Mann tauglich befunden, von denen 23 für Grulich und 17 für auswärts zuständig waren.
Mitte Oktober 1914: Zur Sammlung von Liebesgaben für unsere im Felde stehenden Soldaten hat sich hier ein großer Ausschuss gebildet. Dem Komitee gehören an:
P. Adalbert Brix, Stadtpfarrer | Hermine Kober, Private |
Wilhelm Oehl, Sparkassen-Kassier | Alois Veith, Fabrikant |
Ludwig Deutscher, Stationsvorstand | Anna Kober, Private |
Josef Radauer, Besserungsanstalts-Direktor | Gabriele Sirowy, Wirtschafts-Direktors-Gattin |
Daniel Fiebinger, Meister | Johann Kretschner, Bürgermeister |
Ferdinand Rotter, Hotelier | Josef Vogel, Rechnungsführer |
M. U. Dr. Fritz Franckel, Distr. Arzt | Jaroslav Mensi, Notar und Bezirks-Obmann |
Johann Rotter, Fleischer und Selcher | Dom. G. Walter, Prokurist |
Marie Franke, Bürgerschul-Lehrerin | Marie Walter, Private |
Johann Schwarz, Bürgerschul-Direktor | Theresia Mensi, Notarsgattin |
Johann Goldmann, Obermeister | Alois Womela, Fachschulprofessor |
Franz Schwarzer, Kaufmann | Alois Nitsch, Lagerhalter |
Josef Hübner, Baumeister | Karl Mayer, k. k. Landesgerichtsrat |
Kais. Rat. Ed. Sirowy, Wirtschafts-Direktor |
23. Oktober 1914: Nachdem gestern Nachmittag der behördliche Auftrag eingetroffen war, die assentierten Pferde sogleich nach Senftenberg einzuliefern, wurde dies heute um 7 Uhr früh vollzogen.
Die 39 tauglichen Pferde mit Ausnahme von 4 Stück, welche drüsenkrank sind, gingen unter Begleitung ihrer Besitzer oder deren Knechte ab, jedes mit der vorgeschriebenen Futterration versehen. Wie innig oft Haustiere mit den Menschen verwachsen sind, zeigte sich auch hier: Mancher Besitzer und auch Knecht vergoss Tränen über den Abgang der vertrauten Tiere.
29. Oktober 1914: Heute kam ein Transport von rund 100 verwundeten Soldaten am alten Bahnhof an, um ins Krankenhaus nach Mährisch Rothwasser weiterbefördert zu werden. Sie wurden durch hiesige Frauen und Mädchen gelabt.
Laut Auftrag der Bezirkshauptmannschaft hat die Stadtgemeinde Grulich nach den Bestimmungen des Kriegsleistungsgesetzes folgendes Getreide für Militärzwecke zu liefern: Im Oktober 90 q Roggen, im November 20 q Weizen und im Dezember 50 q Hafer.5
1. November 1914: Heute fand unter Mitwirkung sämtlicher Vereine Grulichs ein Soldatentag für Kriegsfürsorgezwecke in Grulich und Umgebung statt, bei dem Kokarden, Medaillons und Rechnungszettel verkauft wurden. Der Ertrag betrug in Grulich 521,10 Kronen und in den nächsten Gemeinden 195,40 Kronen, zusammen also 716,50 Kronen. Dieser Betrag wurde an das Kriegsfürsorgeamt beim Ministerium des Innern eingesandt.
4. November 1914: Die hiesige Bevölkerung wurde mittels Kundmachung auf die Gefahr des Auftretens einer Blatternepidemie aufmerksam gemacht. Jeder solle sich in eigenem Interesse impfen bzw. wieder impfen lassen. Öffentliche Impfungen fanden am 16. und 19. Oktober, die Impfungen der Schulkinder am 27. und 28. Oktober und 3. November im städtischen Sitzungssaal statt.
Laut der am 24. Oktober eingetroffenen Einberufungskundmachung haben sich die militärisch nicht gedienten Landsturmmänner der Geburtsjahre 1878 bis 1890 bis Ende Oktober zu melden. Gemeldet haben sich 163 Mann.
5. November 1914: Von den galizischen Flüchtlingen wurden die hier befindlichen Polen heute nach Chotzen befördert, wo ein Barackendorf für 20.000 Personen gebaut wurde. Von hier sind 43 Personen abgereist, die übrigen Flüchtlinge – Ruthenen – blieben hier zurück. Die meisten der Leute sind sehr ungern von hier fort, sie meinten ‚hier die Leute so gut’.
9. November 1914: Von unserem städtischen Kassier Hans Philipp, der auf dem nördlichen Kriegsschauplatz verschollen war, empfingen wir heute aus Russland bei St. Petersburg eine Karte, laut welcher er sich in russischer Gefangenschaft befindet. Über diese Nachricht, dass er noch glücklich am Leben ist, freuten sich nicht nur seine Angehörigen, sondern diese Kunde wurde allgemein begrüßt.
Schon vorige Woche war von Herrn Josef Pfertner ein Brief aus Sibirien an der chinesischen Grenze eingetroffen, wo er sich auch in Gefangenschaft befindet. Dieser Brief wanderte durch die halbe Stadt.
Der Stadtvorstand erließ einen Aufruf СКАЧАТЬ