Kurzgeschichten vom Land aus Vergangenheit und Gegenwart. Horst Kempa
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СКАЧАТЬ mir niemals einen guten Tag gewünscht und auch keine Grüße an meine Frau ausgerichtet.

      Wenn ich als Betriebsleiter von meinen Mitarbeitern etwas wollte, bin ich grundsätzlich zu ihnen an den Arbeitsplatz gegangen. Das gab dem Mitarbeiter das Gefühl der Anerkennung und gab mir die Möglichkeit zu sehen, unter welchen Bedingungen die Arbeit verrichtet werden muss. So verliert man nicht so schnell die Bodenhaftung. Es tritt eine positive Wechselwirkung zwischen Leiter und Mitarbeiter ein.

      Die Bestellung eines Mitarbeiters in das Arbeitszimmer des Chefs ist immer etwas Besonderes und hat natürlich eine ganz andere Wirkung als eine Absprache am Arbeitsplatz.

      Wenn ich jemanden zu mir bestellt habe, war der Grund immer etwas Persönliches, das unter vier Augen besprochen werden musste. Das konnte etwas Positives wie eine Beförderung, Lohnerhöhung, Auszeichnung und ähnliches sein; aber auch einen negativen Grund haben verbunden mit einer Kritik bis hin zur Abmahnung oder gar Entlassung.

      Heute verläuft die Zusammenarbeit zwischen den jungen dynamischen zu sich selbst „Sie“ sagenden Betriebsleitern in den meisten Fällen ganz anders.

      Am schlimmsten sind die, die mit ihrer Aufgabe überfordert sind und zu wenig Selbstbewusstsein haben. Sie glauben, dass sie ständig und überall ihren Mitarbeitern beweisen müssen, dass sie der Chef sind. Sie kümmern sich um jede Kleinigkeit weil sie das Große und Ganze schon längst aus den Augen verloren haben. Das Ergebnis ist, dass die Mitarbeiter nur noch Dienst nach Vorschrift machen und der Firma dadurch ein großes Potenzial verloren geht.

      In allen Betrieben, so auch in der Landwirtschaft, wird versucht so früh wie möglich im Jahr das finanzielle Jahresergebnis einzuschätzen. Wenn in den großen Landwirtschaftsbetrieben die Halmfruchternte eingebracht ist, beginnt überall das große Rechnen. Ein guter Betriebsleiter, der auch mit seiner Buchhaltung offen und ehrlich zusammen arbeitet, kann jetzt schon ziemlich genau das Jahresergebnis voraus sagen. Das hat für noch zu treffende Entscheidungen eine große Bedeutung.

      In dem von mir geleiteten großen Betrieb der Pflanzenproduktion, der einen Bruttoumsatz von mehreren Millionen machte, war das auch so.

      Auf zwei Bogen DIN 4 schrieb ich mit einem Kuli die Zahlen von den Erlösen und Kosten, die bis zu diesem Zeitraum gebucht waren und schätze, was in den einzelnen Positionen bis zum Jahresende noch anfallen wird. Die Größe Tausend war dabei meine kleinste Einheit und 100 000 plus oder minus im geschätzten Ergebnis waren bei dem Umsatz von Millionen ein zufrieden stellendes Ergebnis. Im weiteren Verlauf des Jahres wurden die Schätzungen immer genauer. Meine Voraussagen haben immer gestimmt.

      Nach der Privatisierung hatten die Einschätzungen genau so eine große Bedeutung. Nach der Getreideernte wurde ich als Geschäftsführer einer GmbH zum Hauptgeschäftsführer, dem mehrere GmbHs unterstanden, zur Einschätzung des Jahresergebnisses bestellt.

      Ich erschien mit meinen zwei beschriebenen DIN 4 Bogen, mit einigen Blättern Schmierpapier, einem Kuli und dem Betriebsplan. Auf dem Schreibtisch meines Chefs lagen neben den Betriebsplänen zwei sorgfältig gespitzte Bleistifte, jede Menge Schreibpapier, ein großer Radiergummi und ein Taschenrechner. Er schaute verächtlich auf meine Unterlagen und meinte, dass wir so wohl nicht zurecht kommen werden. Ich entgegnete ihm, dass wir erst einmal anfangen sollten und ich denke dass ich seine Fragen beantworten kann.

      Als es losging, sah ich mit Erstaunen, dass der Chef jede Zahl mit zwei Stellen nach dem Komma schrieb. Meine kleinste Einheit war Tausend. Es ging ja nicht um eine fertige Bilanz, sondern jetzt Ende August um die Schätzung des finanziellen Jahresergebnisses von Millionen. Der Chef rechnete, schrieb, radierte, schrieb wieder, stellte Fragen die ich so genau nicht beantworten konnte, radierte wieder und fing wieder von vorn an. So vergingen Stunden, ich langweilte mich unterdessen und mein Chef schwitzte. Dann hatten wir ein Ergebnis, das im Wesentlichen genau so aussah, wie ich es errechnet hatte. Mein Chef war zufrieden und sagte: „Genau wird es nicht stimmen, es ist ja auch nur eine Schätzung.“ Er hatte das Gefühl für die Firma etwas Großes vollbracht zu haben. In Wirklichkeit hätten wir in diesen Stunden wichtigere Dinge erledigen können.

      Je mehr sich das Jahr zum Ende zu neigte, je öfter wiederholten sich solche Einsätze. Der Unterschied war, dass ich jetzt auch immer einen Taschenrechner mitgebracht habe.

      Im Zuge der Eingemeindung von Dörfern und Ortsteilen in die Großstadt wurden die Verwaltungsorgane zunehmend mit landwirtschaftlichen Problemen konfrontiert.

      Neben der Feldwirtschaft und der Mutterkuhhaltung betrieb das Gut noch eine Rindermast. In dem Ort, der nun zum Stadtteil geworden war, befand sich ein Kälber- und Bullenmaststall.

      Es dauerte auch nicht lange und es erschienen zwei Damen vom Umweltamt mit dem Auftrag, die Ställe und Gülleanlagen zu kontrollieren.

      Sie wiesen sich aus und erklärten mir, dass sie sich die Kuhställe ansehen wollen und prüfen müssen, ob die Auflagen vom Umweltschutz eingehalten werden. Ein besonderer Schwerpunkt dabei ist die Lagerung von Gülle.

      Schon hier erläuterte ich noch freundlich dass wir keine Kühe halten und bei uns auch keine Gülle anfällt. Wir haben nur Mastbullen und die stehen auf Stroh, da fällt nur Festmist an.

      Für die Frauen waren schlechthin alle Rinder Kühe und Gülle gehörte einfach dazu.

      Wir beließen es dabei und begannen mit der Besichtigung.

      Im Bullenmaststall standen 250 Bullen, die in Laufboxen auf Stroh gehalten wurden. Aus den Boxen wurde täglich mit einem Frontlader der Dung auf die betonierte Mistplatte hinter dem Stall geschoben. Eine umweltfreundliche Haltungsmethode mit jahrhunderte alter Tradition.

      Gülle fällt dabei nicht an, nur Jauche. Das ist der Sickersaft, der aus dem Dungstapel austritt. Bei Regen vermischt sich das Regenwasser von der Betonplatte mit dem Sickersaft aus dem Stallmist zu einer dunklen dünnen Brühe, der sogenannten Mistjauche. Die wird in einer abflusslosen Grube aufgefangen und von dort aus zur Düngung auf die Felder gebracht.

      Die Damen vom Umweltamt sahen sich alles an und waren ganz zufrieden. Einen groben Mangel entdeckten sie jedoch. Um die Jauchengrube zu entleeren, wurde rückwärts mit dem Güllefass HTS 100 herangefahren und der Saugschlauch angekoppelt. Der Platz auf dem der HTS stand war bei uns nur geschottert. Laut Gesetz musste dort aber Beton sein mit einem Abfluss zu Grube. Wir erhielten eine entsprechende Auflage zur Veränderung.

      Nun regte sich bei mir doch der Widerspruch. Ich wollte eine Erklärung für diese Auflage. Die Antwort war, dass bei dem Abkoppeln des Saugschlauches einige Tropfen heraus laufen könnten und in das Erdreich versickern. Das ist eine Umweltverschmutzung und deshalb verboten. Ich muss die Frauen sehr ungläubig angeschaut haben uns stellte eine weitere Frage. Die gesamte Anlage ist von einer Grünfläche umgeben. Wenn ich das Grünland einzäune und die Bullen darauf weiden lasse ist das eine natürliche Haltungsform. Die Tiere setzen aber unkontrolliert ihren Kot und Urin ab, der in den Boden eindringt. Die Antwort: „Das können sie machen, Natur ist Natur.“ Als Praktiker verschlägt es einem da regelrecht die Sprache.

      Um des lieben Friedens willen haben wir die paar Quadratmeter vor der Grube betoniert.

       Der Güllewagen HTS 100