Wo aber der Wein fehlt, stirbt der Reiz des Lebens. Группа авторов
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      Die Ausgrabungsstätte liegt im zentralen Henan, mit 94 Mio. Einwohnern nicht nur die bevölkerungsreichste Provinz und eines der am dichtesten besiedelten Gebiete Chinas, sondern auch die Wiege der chinesischen Zivilisation mit einer beispiellosen Fülle archäologischer und historiographischer Zeugnisse bis zurück in die Steinzeit. Nur etwa 140 km nördlich von Jiahu fließt der Gelbe Fluss, in dessen Einzugsgebiet die meisten frühzeitlichen Siedlungen entdeckt wurden und noch immer gefunden werden. Noch einmal 160 km nördlich bei der Stadt Anyang liegt das große Grabungsareal des Herrschersitzes der späteren Shang-Dynastie (14. – 11. Jh. v. Chr.), wo die frühesten Zeugnisse zu den Anfängen der chinesischen Dynastiegeschichte entdeckt wurden. Hierzu gehören neben Tausenden von Schildkrötenpanzern und Rinderknochen mit den ältesten chinesischen Schriftzeichentexten v.a. kunstvolle Bronzegefäße, Jadeschmuck und Gräber mit reicher Ausstattung für das Weiterleben im Jenseits.

      Trinkhörner, Zwillingskrüge, Keltern, Honig und Harz – Belege für den Kulturaustausch?

      Ein prägnantes Beispiel für die Verbindung zwischen den Weinkulturen quer durch den eurasischen Kontinent sind die Trinkhörner, ursprünglich meist aus Rinderhörnern gefertigt, und mit fortschreitender Entwicklung als sog. Rhyta aus verschiedenen Materialien (Horn, Knochen, Holz, Elfenbein, Nashorn, Keramik, Glas, Jade, Porzellan, Bambus, Bronze, Silber, Gold etc.) und in unterschiedlichsten künstlerischen Formen herausgearbeitet. Verblüffend sind die Ähnlichkeiten und die beachtliche Verbreitung dieser meist Kult- und Libationszwecken dienenden Trink- und Ausschankgefäße. Sie finden sich vom Neolithikum bis ins Mittelalter und in die Neuzeit nahezu überall: in den weiten Regionen zwischen Nordeuropa und Südchina. Auf nahezu dem gesamten Territorium des heutigen China wurden derartige Funde gemacht. In den vorchristlichen Jahrtausenden entwickelte sich dort eine weltweit einzigartige Vielfalt und Systematik an Trink- und Libationsgefäßen zunächst aus Keramik, dann aus Bronze, die sowohl von ihrer künstlerischen Ausgestaltung als auch von der Etymologie ihrer Bezeichnungen her größtenteils auf diese Protoform des Rhytons zurückgeführt werden können (Abb. 4 und 5). Die Rhytonkultur offenbart in besonderer Weise die wechselseitigen Einflüsse der prähistorischen und antiken Trinkritualsysteme Eurasiens und deren zentrale gesellschaftlich-religiöse Bedeutung entlang der Migrations- und Handelswege über gewaltige geographische Entfernungen hinweg. Interessant sind auch einzelne Trinkgefäßtypen, die überall entlang der Seidenstraße aus verschiedenen Epochen seit dem Neolithikum entdeckt wurden: etwa gestielte Pokale (wine goblets) aus Keramik, später auch aus Bronze oder Silber in teils identischer Gestalt. Frühe kunstvolle Exemplare wurden bereits aus dem 4. – 3. Jt. v. Chr. sowohl im Iran als auch in der ostchinesischen Longshan-Kultur entdeckt (Abb. 6). Ein weiteres Beispiel sind die sog. »Zwillingskrüge«. (joint jars), die ebenfalls seit prähistorischen Zeiten überall zwischen Osteuropa, Kleinasien und China angefertigt wurden und bei nationalen Minderheiten teils heute noch benutzt werden. Die beiden miteinander verbundenen Trinkgefäße wurden von zwei gegenüberstehenden Partnern bei zeremoniellen Anlässen wie Friedensschlüssen, Besiegelung von Verträgen oder Eheschließungen eingesetzt (Abb. 7). Nicht zuletzt sind im gesamten Einzugsbereich der Seidenstraße an vielen Stellen antike Weinkeltern mit einem meist rechteckigen steinernen Presstrog und einem runden Mostauffangbecken am Ablassende aufgetaucht – die mit 6.100 Jahren älteste im armenischen Weinort Areni.

      Abb. 4: Chinesisches Jade-Rhyton nach persisch-achämenidischem Vorbild, ca. 200 v. Chr., Grab des Königs von Nanyue, Guangzhou (Nanyuewang-Museum).

      Abb. 5: Bronze-Trinkgefäß jue aus der Shang-Dynastie, 16. – 11. Jh. v. Chr. (Shanghai-Museum).

      Abb. 6: Langstielige Pokale aus schwarzer Eierschalenkeramik, Longshan-Kultur, 2.500 – 2.000 v. Chr., Shandong (Nationalmuseum Peking).

      Zwei wichtige materielle Indizien für die Annahme einer universellen Entwicklung der Wein- und Alkoholkultur sind die Zusätze Honig und Baumharz, die zur Förderung des Gärprozesses bzw. für die Haltbarmachung des Getränks von frühester Zeit an in nahezu allen antiken Weinregionen quer durch Eurasien in ähnlicher Weise verwendet wurden, oft noch ergänzt durch Kräuterzugaben (Myrrhe, Wermut, Pfeffer, Safran, Kapern, diverse Heilpflanzen). Auch in China wurden Reste solcher Zusatzstoffe in prähistorischen Keramikgefäßen und sogar in bis zu 3.000 Jahre alten alkoholischen Flüssigkeiten aus hermetisch verschlossenen Bronzebehältern aus Gräbern analysiert. Symptomatisch ist in diesem Zusammenhang, dass sich die Bezeichnung für »Honig«, besonders in der abgeleiteten Bedeutung von fermentiertem Getränk (»Honigwein«), über ganz Eurasien verbreitet hat: Sanskrit madhu, Griechisch μἐθν, Deutsch Met, Englisch mead, Dänisch/​Norwegisch mjød, Französisch miel, Litauisch medus, Russisch мёд, Tocharisch B mit, Altiranisch madu, Neupersisch mei, Ungarisch méz, Chinesisch mi usw.

      Abb. 7: Zwillingsbecher (joint jars), Yangshao-Kultur, 4.800 – 3.600 v. Chr., Banpo, Shaanxi (Banpo-Museum).

      Wie kam es zu der prähistorischen Weinstraße?

      Aus der eurasischen Vogelperspektive fällt auf, dass sich – größtenteils entlang der Seidenstraßen-Verzweigungen – ein breiter Gürtel von Weinanbaugebieten zwischen Westen und Osten über die Jahrhunderte und Jahrtausende bis in die Gegenwart erhalten hat: in den Flusstälern Europas, im gesamten Mittelmeerraum, am Schwarzen Meer, im Kaukasusgebiet, im Nordwesten Irans, in den Oasen Turkmenistans und Usbekistans, in den Flusstälern Tadschikistans und des Hindukusch, im Ferghanatal, in Nordost-Kasachstan, in Westchina, Zentralchina und Nordostchina. In all diesen Regionen lässt sich die Weinkultur anhand von archäologischen Funden, historischen Aufzeichnungen und volkstümlichen Überlieferungen, Mythen und teils immer noch lebendigen rituellen Praktiken auf eine kontinuierliche Tradition von mindestens 2.000 Jahren und meist weit bis in vorgeschichtliche Zeiten zurückführen.

      Die Gesamtpalette der Entdeckungen und Erkenntnisse zur vorgeschichtlichen und antiken Weinkultur entlang des west-östlichen Netzwerks und die teils frappierenden Parallelen in ihrer Entwicklung über enorme geographische Distanzen hinweg lassen sich in der Hypothese einer prähistorischen Weinstraße zusammenfassen, die sich wesentlich früher konstituierte als die erst vor rund zweieinhalb Jahrtausenden in der Geschichte in Erscheinung tretenden Handelswege der Seidenstraße. Letztlich wird durch alle prähistorischen wie historischen Epochen hindurch deutlich, dass sich die Expansion von Weinkultur stets über den Handel vollzog. Typisch hierfür sind die Phönizier, die Weinanbau und -herstellung einschließlich des technischen Knowhows, der Keramikgefäße sowie typischer Zutaten wie Harz und Kräuter bereits vor über drei Jahrtausenden im gesamten Mittelmeerraum und bis zu den Atlantikküsten verbreiteten – übrigens wohl nicht zufällig in Verbindung mit der Erfindung eines der ersten und einflussreichsten Schriftsysteme der Menschheit. Analog trifft dies auf den kontinentalen Fernhandel im eurasischen Raum zu, wobei davon auszugehen ist, dass dabei gerade auch Wein und Alkoholika einen Wirtschaftsfaktor darstellten – und dies noch vor dem Aufleben des eigentlichen Seidenstraßenhandels.

      Im Kontext der Eurasischen Hypothese spielt die Paläolithische Hypothese eine СКАЧАТЬ