Название: Maria - Fräulein der Friesen
Автор: Andreas Scheepker
Издательство: Автор
Жанр: Исторические детективы
isbn: 9783839269329
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Rimberti schreckte hoch. Er musste doch eingeschlafen sein, denn es dämmerte schon der graue Morgen. Er hörte Rufe von unten. Pferdegetrappel.
Rimberti trat ans Fenster. Er konnte noch sehen, wie eine Gruppe von Reitern aufbrach und im Morgennebel verschwand. Er legte sich auf sein Bett, aber nun konnte er nicht mehr einschlafen.
»Der Drost ist schon früh nach Esens aufgebrochen«, teilte Rimbertis Schreiber Kobus mit, während er die mit Honig gesüßte Weizengrütze löffelte. Eigentlich war Rimbertis neuer Schreiber äußerst zurückhaltend und im Gespräch oft einsilbig. Nun fuhr er tatsächlich fort: »Gestern gab es hier großen Ärger. Eine Gruppe von Reitern kam, und der Drost stritt sich mit dem Anführer. Dabei fiel auch Euer Name.«
»Mein Name?«, fragte Rimberti erstaunt.
»Ich konnte nicht alles verstehen«, erklärte Kobus. »Wo wart Ihr eigentlich so lang?«
»Dringende Amtsgeschäfte haben mich aufgehalten«, brummte Rimberti, der seinem Schreiber nicht unbedingt auf die Nase binden wollte, was er gestern erlebt hatte.
Die restliche Zeit der Mahlzeit saßen die beiden schweigend nebeneinander. Rimbertis früherer Schreiber liebte das Plaudern. Aber nach seiner Heirat und der Geburt des ersten Kindes im vergangenen Jahr hatte er die Reisetätigkeit aufgegeben und eine Stelle als Schreiber beim Häuptling von Lütetsburg angenommen, um dort mit seiner Familie zu wohnen.
Sein Nachfolger Kobus hatte sich in den letzten Monaten als würdiger Nachfolger erwiesen. Konzentriert konnte er in kurzer Zeit schwierige Texte entziffern und in sauberer Handschrift kopieren. Viele Schreibarbeiten erledigte er mehr oder weniger selbstständig. Und genauso wie sein Vorgänger übernahm er mit dem Amt des Schreibers auch gewisse Aufgaben eines Dieners. Nur gesprächig war er nicht. So wunderte sich Rimberti, als er plötzlich zum dritten Mal das Wort an ihn richtete.
»Ich glaube, Ihr werdet erwartet«, sagte der Schreiber und deutete auf die Tür. Dort stand ein kräftiger Mann, die dunkelblonden Haupthaare kurz geschnitten und den dichten Vollbart sauber gestutzt. Er war bekleidet mit einer Schaube aus feinem dunklem Stoff, die ihm bis zu den Knien reichte. Er musste etwas älter als Rimberti sein, vielleicht Anfang oder Mitte 40.
Rimberti erhob sich, und der Mann richtete das Wort an ihn: »Verehrter Doktor Rimberti, ich darf Euch im Namen von Fräulein Anna und Fräulein Maria begrüßen. Ich bin Keno Middens von Garssum, einer der Regenten des Jeverlandes und Ratgeber unserer beiden Fräulein. Mein Vater war ein treuer Freund von Edo Wiemken, dem Vater unserer Fräulein. Es ist für uns eine große Ehre und Freude, einen Beamten vom Hof unserer Statthalterin, Königin Maria, empfangen zu dürfen. Die Fräulein erwarten Euch.« Er trat einen Schritt beiseite und gab die Tür frei.
Rimberti überlegte, ob er zuerst in sein Quartier gehen und die Tasche mit den Aufzeichnungen und Abschriften der wichtigen Unterlagen holen sollte. Er entschied aber, sich bei dieser Begegnung nur ein erstes Bild von den Fräulein und von der Situation zu machen. Schweigend folgte er dem Mann durch den Gang, bis sie vor einer Doppeltür standen, die von zwei Soldaten in der Tracht Graf Ennos bewacht wurde. Als sie den Mann und Rimberti sahen, traten sie einen Schritt beiseite.
Der Mann legte seine Hand auf Rimbertis Arm, um ihn zurückzuhalten. »Auf ein Wort noch, Doktor Rimberti. Der Drost musste leider schon vor dem Morgengrauen aufbrechen. Ein Zwischenfall. Er versichert Euch seiner Ehrerbietung und bat mich, an seiner Stelle für Euch zur Verfügung zu stehen.«
Rimberti nickte. »Ich danke Euch.« Er machte Anstalten weiterzugehen, aber der Mann blieb stehen.
»Verzeiht«, richtete er das Wort noch einmal an Rimberti, »die beiden Fräulein sind in Regierungsgeschäften gänzlich unerfahren und dadurch leicht zu ängstigen. Alles, was den Fräulein Sorgen machen könnte, mögt Ihr mit Drost Boing oder mit mir bereden. Beunruhigt bitte die Fräulein nicht zu sehr mit diesen Dingen.«
»Ich verstehe. Aber ich kann nicht alles von den Fräulein fernhalten«, antwortete Rimberti. Er wusste noch nicht, was er von diesem Mann halten sollte.
Einer der Soldaten öffnete die Tür. Rimberti folgte Keno Middens in das Empfangszimmer der Burg; ein großer und heller Raum öffnete sich vor ihm. An einem langen Tisch aus schwerem dunklem Holz saßen die beiden Fräulein auf Lehnstühlen. Rimberti wusste, dass sie wenige Jahre jünger waren als er, aber die eine wirkte älter und blickte aus dem Fenster, während sie mit den Fingern nervös an den Bändern ihrer weißen Haube nestelte. Vor sich hatte sie eine kleine Schale mit gezuckerten Mandeln. Sie drehte sich zu Rimberti, nickte und nahm aus der Schale ein paar Mandeln, die sie sich hastig in den Mund stopfte. Dann sah sie wieder aus dem Fenster.
Ihre Schwester sah aus wie ein großes altkluges Kind. Mit weit geöffneten Augen sah sie Rimberti an, und erst als er ihr ein zweites Mal ins Gesicht sah, bemerkte er die leichte Skepsis in ihrem Blick.
Er verbeugte sich und überbrachte die Grüße von Königin Maria. Nun schoss ihm in den Sinn, dass der Brief der Königin und sein Beglaubigungsschreiben noch auf dem Tisch in seinem Quartier lagen.
Das Fräulein am Fenster nickte gedankenverloren, während ihre Schwester seinen Gruß erwiderte: »Verehrter Doktor Rimberti, die Grüße der Königin sind meiner Schwester Anna und mir genauso willkommen wie Euer Besuch.« Sie räusperte sich und schien nach Worten zu suchen. Ihre Stimme klang angestrengt. Sie bedeutete Rimberti und Middens, auf den beiden freien Stühlen Platz zu nehmen. »Euer Besuch ist nicht nur erfreulich«, setzte sie die Begrüßung fort, »Er war dringend erforderlich.«
»Fräulein Maria, es wird sich alles zum Guten wenden«, wandte Keno Middens ein.
»Ihr hattet eine gute Anreise, Doktor Rimberti?«, fragte Fräulein Maria.
Sicher hatte sie von dem gestrigen Zwischenfall gehört. Rimberti wollte die Männer von Grootewarden nicht gefährden und ihr Versteck im Wald nicht preisgeben. »Ich hatte eine unerfreuliche Begegnung mit Isko Onninga«, erklärte er. »Er wollte das Dorf Grootewarden plündern, und dabei ist es zu Handgreiflichkeiten gekommen. Glücklicherweise konnte einer der Offiziere Graf Ennos das Missverständnis klären, aber Isko hat den Dorfbewohner sämtliches Vieh genommen.«
Marias Augen weiteten sich vor Schreck. Ängstlich sah sie Middens an. »Davon habt Ihr mir nichts berichtet.«
»Kein Grund zur Sorge.« Keno Middens legte seine Hand beruhigend auf ihre. »Isko Onninga ist ein Hitzkopf. Ich habe schon veranlasst, dass er einbehält, was an Steuern gezahlt werden muss, und alles andere den Bewohnern von Grootewarden wieder zurückgibt.«
»In Grootewarden ist man der Meinung, man hätte die Steuern schon bezahlt«, wandte Rimberti ein.
»Alle sind immer der Meinung, sie hätten die Abgaben bezahlt«, erklärte Middens. »Sie schicken ab und zu einen Schlachtochsen in die Burg oder ein Fass mit Salzbutter, zwischendurch dann eine Tonne Bier oder vielleicht eine Wagenladung Brennholz. Und damit haben sie ihrer Meinung nach ihren Teil erfüllt. Das genügt nicht. Unser Land braucht die Abgaben. Junker Balthasar von Esens rüstet zum Krieg. Sein Verbündeter, Herzog Karl von Geldern, stellt ein Expeditionsheer auf, um sich einen friesischen Hafen zu erobern. Im Oldenburgischen tummelt sich ein Haufen von Landsknechten unter dem Kommando von Ewert Owelacker. Sie haben schon drei Gehöfte in Rüstringen geplündert und angezündet. Nur mit knapper Not konnten die Bewohner ihr Leben retten. Allein Graf Ennos Soldaten können dem Einhalt gebieten. Darum brauchen wir die Abgaben und können uns nicht mit gelegentlichen Aufmerksamkeiten zufriedengeben.«
Maria wollte etwas einwenden, aber СКАЧАТЬ