Seewölfe Paket 9. Roy Palmer
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Название: Seewölfe Paket 9

Автор: Roy Palmer

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere

isbn: 9783954394982

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СКАЧАТЬ Feldscher der „Gran Grin“ kniete neben dem Lager eines abgemagerten Kranken. Er hatte die grobe Decke der Koje zurückgeschlagen, betrachtete den Brustverband des Mannes und runzelte dabei die Stirn. Das Blut der Wunde hatte den Verband durchtränkt, und – wie Juan Flores durch das Schreien und Stöhnen der anderen und durch das Sturmbrausen hindurch zu vernehmen glaubte – der Kranke röchelte, als müsse er jeden Augenblick den Sprung über die düstere Schwelle antreten.

      Juan spürte ein Würgen in der Kehle, Übelkeit, die in ihm aufstieg, aber das war nicht das Schlimmste. Eine frostige Welle durchlief seinen Körper, und es wirbelte vor seinen Augen. Seine Knie drohten nachzugeben, er mußte sich an einem Balken festhalten, um nicht doch umzukippen.

      Die Kranken wälzten sich in ihren Kojen, einige hielten Näpfe und Mucks zu Juan hin ausgestreckt. Juan sah Sampedros auffordernden Blick. Der Koch hatte sich zu ihm umgewandt und winkte ihm jetzt zu. Juan wollte beginnen, mit einer Schöpfkelle Wassersuppe in die Näpfe der Kranken zu füllen – auch bei Sturm wurden Mahlzeiten ausgeteilt, sofern man von „Mahlzeiten“ an Bord dieses Unglücksschiffes überhaupt noch sprechen konnte.

      Aber Juan stutzte. Der Mann mit dem Brustverband – er hatte ihn erkannt.

      „Miguel“, hauchte er entsetzt.

      Miguel – ein junger Mann, der aus derselben Gegend wie er, Juan, stammte. Sie hatten während der Überfahrt von Spanien nach England Freundschaft geschlossen. Sie hatten Seite an Seite gearbeitet und gekämpft, und dann war Miguel von einem Eisensplitter getroffen und unter Deck gebracht worden. Tagelang war es Juan wie allen anderen Gesunden verboten gewesen, in das Lazarett hinunterzusteigen. Die Decksleute und Seesoldaten hatten in anderen Räumen des Viermasters ihre Lager aufgeschlagen oder an Oberdeck übernachtet. Erst jetzt kehrte Juan Flores hierher zurück – und fast hätte er den Freund nicht wiedererkannt. Der Blutverlust und das Fieber hatten Miguel geschwächt, aber es war noch mehr hinzugekommen: Skorbut, die Mangelkrankheit, die das Siechtum beschleunigte. Miguels Gesicht hatte sich fast völlig verwandelt, es war eine Fratze des Todes geworden.

      „Miguel!“ schrie Juan.

      Francisco Sampedro sprang auf. Der Feldscher begann zu fluchen. Sampedro eilte zu Juan hinüber, er hatte begriffen. Er war dagegen gewesen, daß der Junge diesen Dienst versah, aber Befehl war Befehl, und schon der geringste Einwand konnte als Versuch zur Meuterei ausgelegt werden.

      Die Deckenbalken des Logis’ wölbten sich Juan entgegen. Die „Gran Grin“, schwer beschädigt, in der aufgewühlten See kaum noch zu manövrieren, krängte von Backbord nach Steuerbord, weil sie unter den verzweifelten Bemühungen des Rudergängers überstag ging und auf den anderen Bug drehte – ein Krachen dröhnte durch das Schiff. Juan fiel, rutschte ein Stück auf dem abschüssig werdenden Deck und prallte gegen einen Kojenpfosten.

      Die Kübel stürzten um, die heiße Wassersuppe ergoß sich auf die Planken. Die Kranken schrien nicht mehr, sie heulten gegen das Sturmtosen an und ließen ihrer Verzweiflung freien Lauf. Der Verlust der Nahrung trieb sie an den Rand des Wahnsinns. Fluchend lief der Feldscher zu einem wild gestikulierenden Mann hinüber und versuchte, ihn zu besänftigen, während Sampedro, der Koch, sich voll Mitleid über Juan Flores beugte.

      „Mir ist schlecht“, keuchte Juan. „Aber das geht gleich vorbei.“

      „Du hast ja Fieber“, stellte der Koch entsetzt fest.

      „Ich habe kein Fieber …“

      „Ich werde dir etwas zu trinken geben, das hilft dir. Ich habe nur noch ein paar Tropfen davon, aber sie stärken deinen inneren Widerstand, glaub es mir“, sagte Sampedro.

      Widerstand? Männliche Kühnheit nach einer Schlacht wie dieser, die die Armada zerrieben, fast ganz vernichtet hatte? Plötzlich erschien es Juan absurd, noch länger den Hartgesottenen zu markieren. Es hatte ja doch alles keinen Zweck mehr.

      Die Gefechte – eine Reihe von furchtbaren, erniedrigenden Kämpfen, eine Niederlage nach der anderen. Das Ende der glorreichen, „unüberwindlichen“ Armada, der Untergang einer Idee …

      Juans Vertrauen in die Macht seines Landes war mit jedem Schiff, das unter dem Beschuß der Engländer zerfetzt worden war, stärker erschüttert worden. Die Brander, ein Meer von Flammen, Panik – und dann die Flucht, dieser schier endlos erscheinende Weg durch die Nordsee nach Norden hinauf, um Schottland herum, an den Hebriden vorbei, an Irlands Westküste entlang – aber Spanien, Bilbao, das geliebte Baskenland lagen immer noch in unerreichbarer Ferne.

      Blessuren. Skorbut. Darmerkrankungen wie Typhus und Diarrhöe. Kein ausreichender Proviant mehr an Bord, und in den Fässern unter Deck faulte das Trinkwasser dahin.

      Jetzt, im Sturm, wuchs die Verzweiflung ins Grenzenlose.

      „Ich will sterben“, flüsterte Juan Flores. „Es ist das Beste, wenn wir alle sterben.“

      Der Feldscher konnte die jammernden Kranken nicht beruhigen, er brüllte sie jetzt an, um sie einzuschüchtern. Die ‚Gran Grin“ hob ihren Bug auf einem heranrollenden Brecher, wieder geriet das Logis in wilde Bewegung. Die Kupferkessel kollerten nach achtern und krachten gegen die Wand.

      Miguel fiel aus seiner Koje. Seine ausgemergelte Gestalt rutschte über die Planken. Juan hatte es gesehen, er richtete sich auf, streckte die Arme aus und fing den Freund auf. Er hielt Miguel fest und redete auf ihn ein, aber dann erstarrte er, denn er hatte festgestellt, daß er einen Toten in den Armen hielt.

      Mit einem Aufschrei ließ Juan ihn los. Er sprang auf und verließ torkelnd das Logis, fand durch den finsteren Gang den Weg zum Niedergang, stolperte die Stufen hoch, stürzte durchs Schott auf die Kuhl und ans Schanzkleid.

      Der Sturmwind heulte, ein neuer Brecher ergoß sich rauschend und gischtend über das Schiff. Juan Flores wehrte sich nicht dagegen, daß die Naturgewalt ihn packte, um ihn außenbords zu heben.

      Aber Hände, so stark wie Eisenklammern, hielten den 18jährigen plötzlich an den Schultern fest. Francisco Sampedro war Juan nachgeeilt und verhinderte es, daß der junge Mann seinem Leben selbst ein Ende bereitete. Er ließ Juan nicht mehr los, auch nicht, als der sich vornüberbeugte und spuckend und würgend der See opferte. Er zerrte ihn schließlich vom Schanzkleid fort, in die Kombüse, wo er ihm einen bitteren Trank aus einer kleinen Flasche einflößte.

      „Eins unserer letzten Medikamente“, sagte Sampedro. „Es ist nicht mehr viel, aber es wird dir helfen, dein Fieber zu überstehen – und deine Verzweiflung.“

      Juan hatte die Hände vors Gesicht geschlagen. Ein trockenes Schluchzen schüttelte seinen Körper. Plötzlich aber riß er sich von Sampedro los, sprang auf und wollte wieder auf die Kuhl hinaus.

      Sampedro war schneller als er. In dem schwankenden Raum verstellte er ihm den Weg und rammte ihm die Faust unters Kinn. Juan prallte zurück, fiel auf den Rücken und blieb vor dem erloschenen Holzkohlenfeuer liegen, über dem ein mächtiger Kupferkessel an einer dicken Eisenkette hin- und herschwang.

      „Du wirst wieder auf die Beine kommen!“ brüllte Sampedro ihn an. „Du bist es deiner Familie schuldig, die zu Hause auf dich wartet! Du wirst keine Dummheiten mehr anstellen – das ist ein Befehl!“

      Juan Flores richtete sich halb auf und schüttelte seine Benommenheit ein wenig ab. Er fühlte sich trotzdem noch elend, spürte Tränen in seinen Augen brennen, aber der Drang zur Selbstvernichtung war vorbei.

      „Ein Befehl“, antwortete er. „Si, Senor. Ich werde wieder gesund. Ich werde zu СКАЧАТЬ