Название: Briefe über den Yoga
Автор: Sri Aurobindo
Издательство: Автор
Жанр: Эзотерика
isbn: 9783963870583
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Ich erinnere mich nicht an das, was ich über Vivekananda sagte. Wenn ich sagte, er sei ein großer Vedanta-Anhänger gewesen, ist es durchaus richtig. Daraus folgt aber nicht, dass alles, was er sagte oder tat, als die höchste Wahrheit oder das Beste schlechthin akzeptiert werden muss. Sein Ideal, zu dienen, seva,war ein Erfordernis seiner Natur und hat ihm sicher geholfen – das besagt aber nicht, dass es als universales spirituelles Erfordernis oder Ideal angenommen werden muss. Ob er, als er es verkündete, Ramakrishnas Werkzeug war, kann ich nicht beurteilen. Es scheint festzustehen, dass Ramakrishna in ihm eine große Macht erkannte, um den Welt-Geist in eine spirituelle Richtung zu lenken, und man darf annehmen, dass die Sendung vom Meister auf den Schüler überging. Die Einzelheiten seiner Tätigkeit sind etwas anderes. Was das „Voranschreiten wie ein Blinder“ anbelangt, so ist dies ein Gefühl, das leicht auftritt, wenn eine Macht, die höher als das eigene Mental ist, einen zu großem Tun drängt; denn das Mental erfasst nicht intellektuell das, zu dem es gedrängt wird; es kann Regungen des Zweifels und Staunens haben – und dennoch muss es weitermachen. Die vedantische Verwirklichung (Advaita) ist die des schweigenden, statischen oder absoluten Brahman – man kann sie erreicht haben und dennoch nicht die gleiche unanfechtbare Klarheit über die Bedeutung des eigenen Tuns besitzen –, denn für den Advaitin liegt der Schatten der Maya über dem eigenen Tun.
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Heute ist ein Berg von Korrespondenz über mich hereingebrochen, und ich konnte über die Menschheit und ihren Fortschritt nichts schreiben. Waren nicht die späteren Ansichten von Lowes Dickinson überschattet von der kränkelnden Manier eines enttäuschten Idealismus? Ich selbst habe keinen übertriebenen Respekt vor der Menschheit und dem, was sie ist – doch zu sagen, es hätte überhaupt keinen Fortschritt gegeben, ist so sehr übertriebener Pessimismus, wie das entzückte Halleluja über eine fortschrittliche Menschheit im 19. Jahrhundert ein übertriebener Optimismus war. Ich werde versuchen die Kapitel, die du mir sandtest, durchzugehen; dass ich es allerdings einrichten kann, Zeit für solche Dinge zu finden, ist ein fortwährendes Wunder und der deutliche Beweis einer Göttlichen Vorsehung.
Ja, es ist ein echter Fortschritt, den du macht – die Zeichen sind deutlich erkennbar. Und schließlich ist der beste Weg, der Menschheit zum Fortschritt zu verhelfen, der, selbst vorwärts zu schreiten; das mag individualistisch oder egoistisch klingen, stimmt aber nicht – es ist gesunder Menschenverstand. Wie die Gita sagt: „Was immer die Besten tun, nehmen die Übrigen sich als Beispiel!“
Es gibt immer ungeläuterte Teile, durch welche die Menschen zurückgeworfen werden – und wer wäre nicht gespalten? Doch das beste ist, Vertrauen in die Seele zu haben, jenen Funken des Göttlichen zuinnerst, und diesen zu hegen, bis er sich zu einer ausreichenden Flamme erhebt.
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Es ist sinnlos, derartige Gefühl zu hegen. Man muss die Welt erkennen, ohne bitter zu werden; Bitterkeit hat ihren Ursprung im eigenen Ego und seinen enttäuschten Erwartungen. Wenn man den Sieg des Göttlichen will, muss man ihn zuerst in sich selbst erlangen.
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Das erste Erfordernis für den Sadhak ist, sich vor allem auf das eigene spirituelle Wachsen, die eigene spirituelle Erfahrung zu konzentrieren – der Eifer, anderen zu helfen, lenkt von der inneren Arbeit ab. Spirituell zu wachsen, ist die größte Hilfe, die man anderen geben kann, denn dann geht etwas Hilfreiches in natürlicher Weise auf sie über.
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Sich derart an das Tun zu klammern ist absurd, solange man nicht das Licht erlangt hat, durch das man handeln muss. Der Satz „Yoga muss das Leben mit einbeziehen und nicht ausschließen“ bedeutet nicht, dass wir das Leben, so wie es ist, in all seiner strauchelnden Unwissenheit anzunehmen haben, in seinem Elend und dem dunklen Gemisch aus menschlichem Willen, Verstand, Impuls und Instinkt, deren Ausdruck es ist. Diejenigen, die das Tun verfechten, glauben, dass durch den menschlichen Verstand und die menschliche Energie, die immer von neuem losstürmen, schon alles ins rechte Lot kommen werde; der gegenwärtige Zustand der Welt nach der Entfaltung des Intellektes und einer gewaltigen Energie-Produktion, für die es keine historische Parallele gibt, ist ein deutlicher Beweis für die Nichtigkeit dieser Illusion, die ihr Tun überschattet. Yoga geht davon aus, dass allein durch eine Veränderung des Bewusstseins die wahre Basis des Lebens entdeckt werden kann; von innen nach außen ist hier die Regel. Doch bedeutet innen nicht ein Viertelzentimeter hinter der Oberfläche. Man muss tief nach innen gehen, man muss die Seele finden, das Selbst, die Göttliche Wirklichkeit zuinnerst; nur dann kann das Leben der wahre Ausdruck dessen werden, was wir zu sein vermögen, und es besteht nicht länger aus der blinden, immer wiederkehrenden wirren Trübheit jener unzureichenden und unvollkommenen Dinge, die wir waren. Wir haben zu wählen, ob wir in dem alten Durcheinander bleiben wollen, umhertastend und auf irgendeine Entdeckung hoffend, oder ob wir uns loslösen und das innere Licht suchen wollen, bis wir die Gottheit in uns und um uns entdecken und errichten können.
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Ich habe Xs Hinwendung zum Yoga, die die bessere Seite seines Aktivismus hätte ergreifen sollen, niemals allzu sehr getraut; zwei starke Fesseln in ihm verhindern diese, und zwar Ehrgeiz und das Bedürfnis zu handeln im Vital und geistiger Idealismus im Mental; diese beiden Dinge sind eine Brutstätte der Illusion. Der spirituelle Pfad erfordert eine gewisses Maß an Idealismus, man hat den wahren Wert der bestehenden Dinge zu erkennen, der – außer als Stufen in der Evolution – ein sehr geringer ist. Man kann daher entweder dem spirituell-statischen Pfad der Ruhe und Loslösung folgen oder dem spirituell-dynamischen Pfad einer größeren Wahrheit, die in das Leben herabgebracht werden muss.
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Natürlich, Tagore gehörte einem Zeitalter an, das an seine Ideen glaubte und dem seine Fehlschläge schöpferische Bestätigungen waren. Das ergibt einen gewaltigen Unterschied. Deine Kritik bezüglich seiner späteren Entwicklung mag richtig sein oder nicht, doch war gerade diese Mischung der Ton des Tages und drückte die fühlbare Hoffnung einer Verschmelzung mit etwas Neuem und Wahrem aus – daher war sie schöpferisch. Doch durch das gewaltige feindliche Geschehen ist jeglicher Idealismus in Stücke zerschlagen worden; nun versucht jeder, dessen Schwäche aufzuzeigen, doch weiß niemand, womit er ersetzt werden soll. Sicher nicht weiterhelfen wird uns diese Mischung aus Skeptizismus und Phrasen, wie „Heil Hitler“, dem faschistischen Gruß, dem Fünf-Jahres-Plan und dem Versuch, jedermann in eine amorphe Form zu hämmern – eine enttäuschte Leugnung aller Ideale einerseits und andererseits ein blindes Eintauchen in den Morast in der Hoffnung, dort eine feste Grundlage zu finden. Und was gibt es sonst noch? Solange keine neuen, spirituellen Werte entdeckt werden, ist keine große, dauernde Schöpfung möglich.
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Es ist seltsam, diese Intellektuellen sprechen immerzu vom Erschaffen, während sie lediglich dazu in der Lage sind, sich in das Nichts zu stürzen, ohne auch nur einen Finger dagegen rühren zu können. Was wollen sie erschaffen und aus welchem Stoff? Und außerdem, was nützt es, wenn jeden Augenblick ein Hitler mit seinem Knüppel oder ein Mussolini mit seinem Rizinusöl kommen kann, um es auszuwischen oder in Stücke zu schlagen.
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Ja, der menschliche Verstand ist ein sehr angenehmes und gefälliges Instrument und arbeitet hauptsächlich in den Bahnen, die von Interesse, Vorliebe und Vorurteil festgelegt wurden. Die Politiker argumentieren falsch oder unaufrichtig und besitzen die Macht, die Resultate ihrer Argumentationen zu erzwingen, und verpfuschen so die Belange der Welt. Die Intellektuellen СКАЧАТЬ