Menschen und andere Tiere. Mara-Daria Cojocaru
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Название: Menschen und andere Tiere

Автор: Mara-Daria Cojocaru

Издательство: Автор

Жанр: Афоризмы и цитаты

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isbn: 9783534746446

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СКАЧАТЬ (no pun intended), geht oft auch einher mit Fatalismus: „Ja, so ist der Mensch, er kann nicht anders – und ich bin auch nur ein Mensch.“ Dabei geht es gar nicht darum, dass einzelne Menschen zu besseren Menschen werden, sondern darum, dass die Menschheit sich verbessert – und das tut sie schon seit eh und je. Das ist ein wesentlicher Bestandteil meiner Argumentation. Die Menschheit verbessert sich jedoch nicht im Sinne einer Fortschrittsgeschichte, bei der wir auf eine Utopie moralischer Perfektion zusteuern, sondern im Sinne des kontinuierlichen und nachhaltigen Lösens von Problemen. Dass es dabei hilft, wenn Individuen sich darum bemühen, die vermeintlichen Grenzen des Menschen in Form etablierter und bisweilen fraglos akzeptierter Praktiken zu überschreiten, ist richtig. Unter Menschen gab es auch immer moralische Pionier*innen. Es geht aber nicht um die moralische Exzellenz von Individuen als solche. Es geht darum, dass sie Ausdruck und Vorbild moralischen Fortschritts ist. Dafür ist eine normative Sichtweise des Menschen unerlässlich, die dazu motiviert, sich etwas aus dem Menschen und den anderen Tieren zu machen. Dabei sind Optimismus und Methode notwendig, um erst einmal richtig Tier zu werden – und andere Tiere in den Blick zu bekommen.

      Was und wie der Mensch ist, ist eine unbeantwortete Frage – das hoffe ich gezeigt zu haben. Diese Frage wird auch in ihrer einfachsten Form unbeantwortet bleiben. Doch um besser erkennen zu können, was im Hinblick auf das durch und durch komplizierte Zusammenleben mit anderen Tieren eine Antwort sein kann, hilft es, so denke ich, als Mensch erst einmal das Tier-Werden als Aufgabe zu begreifen.

      3.3„Tierwerden“ als Aufgabe

      Zu Beginn dieses Kapitels habe ich gesagt, der Mensch sei ein Tier und zugleich noch nie richtig Tier gewesen. Insofern der Mensch als Sozialwesen im Sinne einer Anthropologie über sich selbst kommuniziert und damit normativ auf seine Lebensform zurückwirkt, ist das Projekt einer Bestimmung im Sinne einer Fest-Stellung der menschlichen Natur unmöglich. Die lange und traditionsreiche Geschichte dieser menschlichen Reflexionsform sowie der faktische, interkulturell und historisch vergleichend feststellbare Pluralismus dürften dafür sprechen, dass Menschen so lange über sich selbst reden werden, wie es Menschen in der bekannten sozial organisierten und kommunikativ veranlagten Form gibt. Interessant ist nun im Weiteren, wie die Redeweise vom Menschen als einem Tier, die eine Verwandtschaft von Menschen und anderen Tieren betont, dazu führen könnte, dass Menschen normativ nicht nur auf den Umgang untereinander, sondern auch auf den mit anderen Tieren einwirken können. Weil sich in den bisherigen, auch emotionalen Reaktionen auf diese Redeweise gezeigt hat, dass der genannte kulturgeschichtliche Dualismus, der mit einer Abwertung von Tieren einhergeht, sehr wirkmächtig ist, gilt es zuallererst, diesen zu überwinden. Midgleys Weg einschlagend, kann das über eine ethologisch informierte Anerkennung unserer eigenen Tierlichkeit und eine Offenheit ihr gegenüber funktionieren. Dadurch lässt sich vor allem der „Mythos des Tierischen“ dekonstruieren, der sowohl die Interpretation anderer Tiere als auch diejenige der eigenen Tierlichkeit beeinflusst. In konstruktiver Hinsicht geht es dann zunächst darum, das, was uns als sozial organisierte Säugetiere ausweist, daraufhin zu prüfen, wie es sich im Miteinander von Menschen und Tieren bewährt. Damit werden Emotionen in Politik und Moral berührt. Bevor ich mich im nächsten Kapitel der Frage widme, warum man diese für die, auch politische, Verbesserung von Mensch-Tier-Beziehungen nutzen sollte, erwähne ich hier zunächst drei pragmatische Tugenden, die zur optimistischen Grundausstattung gehören, ohne welche die Aufgabe, Tier zu werden, nicht zu bewältigen ist.

      Als Mensch Tier zu werden beinhaltet nun gerade nicht das derzeit schick gewordene Hineinschlüpfen in andere Arten, indem man sich in Tierbauten zwängt, versucht, wie sie zu jagen, und sich Wind, Wetter und Gefahren auszusetzen. Wie schon Thomas Nagel feststellte, erfahren wir bei diesen Experimenten im Zweifelsfall primär, wie es für uns als Menschen ist, ein bestimmtes Tier zu sein (oder zu spielen), aber das ist hier nicht der Punkt.26 Das Problem ist, dass damit wieder im „Tier“ die Kulturferne und der Abstand zum Menschen betont werden. Das kommt schon dadurch zum Ausdruck, dass „Tier“ hier im Sinne von „Biest“ gemeint ist, im Sinne des Wilden, des ganz Anderen.27

      Diesem Konzept des „Tiers“ bzw. des „Tierischen“ hat sich Midgley ausführlich gewidmet und zwar primär nicht in tierethischer Absicht, sondern um aufzuweisen, wie die Missverständnisse und Verwirrungen rund um den Begriff der menschlichen Natur ihren Ursprung in dieser mythischen Abgrenzung haben. Mit einem entsprechend verzerrten Blick auf die menschliche Natur wird es ihr zufolge unmöglich, ethische Theorien zu entwickeln, welche die Vielfalt des menschlichen Lebens würdigen und moralische Ernsthaftigkeit und lebensweltliche Relevanz aufweisen.

      Das generische Tier fungiert typischerweise als Inbegriff des kultur-, moral- und gesetzlosen Wesens, das es gerade auch im Menschen mit dem „inneren Tier“ (Schweinehund, Wolf usw.) zu unterdrücken gilt; just diese Tiere aber gibt es gar nicht, und in diesem Sinne versteht der Mensch nicht nur andere Tiere falsch, sondern sich selbst auch in dem, was ihm als Tier jedenfalls teilweise eine Ordnung vorgeben kann. Wölfe interessieren Midgley an dieser Stelle besonders. Aber was sie sagt, trifft auch auf die meisten anderen verkannten Tiere zu:

      Wirkliche Wölfe ähneln der Märchenfigur des Wolfes also wenig, und das Gleiche gilt für Menschenaffen und andere Lebewesen. Aber eben diese Märchenfigur ist bei Philosophen besonders beliebt gewesen. Sie haben üblicherweise die populäre Vorstellung regelloser Grausamkeit übernommen, die solchen Begriffe wie ‚brutal‘‚ ‚tierisch‘, ‚bestialisch‘, ‚animalische Begierden‘ usw. zugrunde liegt, und sie haben sie ohne weitere Unterscheidungen als Kontrastfolie für die Bestimmung der menschlichen Natur genommen. Der Mensch ist vermessen worden mit Bezug auf einen Orientierungspunkt, der weitgehend fiktiv ist.28

      Dass der Mensch – und nachgerade einzig der Mensch – die Anlage zu extremer Brutalität und Gesetzlosigkeit hat, verschweigt Midgley eben nicht, und in diesem Sinne ist der Mythos, der besagt, dass es im Menschen etwas Derartiges gibt, wieder nicht ganz falsch.29 Das hat nur laut Midgley nichts mit dem inneren Tier zu tun, sondern vielfach gerade mit der Unterdrückung sozialer Instinkte, aber auch mit suboptimalen Umweltbedingungen. Mit der Subsumption all dessen, was in der Geschichte des Menschen zweifellos beklagenswert ist, unter den Begriff des Tierischen gerät aber just das aus dem Blick, was Ordnung und ein gedeihliches Miteinander möglich macht. Übersehen wird dann auch, dass der Kontext zumindest mitbestimmt, wie menschliche Verhaltensformen im konkreten Fall zu bewerten sind. Aggression und die Bereitschaft, sich auf eine Auseinandersetzung über Güter, materielle oder immaterielle, einzulassen, ist mit einer Vielzahl an Praxisformen verbunden, die nicht einfach als schlecht zu bezeichnen sind – von der Kritik über Sport bis hin zu politischen Auseinandersetzungen (auf das Thema Wut gehe ich in Kapitel 7 ein).

      Die Aufgabe, anzuerkennen, dass der Mensch auch ein Tier ist, muss aber mehr beinhalten als kontextspezifisch oder kulturrelativ Ausprägungen menschlichen Sozialverhaltens zu loben oder zu verurteilen, wenn daraus eine hilfreiche Form der normativen Anthropologie werden soll. Tatsächlich meint Midgley ja, dass uns unsere Tierlichkeit eine Ordnung jedenfalls zu einem Teil vorgibt.30 Was kann das heißen?

      Midgleys Gedanken berühren sich insofern mit dem Ansatz der quietistischen Essenzialist*innen, als sie die Eigenschaft, sozial organisiertes Säugetier zu sein, für Menschen für nicht verhandelbar hält.31 Sie geht darüber aber pragmatisch hinaus, weil sie sich nicht nur für die Begrenzungen, sondern auch für die Möglichkeiten der menschlichen Natur interessiert und weil sie, statt von Aristoteles und Thomas von Aquin herkommend, von Darwin und Aristoteles ausgeht. Darüber hinaus nimmt sie, insbesondere in Bezug auf das tierethische und -politische Feld, eine interessante Sonderstellung ein, da bei ihr die natürliche Tendenz des Menschen, das Eigene und mithin die für die eigene gehaltene Art zu bevorzugen, in einem produktiven Wechselverhältnis zu dem als ebenso natürlich begriffenen Interesse für das Fremde und mithin auch für nicht menschliche Arten steht.32 Dass die Beziehungen zwischen Menschen und anderen Tieren ethisch und politisch relevant sind, begründet sie weniger mit dem Rückgriff СКАЧАТЬ