Krähwinkeltod. Thomas L. Viernau
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Название: Krähwinkeltod

Автор: Thomas L. Viernau

Издательство: Автор

Жанр: Триллеры

Серия:

isbn: 9783967525151

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СКАЧАТЬ inzwischen Nachwuchs. Die fehlende Generation der jetzt Vierzigjährigen hätte eigentlich den Staffelstab übernehmen sollen, aber die war einfach nicht mehr da.

      Die Überalterung brachte große Probleme mit sich. Immer mehr Häuser standen zum Verkauf, immer mehr Dörfer wurden zu Geisterdörfern. Ein Prozess, der unumkehrbar war. Denn neben der verlorengegangenen Generation der Vierzigjährigen fehlte natürlich auch deren Nachwuchs.

      Nur selten siedelten sich hier im Niemandsland Großstadtflüchter an. Die bevorzugten den Berliner Speckgürtel mit seiner guten Infrastruktur und der Nähe zur Metropole.

      Also Golm, ein Lehrer. Linthdorf klingelte nun schon das dritte Mal. Endlich kam Bewegung. Eine Tür wurde geöffnet.

      Vor Linthorf stand ein älterer Herr in bequemer Strickjacke und mit einer Pfeife zwischen den Zähnen, auf der er genüsslich herumkaute. Wie er da so stand, hätte er gut und gerne auch als Mittfünfziger durchgehen können. Wache Augen, ein federnder Gang und braungebrannt, wie gerade aus dem Urlaub gekommen. So präsentierte sich Herbert Golm dem Kommissar.

      »Was gibt’s?«

      Er ließ sich nicht anmerken, dass er überrascht war von dem Besuch. Seine Augen musterten Linthdorf, als ob er ein Staubsaugervertreter sei. Erst als der sich vorstellte und seinen Dienstausweis hervorholte, änderte sich der misstrauische Gesichtsausdruck.

      »Kommen Sie herein.«

      Das Haus Nummer Zwölf war ein Neubau aus den sechziger Jahren. Der Rauputz hatte inzwischen eine solide Graufärbung angenommen. Die Fenster waren allesamt frisch gestrichen, der kleine Garten machte einen gepflegten Eindruck.

      Eine Garage war erst später angebaut worden. Sie wirkte seltsam fremd in der genügsamen Wohnwelt der Nummer Zwölf. Sie war blendend weiß gestrichen, hatte ein futuristisches Aussehen und wirkte ein bisschen protzig.

      Golm führte seinen Gast in ein geräumiges Wohnzimmer, das mit Bücherregalen vollgestellt war. Ein großer schwarzer Ledersessel verriet, dass der Besitzer genau hier die meiste Zeit verbrachte. Direkt neben dem Sessel lagen auf einem Beistelltisch ein paar aufgeklappte Bücher, eine Kaffeetasse stand ebenfalls in Griffweite und der Aschenbecher für den Pfeifentabak.

      Golm nahm in seinem Sessel Platz, bot Linthdorf einen bequemen Polsterstuhl an, der zu dem runden Tisch gehörte, der sich in der Mitte des Zimmers befand.

      Zwei große Fenster ließen genügend Licht in das Zimmer fallen, so dass man ohne Probleme tagsüber lesen konnte. Golm war Junggeselle. Er lebte hier seit seiner Kindheit. Seine Eltern waren vor über zwanzig Jahren gestorben. Sie hatten damals in den frühen Sechzigern das Haus erbaut. Er hatte studiert, war verbeamteter Lehrer am Gymnasium in Wittstock und seit einem Jahr pensioniert.

      Linthdorf konnte mit einem Blick auf die Bücherwand sofort erkennen, welche Fachgebiete Golm unterrichtete. Es war unschwer zu erraten, überall standen Bücher zu physikalischen und astronomischen Themen herum. Auch auf dem Tisch lag ein dicker Wälzer, der sich mit der Stringtheorie beschäftigte. Gleich daneben ein Büchlein über die exotische Welt der Quanten, der kleinsten Bestandteile einer unsichtbaren Welt, des Mikrokosmos.

      »Sie ahnen sicherlich, weshalb ich hier bin. Es geht um den Toten, der unweit Ihres Hauses im Straßengraben gefunden wurde.«

      Golm nickte bedächtig. Natürlich hatte er am Sonnabend den Aufmarsch der Polizeikarawane gesehen. Von seinem Küchenfenster aus hatte er einen direkten Blick auf die Landstraße.

      Schnell hatte es sich im Dorf herumgesprochen, dass der Tote ein junger Bursche gewesen war, den keiner zu kennen schien. Er hatte keinen Blick auf den Toten geworfen. Es war ja auch alles abgesperrt. Und zu den Gaffern wollte er sich nicht stellen.

      Ob er in der letzten Woche etwas Ungewöhnliches bemerkt habe? Fremde Leute? Oder fremde Autos, die im Ort parkten?

      Golm zuckte mit den Schultern, er ging nicht oft im Dorf spazieren. Wohin auch? Innerhalb von fünf Minuten war man am anderen Ende angekommen. Meist lagen die paar Häuser verlassen und still da. Er hatte wenig Kontakt zu den Leuten, galt ein bisschen als Sonderling, der sich mit Dingen beschäftigte, die den meisten Dorfleuten suspekt waren. Er wurde auch der Sternengucker genannt.

      Da fiel Golm wieder sein nächtliches Erlebnis vom Mittwoch ein. Er wollte Uranus beobachten. Doch dann war da der Schrei …

      Mein Gott! Ob der Schrei zu dem Toten gehört hatte? Er war sich nicht sicher, hatte den Schrei schon wieder vollkommen aus seinem Gedächtnis gestrichen.

      Er berichtete dem Kommissar von dem nächtlichen Schrei, auch, dass er auf die Straße gelaufen war, aber nichts gesehen hatte.

      Wann das denn gewesen sei?

      So gegen Drei. Ja, er hatte sich gerade einen Kaffee eingegossen, denn immer so gegen Drei wurde er müde. Da sei er sich ganz sicher.

      Was das denn für ein Schrei gewesen sei?

      Naja, klang schon etwas gruselig, so langgezogen und überhaupt, er habe gedacht, es sei ein Tier im Todeskampf.

      Linthdorf notierte eifrig, was Golm erzählte.

      Ob er sonst noch etwas bemerkt habe?

      Golm ließ sich noch einmal die Ereignisse der letzten Sternenbeobachtung durch den Kopf gehen. Saturn, Uranus … Es war ein klarer Himmel in dieser Nacht. Seitdem verdeckten Wolken den Blick zu den Sternen. Der Schrei, der so unbarmherzig lange andauerte, die Straße, die still und friedlich… Halt! Der Schatten, da war ja auch noch der Schatten!

      Golm hielt ihn für eine streunende Katze oder einen Marder. Es könnte aber auch … Aber im Dunkel der Nacht waren Konturen nicht zu erkennen gewesen. Auf alle Fälle bewegte sich der Schatten zu dem unbewohnten Haus Nummer Sieben, dass nun schon seit ein paar Jahren verlassen war. Kein Mensch kümmere sich um die Sieben. Eigentlich schade, war immer ein schöner Hof.

      Linthdorf hatte inzwischen aus seiner Tasche ein Foto hervorgeholt. Ein blasses, schmales Gesicht war darauf zu sehen.

      Die Augen waren geschlossen, als ob er schliefe. Die Haare zurückgekämmt, die Ohren standen etwas ab, Segelohren wurden die wohl genannt. Eine gewisse Strenge strahlte das Gesicht aus. Ein Foto, ohne Emotionen, ohne Glanz und Glamour. Sachlich wie eine Illustration für ein Biologielehrbuch. Das Gesicht war vielleicht Mitte Zwanzig, eher jünger. Es gehörte dem Toten.

      Golm warf einen Blick darauf. Schwer erkennbar, wie der Junge mal lebendig ausgesehen haben könnte. Für einen Moment glaubte Golm ein paar bekannte Züge erkannt zu haben, aber das täuschte wohl. Nein, das Gesicht gehörte einem Unbekannten, da sei er sich sicher.

      Linthdorf registrierte den kurzen Moment in Golms Augen, in denen er sich an irgendjemanden zu erinnern schien. Immerhin, er hatte einen ersten Anhaltspunkt, wann das Verbrechen genau passiert war. Und er bekam eine Bestätigung dafür, dass Fundort und Tatort höchstwahrscheinlich übereinstimmten.

      Der Mord geschah also direkt vor dem schlafenden Dorf.

      Wollte das Opfer ins Dorf flüchten oder kam es aus dem Dorf? War er vielleicht in dem leeren Haus Nummer Sieben gewesen? Kannte er möglicherweise das Dorf oder ein paar seiner Einwohner? Oder war alles nur purer Zufall?

      Ein Auto, ja, ein Auto war Golm nicht aufgefallen, er habe auch keines wegfahren hören in der Sternennacht. Außer dem Schrei und dem Schatten wäre nichts weiter gewesen.

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