Название: Kranichtod
Автор: Thomas L. Viernau
Издательство: Автор
Жанр: Триллеры
isbn: 9783967525113
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Linthdorf grüßte freundlich, schaute höflich auf die beiden Herren herab, die mit ihrer sauertöpfischen Mimik zur richtigen Stimmung an diesem Tag beitrugen. Umständlich stellte Nägelein seinen Begleiter vor: »Ja, also, Herr Linthdorf, Herr Dr. Knipphase. Also, Herr Dr. Knipphase vom BKA wird die neue Einsatzgruppe koordinieren, also bundesweit. Sie werden sich ja jetzt ...«
Er schaute etwas nervös auf seine dezent glänzende Armbanduhr, ein sündhaft teures Liebhaberstück aus dem Hause »Glashütte«, für das Linthdorf gut und gerne ein ganzes Jahresgehalt hätte ausgeben müssen.
Linthdorf hatte das unbestimmte Gefühl, dass hier sein Chef den BKA-Mann irgendwie beeindrucken wollte. Eigentlich waren auf den Gängen und Fluren des LKA überall große Funkuhren installiert, die von allen Winkeln aus gut zu sehen waren. Er selber trug deshalb auch nur sehr selten eine Uhr. Das Armband fühlte sich für ihn wie eine Art Fessel an, die er nur ungern spüren wollte. Es war eine Zeitfessel, die ihn stets gemahnte, pünktlich zu sein und damit eine wesentliche Quelle für Stress. Linthdorf hatte diese Zeitfessel daher, so oft es ihm möglich war, abgelegt. In seinem Schreibtisch lag eine Armbanduhr, in seinem Wagen ebenfalls, und zu Hause auf dem großen alten Radio lag noch eine. Allesamt Weihnachtsgeschenke von seinen Söhnen, die immer wieder bemerkten, dass er fast nie mit Uhr unterwegs war.
Er nickte flüchtig zu den Ausführungen Nägeleins und war froh, diese Begegnung auf das Notwendigste beschränkt zu haben. Er eilte schnell durch die Gänge in Richtung seines Büros um Mantel und Hut abzulegen und ein paar Unterlagen zu schnappen, mit denen er im großen Konferenzsaal seinen Platz etwas dekorieren konnte.
Es machte immer einen guten Eindruck, wenn man nicht an einem blanken Tisch saß, sondern etwas vor sich aufgebaut hatte. Linthdorf hatte durch lange Jahre Polizeidienst diese Erfahrung gemacht und damit stets wohlwollende Blicke auf sich gezogen. Meist verzierte er diverse Blätter mit kleinen Zeichnungen. Spiralen, die manchmal zu Schneckenhäusern wurden oder auch futuristische Raumschiffe, die durch die unendlichen Weiten des Alls düsten.
Er lächelte jedes Mal, wenn ihn die Kollegen fragten, was er da immer so mitschrieb. Die Vorträge waren doch meist vollkommen langweilig. Zumal man in einer sorgfältig zusammengestellten Mappe den Inhalt des Vortrags in kopierten Blättern noch einmal ausgehändigt bekam.
Die heutige Sitzung schien allerdings wenig Zeit für solche kleinen Fingerübungen zu lassen. Linthdorf ahnte, dass es komplizierte Fragen zu klären gab und eine Menge unangenehmer Arbeiten auf ihn zukommen würden. Der einzige Trost war, dass Louise Elverdink mit ihm zusammen arbeiten sollte.
Im Sitzungssaal A II waren bereits fast alle Plätze besetzt. Linthdorf sah einige vertraute Gesichter, aber größtenteils waren ihm die Leute unbekannt. Am anderen Ende der U-förmig angeordneten Tische sah er auch Louise Elverdink. Sie sah noch genauso aus, wie im Frühjahr. Das dunkle Haar straff zurückgekämmt und von einem Haarband zusammengehalten, die dunkel geränderte Brille korrekt auf der Nase sitzend, grüßte sie ihn mit einem flüchtigen Lächeln.
Linthdorf nahm auf einem der wenigen, freien Stühle Platz. Kurz nach ihm traf auch der missmutig blickende Dr. Knipphase zusammen mit seinem Chef ein. Beide setzten sich auf die beiden Plätze an der Stirnseite. Umständlich begrüßte Dr. Nägelein alle Anwesenden, stellte dann jeden einzeln kurz vor. Linthdorf stellte fest, dass die meisten Mitarbeiter der Steuerfahndungsbehörde waren und eigentlich dem Finanzministerium unterstanden. Ein paar Computerspezialisten waren auch dabei, die sahen etwas verwahrlost aus und schauten eher gelangweilt in die Runde. Aber immerhin, auch sechs Polizisten waren hier versammelt. Nägelein übergab jetzt das Wort an seinen Nachbarn Knipphase. Der begann mit monotoner Stimme kurz das Anliegen seiner Behörde an diese so eigentümlich besetzte Runde nahe zu bringen.
Natürlich es ging um Geld, viel Geld. Geld, das dem Staat zustand und nicht vorhanden war. Jedenfalls nicht offiziell. Mit ernstem Gesicht warf er mit Zahlen um sich, die Linthdorf nur als eine abstrakte Anhäufung von Nullen erschienen.
Es ging um Millionen und Milliarden, sogar von Billionen war die Rede. Linthdorf versuchte im Kopf sich eine Billion vorzustellen. Eine Zahl mit zwölf Nullen, übersichtlich angeordnet in Dreiergruppen. Jede Dreiergruppe war ein Multiplikator mit Tausend. Also Tausend Milliarden waren eine Billion. Schon die Zahl Milliarde war schwer begreifbar. Sie hatte nur neun Nullen. Das waren Tausend Millionen.
Er begann nachzurechnen, wie viele Jahre er arbeiten müsste, um diese Zahl zu verdienen. Er kam auf schwindelerregende 25000 Jahre! Das war jenseits dessen, was man durch seriöse Arbeit verdienen konnte. Wie haben es einzelne Menschen nur geschafft, soviel Geld heimlich am Fiskus vorbeizubringen? Ja, wie haben sie es überhaupt geschafft, in den Besitz solcher immensen Reichtümer zu gelangen? Und nun sollte er solche Raffkes jagen!
Wie kam man diesen Leuten auf die Spur? Zog sich die Spur des Geldes wie ein roter Faden durch ihr Leben? Wahrscheinlich waren da diese Computermenschen gefragt. Die konnten mit ihren unheimlichen Fähigkeiten diese Spuren ausfindig machen im Labyrinth der unsichtbaren Zahlen, versteckte Kontenbewegungen herausfinden und die Wege des Geldes nachvollziehen.
Knipphase berichtete inzwischen etwas über kriminelle Machenschaften von Firmen, die nur als Papiertiger fungierten, also überhaupt keinerlei nennenswerte Wirtschaftsaktivitäten vorweisen konnten, dafür aber einen Geldverkehr hatten wie ein mittleres Bankhaus. Meist waren es sogenannte Investmentgesellschaften, die als Projektentwickler agierten. Oftmals zapften solche Firmen öffentliche Geldtöpfe an, die in der Hoffnung, Investitionen in strukturschwachen Regionen zu tätigen, meist sehr bereitwillig große Summen diesen Papiertigern zur Verfügung stellten.
Natürlich war dieses Geld schnell verschwunden. Die Firmen meistens auch. Speziell solche kriminellen Vereinigungen waren ins Fadenkreuz der Bundesbehörde gerückt. Der Zwang zum Einsparen hatte in den oberen Etagen zu unkonventionellen Denkansätzen geführt. Von interdisziplinärer Zusammenarbeit war da jetzt die Rede und von schnellen und kurzen Informationswegen. Ein bundesweit agierendes Netz von diversen Behörden wurde installiert und auch das LKA in Potsdam war mit eingebunden.
Besonders hier in Brandenburg, das als strukturschwach und damit anfällig für die Attacken solcher kriminellen Firmen galt, gab es Anzeichen für diese Art von Wirtschaftskriminalität. Meist agierten diese Leute hart am Rande der Legalität und waren mit herkömmlichen Mitteln kaum zu fassen.
Daher sollten professionelle Ermittler die Arbeit der Steuerfahnder und Computerspezialisten ergänzen. Knipphase knallte eine dicke Mappe auf den Tisch.
»Meine Damen und Herren! Hier drin befindet sich Arbeit für die nächsten Monate. Es ist eine Zusammenstellung von Firmen und Gesellschaften, die möglicherweise in unser Schema passen und neben Steuerhinterziehung auch Kreditbetrug und Veruntreuung öffentlicher Gelder auf dem Kerbholz haben. Wir werden daher mit Hochdruck an der Aufklärung solcher Delikte arbeiten. Was wir Ihnen hierbei an Unterstützung geben können, wird auch gemacht. Wir werden Sie so viel wie nur möglich dabei aktiv unterstützen, diese Machenschaften einzudämmen und die Täter dingfest zu machen. Scheuen sie sich nicht, selbst bei großen Namen investigativ tätig zu werden. Damit viel Erfolg bei den Ermittlungen.«
Alle Teilnehmer der Runde nickten nur. Ein Mitarbeiter verteilte Mappen mit Kopien der Listen, die Knipphase so theatralisch auf den Tisch geknallt hatte. Die Computerleute fingen an, nervös auf ihren mitgebrachten Notebooks herum zu hämmern. Die Steuerfahnder blätterten mit ernstem Blick die Listen durch, zogen ab und zu eine Augenbraue nach oben. Sie hatten den typischen Insiderblick.
Die sechs LKA-Leute saßen erst einmal still da und ließen das Gesagte auf СКАЧАТЬ