Unsere Popmoderne. Marc Degens
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Название: Unsere Popmoderne

Автор: Marc Degens

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Schöner Lesen

isbn: 9783955660055

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СКАЧАТЬ Ray war so gottverdammt katholisch. Hätte er geahnt, dass ich heimlich die Pille nahm, er hätte mich sofort verlassen.

      Dabei hatten wir fast nie Sex, auch nicht am Anfang. Ray war ein lausiger Liebhaber. Er roch schlecht, seine Haut war alt und faltig, sein Körper labberig wie ein rohes Steak. Seine Ex-Frau hatte mich gewarnt, leider vergeblich.

      Ray hatte andere Stärken. Doch die zeigte er auf der Arbeit, im Büro. Jeden Werktag von acht bis fünf. Zum Glück sahen wir uns nicht oft.

      Bobby schlabberte beim Versuch, einen Schluck aus seiner Flasche zu nehmen, ein Bierbächlein rann an seinem Hals herab, mir wurde flau vor Lust, und ich schob meine Beine noch weiter auseinander.

      Was Bobby an Amy fand, blieb mir rätselhaft. Vermutlich war sie bloß ein weiterer Strich auf seiner sicherlich beachtlichen Entjungferungsliste.

      Amy war eine törichte Highschool-Göre, sweet little sixteen, all ihre Gedanken kreisten um Pferde und Filmstars, den ganzen Abend über hatte sie keinen einzigen vernünftigen Satz geäußert.

      Nach dem Essen hockten wir uns zu viert vor den Fernsehapparat, Ray stellte Bobby unentwegt plumpe, eifersüchtige Schwiegerpapafragen.

      Ich hielt es nicht mehr aus, schloss mich im Klo ein und zog mir ein Purpfeifchen durch. Danach ging alles besser.

      Kurz darauf machte Ray auch schon schlapp, um kurz nach zehn, wie jeden Abend. Er ging zu Bett, »gute Nacht, Schatz, schlaf schön, morgen wird ein harter Tag!« Küsschen links, Küsschen rechts.

      Mir gefiel Bobby, er sagte nicht viel, sah einfach nur gut aus. Helle, graublaue Augen, schulterlanges Haar, keine Frisur, keine Muskeln – ein typischer College-Boy.

      Amys Quengeln wurde immer heftiger. Sie wollte, dass Bobby endlich neben ihr in seinen Schlafsack stieg. Kuscheln, streicheln, Zungenküsse. Ihr Gähnen wurde langsam unerträglich. Schließlich fuhr Bobby sie genervt an, dass sie sich doch schon schlafen könne, er komme gleich nach. Amy fing fast an zu heulen, das arme Ding.

      So saßen Bobby und ich also nur noch zu zweit da, über eine Stunde lang, unsere Geilheit zog uns aus, wir waren stumm, gierig, unersättlich. Dann beugte ich mich vor, zündete mir eine Zigarette an und flüsterte Bobby ins Ohr: »Komm, Bobby, küss mich unten. Verwöhn mich mit deiner Zunge. Los, schleck mich aus, du Sau!«

      Er schaute mich an, nicht im geringsten überrascht, und schritt sogleich zur Tat.

      »Ja, Mrs. Williams.«

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      In ihrem ersten Roman »Einer ist zu viel – zwei sind zu wenig« gewährt die vierundvierzigjährige amerikanische Schriftstellerin Magee P. Williams offenherzige Einblicke in ihr Eheleben, protokolliert die promovierte Skandinavistin ihre zahllosen Affären und Seitensprünge und berichtet von ihrer jahrzehntelangen Alkohol- und Tablettensucht. Das Buch, das Howard Stern in seiner Talksendung empfahl, sorgte in den USA unter anderem auch deshalb für Aufsehen, weil Williams seitenlang gegen ihre Schwiegertochter, die TV-Schauspielerin und zeitweilige Geliebte von Tom Cruise, Amy Polaski wetterte. Vor wenigen Wochen, kurz nach der Veröffentlichung ihres Romandebüts, reichte ihr Mann Ray Polaski die Scheidung ein.

      Der doppelte Becker

      Ich sehe aus wie Boris Becker. In der Schule wurde ich gehänselt, auf der Straße tuschelt man hinter meinem Rücken.

      »Das ist er doch!«

      »Blödsinn, guck dir doch mal die Klamotten an!«

      Nach der Schule jobbte ich in einem Supermarkt. Es ist unglaublich, was mir die Kunden alles erzählten. Sie sprachen mit mir über ihre Geldsorgen, prahlten mit ihren Liebschaften, schimpften auf Norbert Blüm und die CDU. Nach einem Erstrundenaus war es immer ganz besonders schlimm. Die Leute störte es nicht, dass ich nicht Boris Becker war, sondern bloß eine gewöhnliche Auffüllhilfe. »Ich bete trotzdem für Sie«, verabschiedete sich einmal eine Kundin von mir.

      In meiner Stammkneipe hieß ich nur »der Leimener«. Ständig wollten meine Kumpels, dass ich einen Hechtsprung mache – für zwanzig Mark habe ich es manchmal getan. Ich konnte das Geld gut gebrauchen. Beim letzten Mal riss mir dabei links ein Kreuzband und ich verlor meine Anstellung im Supermarkt.

      Ständig werde ich von Frauen angesprochen. Im Stadion, im Einkaufszentrum oder auf dem Amt. Von der halben Damenwelt, darunter jungen, bildhübschen Mädchen … Das ist wie mit einem Hund beim Gassi gehen. Doch sobald wir ins Gespräch kommen und ich meinen Namen nenne, verlieren die Frauen das Interesse an mir und wenden sich ab. Dabei bin ich nicht auf den Mund gefallen.

      Viele Jahre war ich unzufrieden mit meinem Aussehen … Bis ich eines Abends in der Diskothek von diesem Rechtsanwalt angesprochen wurde: Es war kurz bevor Boris Becker mit Barbara Feltus zusammenkam. Der Anwalt war ein aalglatter Kerl in Anzug und offenem Hemd, mit Goldkettchen und verspiegelter Sonnenbrille – er roch noch nach Zahnpasta. Als er mich tanzen sah, geriet er völlig aus dem Häuschen. Er zerrte mich von der Tanzfläche, orderte eine Flasche Champagner und stellte sich als Berater aus dem inneren Kreis um Ion Tiriac vor. Nach der Disco fuhr er mich in seinem Sportwagen nach Hause, am anderen Tag waren wir zum Essen im teuersten China-Restaurant der Stadt verabredet. Der Anwalt hatte inzwischen mit Gott und der Welt telefoniert und machte mir ein Angebot, das ich nicht ablehnen konnte. Beim Dessert unterschrieb ich ein über einhundert Seiten langes Vertragswerk. Zwei Tage später saß ich im Flieger nach Monaco.

      Am Flughafen wartete eine Limousine mit schwarzgetönten Scheiben auf mich. Sie brachte mich zu meinem neuen Arbeitsplatz: Das Luxusappartement von Boris Becker. Die Wohnung war ein Palast. Mit Sauna, Schwimmbad und Fitneßraum … Mit eigenem Tennisplatz und begehbarem Schuhschrank. Wenn man auf der Terrasse stand, konnte man meinen, das Mittelmeer sei nur für diesen Ausblick angelegt worden. Für jeden Wochentag hatte Boris ein eigenes Schlafzimmer. Der Kühlschrank besaß einen separaten Liefereingang und wurde zweimal am Tag frisch gefüllt. Es dauerte Tage, bis ich mich in der Wohnung zurechtfand.

      Meine Aufgabe bestand darin, immer, wenn Boris spielfrei hatte und offiziell in Monaco weilte, mich in dessen Wohnung aufzuhalten und dreimal am Tag ans Fenster zu treten und mich von den Paparazzi auf der Straße fotografieren zu lassen. Mehr nicht. Die restliche Zeit könne ich tun und lassen, was ich wolle: Lesen, fernsehen, schlafen oder telefonieren. Allerdings dürfe ich unter keinen Umständen mit jemanden reden – außer mit den Hausangestellten, die eingeweiht waren. Sollte Boris in der Stadt sein, würde ich in einem Hotel auf dem Lande untergebracht werden – das aber käme so gut wie nie vor. Es hatte etwas mit Steuervergünstigungen zu tun und damit, dass sich Boris die Hälfte des Jahres im Fürstentum aufhalten musste, was bei seinem vollen Terminkalender und den vielen Verpflichtungen allerdings unmöglich sei. Deshalb habe man mich eingestellt – so hielten es die anderen prominenten Monegassen im übrigen auch. Die Bezahlung war königlich, und ich war davon überzeugt, endlich meinen Traumjob gefunden zu haben – doch das Ganze entwickelte sich zum Alptraum.

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      Die Idee zu dem ursprünglich als Drehbuch geplanten Roman »Der doppelte Becker« kam dem Autor Michael Schattenmann während seiner Arbeit an Boris Beckers vorletzter Autobiographie »Punkt, Satz und Sieg – Die Zeit ohne Schläger«. Ein Doppelgänger des Tennisstars verliebt sich in Monaco in eine Pizzalieferantin, eine englische Boulevard-Journalistin erfährt von der Romanze und bauscht sie zur so genannten »Kofferraum«-Affäre auf … Die Romanfassung des Drehbuchs erschien jetzt im 2004 gegründeten Hannoveraner Gold & Silben-Verlag, dessen »Literatur-Rollen« – eine Toilettenpapieredition von Gedichten СКАЧАТЬ