New Order, Joy Division und ich. Bernard Sumner
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Название: New Order, Joy Division und ich

Автор: Bernard Sumner

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

Серия:

isbn: 9783854454724

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СКАЧАТЬ konnte). Die Toilette befand sich außerhalb des Hauses. Badezimmer hatten wir keines. Mein Schlafzimmer lag über dem Wohnzimmer im ersten Stock, das meiner Großeltern war über dem Empfangszimmer. Ebenso im ersten Stock gab es eine kleine Abstellkammer, die mir als Kind echt unheimlich war. Mein Großvater war während des Zweiten Weltkriegs nämlich ein Luftschutzhelfer gewesen und die Kammer war immer noch randvoll mit Gasmasken, Sandsäcken, Verdunkelungsvorhängen und allen anderen Kriegsutensilien. Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass ich Geschichten vom Krieg und den schrecklichen Ereignissen gehört hatte, aber an diesem Zimmer war etwas, das mich stets verängstigte. Also mied ich es.

      Mein Großvater, John Sumner, war ein sehr kluger und interessanter Mann. Für mich war er wie ein Vater. Er war in Salford geboren und aufgewachsen und arbeitete als Ingenieur in der Vickers-Fabrik in Trafford Park. Seinen eigenen Vater hatte er verloren, als er zehn Jahre alt war – mein Urgroßvater war als Teil des Manchester-Regiments in den Ersten Weltkrieg gezogen und 1917 in der dritten Flandernschlacht gefallen.

      Mein Großvater hatte eine Gewohnheit, der er zwei Mal am Tag nachging, einmal am Morgen, bevor er in die Arbeit ging, und einmal am Abend, wenn er wieder heimkam: Er kam bei der Eingangstür herein und marschierte geradewegs durchs Haus und verkündete: „Frische Luft! Ich brauche frische Luft!“ Dann ging er in den Hinterhof und genehmigte sich eine Reihe von tiefen Atemzügen. Das Problem dabei war, dass am Ende unserer Straße die Wheathill-Chemiefabrik giftige Abgase absonderte, es war schrecklich. An manchen Tagen durfte man gar nicht vor die Tür gehen, da sie dort irgendetwas verbrannten. Ich habe heute noch beinahe diesen beißenden Geruch in der Nase, wenn ich daran denke. Doch mein Großvater atmete alles unbekümmert ein, während er frohlockend die gesundheitlichen Vorzüge von frischer Luft pries.

      Meine Großmutter Laura war ein herzensguter und sehr fürsorglicher Mensch. Sie stammte aus einer alten Salforder Familie namens Platt. Schon ihre Mutter – meine Urgroßmutter – hatte Laura geheißen. In meiner Familie galt die Tradition, die Mädchen nach ihren Müttern zu nennen. Deswegen wurde meine Großmutter „Little Laura“ gerufen, während meine Urgroßmutter als „Big Laura“ bekannt gewesen war. Meine Urgroßmutter lebte genau gegenüber dem Chemiebetrieb. Ich glaube, dass sie acht oder neun Töchter zur Welt gebracht hatte, bevor sie schließlich einen Jungen gebar und entschied, es nun gut sein lassen zu können. Ich erinnere mich an die Besuche bei ihr, als ich noch sehr jung war. Auch meinen Urgroßvater sah ich dort. Er war ein echt lieber Kerl, der als Radklopfer bei der Bahn arbeitete. Ich weiß noch, dass er ein warmherziger, angenehmer Mensch war, aber eines Tages wurde mir mitgeteilt, dass er sich auf „eine lange Bahnreise“ begeben hätte. Die Erinnerungen an ihn sind sehr stark, also hat er definitiv einen Eindruck bei mir hinterlassen – und doch fiel mir erst unlängst auf, dass ich gerade einmal acht Jahre alt war, als er verstarb.

      Nachdem er gestorben war, brachte meine Oma meiner Urgroßmutter jeden Tag einen Krug Guinness aus dem Pub, den diese dann trank, während sie vor dem Feuer saß. Das muss ihr gutgetan haben, denn sie wurde fast 90 Jahre alt, obwohl sie den Großteil ihres Lebens in unmittelbarer Nähe zu einer Chemiefabrik verbracht hatte und alle möglichen Dämpfe einatmen hatte müssen. Dann wurde ihr Haus abgerissen und sie zog in das oberste Geschoss eines 14-stöckigen Wohnhauses. Ich kann mich noch erinnern, wie ich sie dort besucht und von ihrem Balkon aus den Ausblick bewundert habe. Es war fantastisch. Man konnte kilometerweit sehen. Alle Autos auf der Straße sahen wie kleine Spielzeuge aus und ich konnte die Hügel und die Landschaft hinter der Stadt erkennen. Für mich als Jungen war das geradezu magisch, aber für eine alte Frau wie meine Urgroßmutter war der Weg in den 14. Stock sehr beschwerlich, weshalb es für sie dort oben mehr wie ein Gefängnis war.

      Meine Großtante Amy blieb bei ihr, um sich um sie zu kümmern. Alle Geschwister von Amy waren verheiratet und sie gab im Prinzip ihr eigenes Leben auf, um ihrer Mutter helfen zu können. Als sie zu alt wurde, um noch zu heiraten, wurde ihr offenbar bewusst, was sie verpasst hatte. Während sie sich dem Wohlergehen ihrer Mutter gewidmet hatte, war ihr eigenes Leben an ihr vorbeigezogen. Diese Erkenntnis führte zu einem Zusammenbruch, der sie für 32 Jahre in die Nervenheilanstalt von Prestwich brachte. Gelegentlich büchste Tante Amy unbemerkt aus dem Krankenhaus aus und machte sich auf den Weg zu uns. Wenn sie dann bei uns vor der Tür stand, schickte mich meine Mum die Treppe hoch und befahl mir, meine Zimmertür zu schließen und das Bett vorzuschieben. Ich sollte dann so lange dort bleiben, bis sie mir zurief, dass ich wieder herauskommen dürfe. Ich hörte Amy sagen, dass ein Mann kommen würde, um uns alle mit einer Axt zu erschlagen. Sie sei gekommen, um uns davor zu warnen, dass wir alle sterben würden. Meine Mum ließ sie weiter reden, bis schließlich die Polizei aufkreuzte, um sie wieder nach Prestwich zu bringen. Es war herzzerreißend. Alle meinen anderen Großtanten waren lieb, freundlich und quirlig – so wie eben auch Amy hätte sein können.

      Ich hatte viele Freunde in der Alfred Street, etwa Raymond Quinn, David Wroe und Barrie Benson – ganz abgesehen von weiteren Mitgliedern meiner Familie, die ebenfalls dort lebten. Ich hatte weder Brüder noch Schwestern, aber meine Großtante Doreen lebte nebenan mit ihren Söhnen David und Stephen. Auf der anderen Straßenseite wohnte meine Großtante Ruth, die eine Tochter hatte, die selbstverständlich auch Ruth hieß. Auch meine Großtanten Ada und Irene lebten in der Alfred Street mit ihren Kindern, also hatte ich eine sehr gesellige Kindheit. Wir verbrachten die meiste Zeit auf der Straße und spielten Fußball, hingen ab, machten Stunk und wunderten uns, was wohl in anderen Ecken der Stadt so vor sich ginge. Was gab es da draußen noch zu sehen?

      Obwohl es im Grunde genommen in vielerlei Hinsicht eine ziemlich normale Arbeiterklasse-Kindheit in Manchester war, gab es dennoch etwas, wodurch sich meine Familie von den anderen unterschied, nämlich die Krankheit meiner Mutter. Neben den körperlichen Problemen, mit denen sie leben musste, war sie auch eine sehr zornige Person. Ob dies nun damit zusammenhing, dass sie ihre Behinderung frustrierte, sie vielleicht sogar unter Depressionen litt – etwas, das damals nur selten diagnostiziert wurde –, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Was aber auch immer der Grund gewesen sein mag, ihr Zorn richtete sich in der Regel gegen mich. Manchmal konnte man ihr Verhalten schon beinahe als grausam bezeichnen. Da meine Großeltern so liebevolle Menschen waren, fühlte ich mich emotional mehr zu ihnen als zu meiner Mutter hingezogen, was wiederum ihre Wut noch weiter angefacht haben dürfte. Ich hatte viele Freunde in der Gegend und benahm mich weder besser noch schlechter als die anderen Kinder. Allerdings schien ich öfter und härter als sonst irgendjemand in meinem Bekanntenkreis bestraft zu werden.

      Wenn die anderen Kinder in den Park oder ins Kino gingen, durfte ich nicht mit. Aus irgendeinem Grund und obwohl unsere Nachbarschaft eine eingeschworene Gemeinschaft war, in der viele Kinder meines Alters wohnten und viele Leute ein Auge auf uns hatten, um auf uns aufzupassen, wollte meine Mutter, dass ich mich nur dort aufhielt, wo sie mich sehen konnte. Ich durfte auf die Straße hinaus und mich in der unmittelbaren Nachbarschaft aufhalten, aber es gab sehr strenge Regeln in Bezug darauf, wie weit ich mich entfernen durfte. Kinder streunen gerne durch die Gegend und die Kids in unserer Straße waren da keine Ausnahme, aber während ein paar von uns Manchester oder den Heaton Park erkundeten, blieb ich zurück. Von der Straßenecke aus sah ich ihnen hinterher, wie sie lachend und lärmend in der Ferne verschwanden.

      Ich widersetzte mich meiner Mutter nur selten, da mich meine Angst vor den Konsequenzen normalerweise davon abhielt, doch eines Tages setzte ich mich über die Grenzen, die sie mir vorgeschrieben hatte, hinweg. Weit hatte ich mich nicht entfernt und hing vielleicht ein paar Straßen mit ein paar Kindern herum, aber irgendjemand hatte mich gesehen und meiner Mutter Bericht erstattet. Sobald ich bei der Türe hereinspaziert kam, drehte sie komplett durch. Sie zwang mich, kalten, sauren Tee zu trinken, bis auf den letzten Tropfen. Dann musste ich mit dem Gesicht zur Wand stehen, während sie mir ausführlich und unmissverständlich klarmachte, was für ein furchtbares Kind ich doch sei – etwas, das ich ihr gegenüber im Anschluss wiederholen musste. Ich stand da, die Hände hinter meinem Rücken, meine Nase berührte beinahe die Tapete. Im Mund hatte ich den ekelhaften bitteren Geschmack vom kalten Tee. Mir rannen Tränen über das Gesicht, während ich versuchte zu begreifen, warum sie dachte, dass ich so schrecklich sei. Klar, in diesem Fall hatte ich gegen ihren ausdrücklichen СКАЧАТЬ