Paganini - Der Teufelsgeiger. Christina Geiselhart
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Название: Paganini - Der Teufelsgeiger

Автор: Christina Geiselhart

Издательство: Bookwire

Жанр: Зарубежная психология

Серия:

isbn: 9783708105222

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СКАЧАТЬ prüfte Zunge und Puls des Jungen, fand nichts Beunruhigendes und jagte ihn aus den Federn.

      „Siehst du nicht sein scheckiges Gesicht, Marito? Lass das Kind, es braucht Ruhe!“

      „Nichts da! Er hat zu lange herumgelegen. Davon ist er scheckig.“ Sein flammender Blick zuckte von Teresa zu Niccolò. „Du übst, bis ich zurückkomme, hai capito? Jeder Bettler in Italien kann die Mandoline handhaben, aber du sollst sie spielen wie kein anderer. Ich befehle es, und wehe, du spielst stattdessen den Kranken.“

      Er schlug die Tür hinter sich zu und beschloss, den Tag zu genießen, fern von Kindern und Ehefrau. Es war Spätsommer 1789, die Sonne stand hoch am Himmel, der Wind lag träge in den Winkeln oder schlummerte auf der schimmernden Decke des Meeres. Bei diesem Wetter strebte Antonio nicht sofort zum Hafen. Gemächlich schlenderte er über die Via Dante, streifte durch die verwinkelten Gassen, in denen Menschen so dicht aufeinander hausten wie Ratten. In fast alle Häuser, so finster und schmierig sie auch aussahen, war eine Marien­skulptur gemeißelt. Erhaben, doch blind sah sie auf das Elend zu ihren Füßen herab. Vor der Chiesa Santa Maria Maddalena machte Antonio kurz Halt, lüftete die Mütze und stapfte sogleich weiter durch die Vico della Maddalena, über die Vico del Tempo Buono, von wo aus er die Strada Nuova erreichte. Der Unterschied sprang ihm heute deutlicher als sonst ins Gesicht. Er wollte sich die Laune nicht ganz verderben lassen, weshalb er arrogant durch die Straße der Paläste schritt und vor jeder reichen Pforte ausspuckte. War er auch kein Revolutionär, so wünschte er dem hoffärtigen Gesindel dennoch die Krätze an den Hals. „Pack!“, schimpfte er und stieß mit dem Fuß gegen eine Statue am Eingang eines Palastes. „Ihr seid schlimmer als die Österreicher!“ Ein Wachposten näherte sich drohend. Antonio entwischte durch die Via San Siro. Plötzlich hatte er es eilig, das Viertel der Wohlhabenden zu verlassen. Er überquerte eine Piazza, begrüßte da und dort einen Bekannten, der vor einem heruntergekommenen Hauseingang döste, und gelangte endlich ins Hafengelände. Heute erwartete ihn nicht der Hafenkapitän, bei dem er sich von Dienstag bis Samstag allmorgendlich zum Entladen und Packen der Schiffsladungen melden musste. Offiziell war er ein Ligaballe, ein Packer am Hafen, inoffiziell galt er als Suonatore, als Musikant.

      Die Hände in den Hosentaschen peilte er einen Schlupfwinkel des Hafens an. Dort erwartete ihn eine Bande bärtiger Gesellen zum Mora-Spiel. Dieses Glückspiel verlangte nichts weiter als zehn Finger und deren glückliche Anwendung. Man spielte es zu zweit. Einer der beiden Spieler nannte eine Zahl und bezeichnete mit den Fingern, welchen Teil er davon haben wollte. Gleichzeitig musste der andere, ohne die Hand des ersten zu sehen, so viele Finger zeigen, dass die anfangs genannte Zahl voll wurde. Natürlich spielte man nicht umsonst. Antonio war gefürchtet, denn oft gewann er seine kostspieligen Einsätze doppelt und dreifach zurück. Er hatte Glück im Spiel, verstand sich aufs Handeln und er vertraute auf das Talent der Paganinis sowie den guten Riecher des Genuesers. An diesem Sonntagabend kam er sehr spät, aber mit vollen Taschen nach Hause. Er brannte darauf, seinen Erfolg vor der ganzen Familie wie einen Sieg hinauszuposaunen und war gleichzeitig auf die Fortschritte seines Sohnes gespannt.

      Doch der Junge lag vermummt im Bett. Über ihn beugte sich Dottore Gambaro, am Fußende stand klagend Teresa, die weinende einjährige Paola auf dem Arm. Ein grässlicher Gestank nach Erbrochenem und Urin schlug dem Hausvater entgegen und er hatte gute Lust, zum Hafen zurückzukehren.

      „Scarlatina!“, diagnostizierte der Arzt.

      „Kenn ich nicht!“, antwortete Antonio mürrisch.

      „Scarlatina verdankt ihren Namen dem kräftigen roten Hautausschlag, den sie hervorbringt. Das Fieber steigt auf 39 Grad, die Nase läuft und entzündet sich, kleine Punkte sprießen, die dann zu großen Flecken zusammenfließen.“

      „Flecken! Flecken! Flecken!“, spie Antonio aus. „Warum hat der Kerl ständig Flecken? Liegt das an unserer Gegend? Anlage kann es nicht sein. Ich hatte nie Flecken und Teresa bekam sie erst nach dem zweiten Kind.“

      Gambaro erklärte, dass die Flecken eine harmlose Nebenerscheinung des eigentlichen Übels seien.

      „Bedenklicher ist die Rachenschleimhaut. Sie wird stark in Mitleidenschaft gezogen und die katarrhalen Symptome, die das Ausschlagfieber begleiten, wirken sich verheerend auf die Bronchien aus.

      „Hören Sie mit Ihrem Latein auf und reden Sie Italienisch!“

      „Madre mia!“, schimpfte der Dottore. „Der Junge wird vermutlich Zeit seines Lebens schwach auf der Brust sein, weil der Husten, la tossa ripetitiva, seine Lungen angreift und seine ewige Rotznase den Schleimhäuten den Garaus macht. Er braucht Wärme und frische Luft. Hier jedoch, in dieser klammen Bude, die trotz des trockenen Sommers wie ein Kellerloch muffelt und stinkt, wird er nicht genesen.“ Er fasste sich an die Gurgel, als wolle er ersticken.

      „Was soll ich also tun, Sie Besserwisser?“

      „Mieten Sie eine Sänfte, packen Sie ihn warm ein und lassen Sie ihn in Genuas schönster Bucht Boccadasse herumtragen.“

      Antonio starrte sekundenlang betäubt auf Gambaro und brach dann in ein so irres Gelächter aus, als habe er einen Harlekin vor sich. Verwirrt wich Teresa zurück.

      „Ich habe vier Kinder zu ernähren und drei Bestattungen bezahlt. Glauben Sie, ich bin ein Goldesel?“

      „Ob Sie ein Esel sind, sei dahin gestellt. Jedenfalls lassen Sie keine Gelegenheit aus, Ihre Taschen zu füllen. Hier!“, er deutete auf die Mandoline, „warum haben Sie das edle Stück aus Neapel noch nicht zu einem horrenden Preis verkauft? Das Mandolinenspiel ist noch immer sehr beliebt.“

      „Sie ist für Niccolò. Er soll Musikant werden.“

      Dottore Gambaro nahm seinen Hut. Er wiederholte, an Teresa gerichtet, die Dosis der einzunehmenden Medizin und blieb beim Hinausgehen vor Signore Paganini stehen.

      „Die Medizin allein reicht nicht aus. Sollten Sie meinen Ratschlag nicht befolgen, wird Niccolò kein Musikant, weil ihm dazu keine Zeit bleibt.“ Gambaro setzte den Hut auf und wandte sich ab.

      „Schwarzseher!“, nuschelte Antonio. Gambaro drehte sich um.

      „Nicht ich! Sie sind es. Deshalb kommen Sie auch nicht mehr zu unseren Versammlungen. Sie glauben, die Republik Genua sei eingerostet. Sie glauben, sie bewege sich nicht nach vorn. Vielleicht nicht einmal nach hinten. Einfach gar nicht mehr. Sie täuschen sich, lieber Signore!“

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      Ich kann sehen, aber die Sonne sticht in meine Augen. Silbrig glänzende Weingärten ziehen sich den Hang hinab zu einer verfallenen Kapelle. Von hier aus sieht sie aus wie ein Spielzeug. Sie ist nicht größer als meine Hand und doch steht sie wie eine Königin auf der Klippe. Einsam und erhaben. Dahinter liegt das Meer, tiefblau, schäumend und kraftvoll. Wenn das Meer ausatmet, tanzen die Wellen in ihren weißen Röcken, wenn es einatmet, rollen sie sich wie Schnecken zusammen. Ich versuche, so zu atmen wie das Meer. Vater hat gesagt: „Nimm beim Einatmen die Weite des Meeres und des Himmels in dir auf, atmest du aus, stoße das Meer mit deinem Atem bis zum Horizont.“ Das ist leichter gesagt als getan, außerdem stört mich Vaters Mandolinenspiel. Gemütlich lehnt er an der verwitterten Mauer eines zerfallenen Steinhauses und zupft Mandoline. Zu den herrschaftlichen Häusern, die die Anhöhen der Bucht schmücken, passt das zerschossene Gebäude nicht, aber vermutlich war es einmal ein Schloss oder ein Teil davon und soll uns an Genuas Kriege erinnern. Ich sitze in einen Mantel gehüllt neben ihm, die Sonne wärmt mein Gesicht, meinen Kopf, meine Brust. Immer wieder muss ich husten. Vater glaubt, es ist die frische Luft, die meine Lungen reizt und reinigt. Ich aber glaube, es sind die unreinen Töne der Mandoline. Vater sagt: „Hör gut СКАЧАТЬ