Название: Der Große Nordische Krieg 1700–1721
Автор: Stephan Lehnstaedt
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Reclam – Kriege der Moderne
isbn: 9783159618760
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Dennoch erwies sich Polen-Litauen als erstaunlich handlungsfähig. Zeitweise erstreckte sich das beherrschte Gebiet von der Ostsee bis ans Schwarze Meer – es war der größte Flächenstaat Europas. Manche der hochadligen Magnaten herrschten über größere Territorien als die deutschen Fürsten. Weil ihre Besitzungen selten zusammenhingen, sondern sich über beide Reichsteile erstreckten – die jeweils ihre eigenen Verwaltungsstrukturen hatten, so dass sämtliche Ämter doppelt vorhanden waren – galt ihr Interesse aber einem Fortbestand der Republik. Außerdem boten Königswahlen, wie etwa die von Friedrich AugustAugust, Kurfürst von Sachsen, als August II. König von Polen von Sachsen, die Möglichkeit, durch Bestechungen an Posten zu gelangen.
Der Sohn Karls XI.Karl XII., König von Schweden, der als Karl XII.Karl XII., König von Schweden der bedeutendste Feldherr des Großen Nordischen Krieges werden sollte, übernahm bei seiner [17]Thronbesteigung 1697 ein finanziell gut aufgestelltes Reich mit einem wohlorganisierten und extrem schlagkräftigen Militär. Der zu diesem Zeitpunkt erst 15-jährige König hatte sich umfassend mit Strategie und Geschichte beschäftigt, aber seine Studien noch nicht abgeschlossen. Doch dafür war nun keine Zeit mehr. KarlKarl XII., König von Schweden nahm den Eid und die Huldigung der Stände entgegen und ließ sich am nächsten Tag in der Stockholmer Kathedrale krönen.
Angesichts der Jugend und vermeintlichen Unerfahrenheit Karls XII.Karl XII., König von Schweden nutzten rivalisierende Herrscher die Gelegenheit, um auf Kosten Schwedens zu expandieren. An anderen Fronten war Ruhe, denn die Osmanen hatten mit den Habsburgern Frieden geschlossen, sodass keine Truppenkontingente für den Schutz des Heiligen Römischen Reiches mehr benötigt wurden. Und der Spanische Erbfolgekrieg sollte in [18]Westeuropa erst ab 1701 wüten. Diese und andere Konflikte waren regionalisiert und voneinander getrennt – und alle Parteien stimmten darin überein, dies auch grundsätzlich weiter so halten zu wollen.
Unter diesen Vorzeichen verbündeten sich Sachsen, Russland und Dänemark Ende 1699 gegen Schweden. In Kopenhagen fürchtete man um die Kontrolle über den Öresund, denn Schweden hatte schon eine Befreiung von den ansonsten fälligen Zöllen erwirkt; außerdem stellte das im Süden des Landes gelegene Herzogtum Schleswig-Holstein-Gottorf einen permanenten Streitpunkt mit Schweden dar. Formal ein Teil Dänemarks, strebte das Herzogtum nach mehr Autonomie und näherte sich Stockholm an, wozu auch die Heirat des Herzogs Friedrich IV.Friedrich IV., Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorf mit KarlsKarl XII., König von Schweden älterer Schwester Hedvig SofiaHedvig Sofia, Herzogin von Schleswig-Holstein-Gottorf beitrug. In Kopenhagen sah man die Stunde gekommen, diese Entwicklungen nicht nur aufzuhalten, sondern sogar umzukehren.
Wie Russland mit seinem Zugang zur Ostsee argumentierte der dänische König Friedrich IV.Friedrich IV., König von Dänemark und Norwegen (der nicht mit seinem Gegner, dem gleichnamigen Herzog aus Holstein-Gottorf, zu verwechseln ist) mit der Rückgewinnung verlorener Territorien, denn die ehemalige dänische Provinz Schonen im Süden des schwedischen Festlands gehörte in jener Zeit bereits zu Schweden. Der schwelende Nachbarschaftskonflikt war der wesentliche Grund, weshalb Kopenhagen fast die Hälfte seines Staatshaushalts für das Militär ausgab. Zar PeterPeter I., Zar und Großfürst von Russland handhabte das nicht grundsätzlich anders, aber die entscheidende Voraussetzung für seinen Kriegseintritt war ein Friedensschluss mit dem Osmanischen Reich, der 1699 glückte. Nun musste Moskau im Süden nicht mehr mit einem Angriff in der ukrainischen Steppe rechnen und hatte den Rücken frei für einen Konflikt im Norden.
Konkurrent um die Vorherrschaft im Ostseeraum: Friedrich IV., König von Dänemark (1671–1730)Friedrich IV., König von Dänemark und Norwegen. Kupferstich, um 1766
PeterPeter I., Zar und Großfürst von Russland hatte außerdem ein persönliches Anliegen: Immer wieder beschwor er als Ursache für sein Engagement eine Beleidigung bei einem Besuch im schwedischen Riga 1697: Der Zar war inkognito durch Europa gereist und wollte auf dem Rückweg die dortige Festung besichtigen und auch zeichnen. Diese durchaus ungewöhnliche Bitte lehnte der Rigaer Gouverneur ab – ihm war wohl bewusst, um wen es sich bei »Herrn Michailow« handelte, aber da der sich nicht offiziell als russischer Monarch vorgestellt hatte, musste er auch nicht mit Unterwürfigkeit behandelt werden. PeterPeter I., Zar und Großfürst von Russland beschwerte sich in Stockholm bei Karl XII.Karl XII., König von Schweden, doch der wollte in der verweigerten Inspektion nichts Verwerfliches erkennen [19]und lehnte eine Bestrafung des Gouverneurs ab. Noch 1709 benannte PeterPeter I., Zar und Großfürst von Russland dieses Verhalten als seinen Kriegsgrund.
Anfangs waren die territorialen Ziele Russlands bescheiden: Es ging zunächst darum, die einstigen Besitzungen rund um die Stadt Nowgorod zurückzugewinnen und einen Zugang zur Ostsee zu erhalten. Weitere Ambitionen, etwa in Polen oder Kurland, kamen erst im Verlauf des Krieges hinzu. Anders als bei den schwedischen Eroberungen im 17. Jahrhundert ging es Peter I.Peter I., Zar und Großfürst von Russland und Friedrich IV.Friedrich IV., König von Dänemark und Norwegen um Revanche und die Kompensation früherer territorialer Verluste – so wie Herrscher und Staaten zu allen Zeiten mit historischen Ansprüchen argumentierten. Letzten Endes kämpften die schwedischen Soldaten dafür, dass ihr Land seine Eroberungen behalten durfte. Sie riskierten ihr Leben für diejenigen, die vom Imperium bisher profitiert hatten, also insbesondere für Adlige, die in den neu erworbenen Gegenden reiche Latifundien zugeteilt bekommen hatten. Das war bei den Gegnern nur insofern anders, als dort für den zukünftigen Reichtum von Wenigen gefochten wurde.
[21]Als offen auf Eroberungen bedachter eigentlicher Kriegstreiber erwies sich August von SachsenAugust, Kurfürst von Sachsen, als August II. König von Polen. Er hoffte, als König von Polen Gebiete in Livland und Einfluss in Kurland gewinnen zu können, weshalb er Anspruch auf diese einstmals polnisch-litauischen Territorien erhob. Der Plan war, diese mit polnischen Truppen einzunehmen und dann seiner Dynastie als Lehen und künftige Erblande zuzuschanzen. Zu diesem Zweck tat er sich mit Johann von PatkulPatkul, Johann Reinhold von zusammen, der aus Stockholm nach Dresden fliehen konnte und AugustAugust, Kurfürst von Sachsen, als August II. König von Polen großzügig – und in vollkommener Verkennung der Realitäten – der Unterstützung des livländischen Adels versicherte. Bei einem Angriff auf Schweden stellte er sogar einen Aufstand in Aussicht.
AugustAugust, Kurfürst von Sachsen, als August II. König von Polen war voller Zuversicht und glaubte an einen leichten Sieg gegen Schweden. Mit PeterPeter I., Zar und Großfürst von Russland hatte er sich im Sommer 1698 erstmals getroffen und ein Bündnis diskutiert, das ein Jahr später in den Vertrag von Preobraschenskoje mündete. PatkulPatkul, Johann Reinhold von, der auf Rache für die Behandlung durch KarlKarl XII., König von Schweden sann, firmierte dabei als sächsischer Gesandter. Er hatte bereits zuvor Friedrich von DänemarkFriedrich IV., König von Dänemark und Norwegen besucht, mit dem in Dresden ein Bündnisvertrag unterzeichnet worden war. Die Nordische Allianz war geboren. Sachsen stand im Zentrum, und um Schweden über die Kriegsvorbereitungen zu täuschen, schloss man zeitgleich sogar ein Defensivbündnis mit Stockholm ab.
AugustAugust, Kurfürst von Sachsen, als August II. König von Polen war weder an einem langen Krieg interessiert noch dazu überhaupt in der Lage. Die sächsischen Truppen hatten zwar in den Kriegen gegen die Osmanen und – unter kaiserlicher Führung – gegen die Franzosen einige Erfahrung gesammelt, aber eben nur als Teile eines größeren Heeres. Sie jetzt in womöglich verlustreiche Schlachten zu schicken, entsprach nicht dem Kalkül eines rational denkenden Fürsten, der seine kostspieligen Soldaten schonen wollte. Das galt insbesondere, weil AugustAugust, Kurfürst von Sachsen, als August II. König von Polen sich Haushaltsmittel nach wie vor von den sächsischen Ständen genehmigen lassen musste; diese aber sahen keinen Vorteil für sich in einem Krieg, der um Gebiete in vielen hundert Kilometern Entfernung СКАЧАТЬ