Название: Unbestreitbare Wahrheit
Автор: Mike Tyson
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная психология
isbn: 9783854454427
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Meine Schule war nur ein paar Schritte von unserer Wohnung entfernt. Manchmal konnte meine Mutter mich nicht zur Schule begleiten, da sie am Abend zuvor zu viel getrunken hatte. Wenn ich allein war, traktierten mich die Kids mit Schlägen und Fußtritten. Damit wollten sie mir wohl zu verstehen geben: „Verpiss dich, du widerlicher Wichser!“ Ich wurde permanent beschimpft. Man schlug mir ins Gesicht, und ich rannte davon. In der Schule wurden wir von Kids schikaniert, zu Hause von anderen mit Waffen bedroht und ausgeraubt, bis auf den letzten Cent. Es war brutal, dass diese Kids nicht einmal vor unserem eigenen Apartment Halt machten.
Ein Wendepunkt in meinem Leben war das Tragen einer Brille. Meine Mutter brachte mich zum Augenarzt, und es stellte sich heraus, dass ich kurzsichtig war, also ließ sie mir eine Brille anfertigen. Das war richtig übel. Eines Tages kam ich zur Mittagszeit aus der Schule. Ich holte mir in der Cafeteria ein paar Fleischbällchen, die zum Warmhalten in Alufolie verpackt waren. Da sprach mich ein Kerl an: „He, hast du ein paar Cents für mich?“ Ich erwiderte: „Nein.“ Er fing an, meine Taschen zu durchsuchen, fand aber nichts. Also versuchte er, mir die verdammten Fleischbällchen wegzunehmen. Ich wehrte mich und schrie: „Nein, nein, nein.“ Ich ließ zwar zu, dass die Dreckskerle mein Geld raubten, aber nicht mein Essen. Ich verteidigte meine Fleischbällchen, als wäre ich ein menschliches Schutzschild. Er schlug mir gegen den Kopf, dann riss er mir die Brille herunter und warf sie in den Tank eines Lastwagens. Ich rannte wie der Blitz nach Hause und war froh, dass er wenigstens meine Fleischbällchen nicht bekommen hatte. Ich hätte diese Kerle fertigmachen sollen, aber ich war so ängstlich, weil sie so dreist und frech waren, dass ich glaubte, sie wüssten etwas, das ich nicht wusste. „Schlag mich nicht, lass mich los, hör auf.“ Ich fühle mich auch heute noch als Feigling. Es ist ein unglaubliches Gefühl, sich so hilflos zu fühlen. Das vergisst man sein Leben lang nie. An dem Tag, als mir der Kerl die Brille wegnahm und in den Tank warf, ging ich zum letzten Mal zur Schule. Anschließend ging ich nur noch zur Schule, um zu frühstücken, und verließ sie dann wieder. Ich spazierte ein paar Stunden um den Block herum. Zum Lunch tauchte ich wieder in der Schule auf und haute dann wieder ab. Nach Schulende ging ich nach Hause. Im Frühling 1974 kamen auf der Straße drei Kerle auf mich zu und fingen dann an, an meinen Taschen herumzufummeln. „Haste etwas Geld?“ Ich erklärte ihnen, dass ich kein Geld habe. Sie erwiderten: „Wenn wir aber welches finden, behalten wir es.“ Also untersuchten sie systematisch meine Taschen, fanden aber nichts. Dann sagten sie: „Wohin gehst du? Willst du bei uns mitmachen?“
„Wobei?“
Wir gingen zur Schule, und sie ließen mich den Zaun hochklettern. Ich sollte ihnen ein paar Milchkästen aus Plastik zuwerfen. Dann gingen wir ein paar Blocks weiter, und sie zwangen mich, in ein leerstehendes Haus zu gehen.
„Hm, ich weiß nicht“, zögerte ich. Ich war ein mickriger kleiner Kerl, und sie waren zu dritt. Nun, wir gingen hinein, und dann sagten sie: „Kleiner, geh hoch aufs Dach.“ Ich wusste nicht, ob sie vorhatten, mich zu töten. Also kletterten wir aufs Dach hoch, und ich sah eine kleine Kiste mit Tauben.
Diese Kerle bauten einen Taubenstall. Ich wurde ihr kleiner Laufbursche. Schon bald fand ich heraus, dass die Tauben oft auf irgendwelchen anderen Dächern landeten, wenn sie sich in einem schlechten Zustand befanden. Ich musste dann gucken, auf welchem Dach sie gelandet waren, einen Weg auskundschaften, um in das Gebäude zu gelangen und die Vögel auf dem Dach aufzuscheuchen. Ich jagte den ganzen Tag den Tauben hinterher, fand das aber recht lustig. Ich war gern mit den Vögeln zusammen und kaufte ihnen sogar in einer Tierhandlung Futter. Diese Jungs waren jedenfalls taff und machten mich zu ihrem Laufburschen. Mein ganzes Leben lang war ich ein Außenseiter gewesen, aber auf dem Dach fühlte ich mich wie zu Hause.
Am nächsten Morgen kehrte ich zu dem Haus zurück. Sie standen auf dem Dach, sahen mich kommen und warfen Ziegelsteine nach mir. „Du Dreckskerl, was tust du hier? Versuchst du, unsere verdammten Vögel zu stehlen?“, rief einer der Jungs. Und ich hatte gedacht, das sei mein neues Zuhause.
„Nein, nein, nein“, versicherte ich ihnen. „Ich wollte nur wissen, ob ich etwas für euch besorgen oder euren Tauben hinterherjagen soll.“
„Meinst du das wirklich ernst?“, sagte er. „Komm rauf, Kleiner.“ Und sie schickten mich Zigaretten kaufen. Sie waren eine Bande skrupelloser Dreckskerle, aber es machte mir nichts aus, ihnen zu helfen, da die Tauben mich begeisterten. Es war wirklich toll zu beobachten, wie etwa 100 Tauben ihre Kreise am Himmel zogen und dann auf einem Dach landeten.
Tauben fliegen zu lassen, war damals in Brooklyn eine Lieblingsbeschäftigung. Jeder, vom Mafiaboss bis zu den kleinen Ghettokids, tat es. Es ist nicht zu beschreiben und geht einem einfach unter die Haut. Ich lernte, mit ihnen umzugehen, erfuhr immer mehr über sie, wurde ein echter Taubenmeister und war stolz, dass ich so gut darin war. Alle ließen ihre Tauben im selben Augenblick fliegen, und der Sinn des Spiels bestand darin, die Tauben einzufangen. Es war wie beim Pferderennen. Hat man erst mal Feuer gefangen, kommt man nicht mehr los davon. Wo auch immer ich künftig wohnte, jedes Mal baute ich mir einen Taubenstall.
Als wir eines Tages mal wieder auf dem Dach waren und uns um die Tauben kümmerten, kam ein älterer Junge zu uns herauf. Er hieß Barkim und war der Bruder eines der Jungen. Als er feststellte, dass sein Freund nicht da war, trug er uns auf, ihm auszurichten, dass er ihn am Abend in unserem Mietsblock beim Sportcenter zu einem Jam treffen solle. Jams waren wie Teenager-Tanzpartys, aber nicht so ein Scheiß wie die Zeichentrickserie Archie mit ihren lauen Teenager-Witzen. Das Sportcenter wurde dann sogar umbenannt in The Sagittarius. Alle Spieler und Gauner würden dorthin gehen, die Jungs, die Brüche machten, die Taschendiebe und Kreditkartenbetrüger. Es war ein bunt zusammengewürfelter Haufen.
An jenem Abend ging also auch ich dorthin. Ich war sieben Jahre alt und hatte keine Ahnung von einer Kleiderordnung. Ich wusste nicht, dass man nach Hause gehen sollte, um zu duschen, die Kleider zu wechseln und den Club zu besuchen. So wie es alle Jungs taten, die mit Tauben zu tun hatten. Also ging ich direkt aus dem Taubenstall zum Sportplatz und trug immer noch meine schmutzige Kleidung voller Taubendreck. Ich dachte, die Jungs wären da und akzeptierten mich als einen der ihren, da ich für sie den verdammten Tauben hinterherjagte.
Als ich hineinging, sagten sie: „Was ist denn das für ein Gestank? Schaut euch den dreckigen, stinkenden Dreckskerl an.“ Alle fingen an zu lachen und mich zu verspotten. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, es war ein traumatisches Erlebnis, da alle auf mir herumhackten. Ich weinte und lachte gleichzeitig. Da alle lachten und ich dazugehören wollte, lachte ich also über mich selbst. Ich glaube, Barkim bemerkte, wie ich gekleidet war, und bekam Mitleid mit mir. Er ging auf mich zu und sagte: „He, Kleiner, mach dich vom Acker. Wir treffen uns morgen früh um acht Uhr auf dem Dach.“
Am nächsten Morgen war ich pünktlich dort. Barkim kletterte hoch und hielt mir einen Vortrag: „Du kannst nicht irgendwohin gehen und wie ein verdreckter Penner aussehen. Was zum Teufel soll das, Mann?“ Er redete sehr schnell, und ich versuchte, jedes Wort zu verstehen. „Junge, wir wollen damit Geld verdienen. Bist du bereit?“ Ich begleitete ihn, und wir brachen in Häuser ein. Er forderte mich auf, durch Fenster zu schlüpfen, die zu eng für ihn waren, und ich öffnete ihm dann von innen die Tür. Als wir im Haus waren, durchwühlte er die Schubladen, brach den Safe auf, räumte aus, was er finden konnte. Wir stahlen Stereoanlagen, Tonbänder, Schmuck, Waffen, Geld. Nach den Raubzügen ging er mit mir in die Stadt, in die Delancey Street, und kaufte mir etwas Hübsches zum Anziehen, Sneakers und einen Lammfellmantel. Am Abend nahm er mich mit zu einem Jam. Viele der Leute, die mich vor Kurzem noch ausgelacht hatten, waren ebenfalls anwesend. Ich trug meinen neuen Mantel und meine Hose aus Leder. Niemand erkannte mich, es war, als wäre ich ein anderer Mensch. Es war unglaublich.
Barkim stellte СКАЧАТЬ