Der Gestrandete. Volker Kaminski
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Название: Der Gestrandete

Автор: Volker Kaminski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Lindemanns

isbn: 9783963080685

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СКАЧАТЬ sprachen Eveline und er über die Theaterarbeit; es ging um Details in seinem Hoffmann-Stück, Fragen der Besetzung und dergleichen. Er bemühte sich jedoch, mich ins Gespräch mit einzubeziehen, und bedachte mich die ganze Zeit mit Blicken.

      Wir gingen schließlich ins Haus, da die Luft etwas kühl wurde.

      Ich weiß nicht, woran es lag, aber ich hatte dauernd das Gefühl, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Wir setzten uns an den Wohnzimmertisch und er rührte sein Bier kaum an, so sehr war er mit dem Gespräch beschäftigt. Er redete zwei Sätze mit Eveline, dann drehte er den Kopf, um die nächsten Sätze in meine Richtung zu sprechen. Er kam mir vor wie ein Zirkusjongleur, der die Tellernummer abzog, bei der es darum ging, keinen Teller von der Stange zu verlieren.

      Was wollte er nur von uns?

      Das fragte ich mich immer wieder, kam aber auch diesmal nicht weiter.

      Beim Gehen leistete er sich eine Peinlichkeit.

      Johanna war kurz davor ins Wohnzimmer gekommen, doch als sie Frank sah, machte sie kehrt und verließ den Raum.

      Wenig später verabschiedete er sich und sagte, er finde schon allein hinaus. Er ging aber nicht gleich aus dem Haus, sondern bog im Flur nach rechts. Er musste Johanna in der Küche gehört haben, die dort saß und Tee trank. Sie sprachen kurz miteinander, was wir vom Wohnzimmer aus hören konnten. Dann ging die Haustür.

      Gleich darauf kam Johanna herein, rollte mit den Augen und blieb einen Moment vor uns stehen.

      „Was ist passiert?“, fragte Eveline.

      Johanna ging um den Tisch herum und setzte sich. „Ich glaube, der spinnt!“

      „Sag schon, was war denn“, sagte Eveline.

      Johanna schaute uns mit einem Grinsen an und legte ihre geballte Faust auf den Tisch.

      „Das hat er mir gegeben“, sagte sie und öffnete die Hand. Darin lag ein Fünfzig-Euro-Schein.

      „Das ist wohl ein Scherz“, sagte ich. „Was will er denn damit bezwecken? Du musst ihm das Geld natürlich zurückgeben.“

      „Findest du das auch?“, fragte sie Eveline.

      Eveline kräuselte die Lippen.

      „Warum hat er es dir gegeben?“

      „Er sagte, ich soll nicht mehr böse auf ihn sein, er hätte mich nicht erschrecken wollen, es tut ihm Leid, und so weiter. Ich sagte, ist schon vergessen. Aber er sagte, nein, er hätte noch was gut zu machen. Und dann gab er mir den Schein.“

      „Was hat er gesagt, das du damit machen sollst?“

      „Eveline“, sagte ich, „es ist doch klar, dass das nicht geht. Johanna lässt sich doch nicht kaufen!“

      „Es ist nur ein Geschenk“, sagte Eveline.

      „Genau“, sagte Johanna und schloss die Faust, „ein Geschenk.“

      „Ein Geschenk? Fünfzig Euro? Um sich zu entschuldigen? Das ist doch total unnormal.“

      „Wenn sich Johanna nicht beleidigt fühlt, dann kann sie das Geld von mir aus behalten. Das ist meine Meinung.“

      Johanna hob jubelnd die Arme.

      „Sie muss es ihm zurückgeben“, sagte ich. „Es war ein Fehler von ihm. Nicht fünfzig Euro. Das wollte er nicht. Du hast doch selbst gesagt, dass er spinnt.“

      „Ist das mein Problem?“, fragte Johanna. „He, er hat mich nicht angemacht oder so, er hat nicht mal einen blöden Spruch losgelassen. Dann hätte ich es natürlich nicht genommen.“

      „So leicht ist das aber nicht“, sagte ich.

      „Doch, so leicht ist das“, sagte sie und ging hinaus.

      Natürlich war diese kleine Szene harmlos, verglichen mit anderen Streitigkeiten, die wir – vor allem ich – mit Johanna in letzter Zeit gehabt hatten.

      Aber ich war nicht bereit, die Sache auf die leichte Schulter zu nehmen. Wie kam er dazu, unserer Tochter Geld zu schenken? Lag es daran, wie Eveline meinte, dass ihn sein Schuldgefühl quälte? Oder dass er kein Gespür für Geld hatte – was, wie sie sagte, doch ganz sympathisch sei.

      Für mich sah die Sache anders aus. Ich hielt sie für inakzeptabel.

      Als ich Eveline das sagte, schüttelte sie den Kopf.

      „Menschen treiben manchmal komische Sachen. Wenn du wüsstest, Sascha, was die Leute alles anstellen, um ans Ziel ihrer Wünsche zu kommen.“

      Ich wusste nicht, wovon sie sprach. Vermutlich meinte sie die immer wieder vorkommenden Unstimmigkeiten zwischen den Mitgliedern der Theatergruppe, in der mitunter erbitterte Kämpfe bei Besetzungsfragen ausgefochten wurden.

      Ich musste mir eingestehen, dass ich jetzt anfing öfter über Frank nachzudenken und ihn nicht mehr aus dem Kopf bekam. Er war wie aus dem Nichts aufgetaucht und mir scheinbar zufällig in der Galerie begegnet, die in demselben Haus war, in der auch mein Büro lag. War das wirklich ein Zufall gewesen? Oder nicht eher eine Inszenierung (wie ja auch das Treffen auf dem Gutenbergplatz, das offensichtlich von ihm arrangiert worden war).

      Da ich meine Arbeit als täglichen Kampf empfand, als mühsames Halten der Stellung, als nicht endendes strategisches Vor und Zurück, wurde ich eine gewisse Erschöpfung nie ganz los. Gleichzeitig war ich oft unfähig einzuschlafen, lag nachts stundenlang wach und kam morgens müde und mit schmerzenden Muskeln ins Büro.

      In dieser Verfassung war mir ein Gestrandeter wie Frank Kalina ganz recht. Er war verzweifelt und suchte händeringend irgendwo Anschluss; er schenkte Johanna viel zu viel Geld, um sich ihr und uns gewogen zu machen; er war ein Schauspieler ohne Karriere, der seine Erfolge in einer freien Theatergruppe suchte.

      Ich betrachtete sein bisheriges Schicksal ohne jede Häme. Vielleicht war er schuldlos, vielleicht hatte ihm der Amerikaaufenthalt tatsächlich geschadet; er war zu jung gewesen, um einzusehen, dass es der falsche Weg war, und als er zurückkam, war er aus irgendwelchen Gründen nicht in der Lage auf den geraden Weg zurückzufinden.

      Er tat mir leid, trotzdem wollte ich keinen Schritt auf ihn zu machen. Ich vergrub mich in mein Büro, verriegelte die Tür und machte mir einen schwarzen Kaffee. Dann verschwand ich für die nächsten Stunden nach Indonesien, Sumatra und Bali, Aceh und Thailand, überall dorthin, wo der Tsunami 2004 seine Spuren hinterlassen hatte.

      Dass diese Katastrophe eine Viertel Million Menschen das Leben gekostet und nahezu zwei Millionen Küstenbewohner auf einen Schlag obdachlos gemacht hatte, konnte sich niemand vorstellen. Das Wüten selbst – das Seebeben und die anschließende Monsterwelle – blieb im Grunde abstrakt. Wellen so hoch wie Häuser kamen auf breiter Front angerast und rissen jeden Widerstand mit sich. 15 kleinere Inseln versanken unter dem Meeresspiegel.

      Sogar auf die Rotation der Erde hatte diese Naturkatastrophe Auswirkungen gehabt: Nach dem Seebeben hatte sich die Erdachse nachweislich um mehrere Zentimeter verschoben – exakt um zweieinhalb Zentimeter – und die Rotation hatte sich seitdem geringfügig beschleunigt, die Tage waren um ein paar Mirkosekunden kürzer geworden, genau seit dem 26. Dezember 2004.

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