Название: Die Anarchisten
Автор: John Henry Mackay
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783940621351
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- In fünfzehn Jahren, brach Auban das Schweigen - haben die Ketten der Knechtschaft in den Ländern des Kontinents die Handgelenke der Völker fast durchschnitten, so daß sie sich zum Schlag nicht mehr heben können. Hier werden dieselben Hände in gleicher Zeit gefesselt sein wie der Mund, der jetzt noch protestiert und sich müde redet.
- Ich kenne die Arbeiter besser als du. Bis dahin werden sie sich längst erhoben haben.
- Um mit Kanonen, die selbsttätig in jeder Sekunde einen und in einer Minute sechzig Schüsse abgeben, niedergemäht zu werden. Ja. Ich kenne die Bourgeoisie besser und ihre Leute.
Sie standen in Oxford Street: in nächtigem Licht und Leben.
- Da sieh hin: glaubst du, dies Leben fällt mit einem Schlag und durch den Willen einzelner?
- Ja, sagte Trupp und zeigte nach Osten. - Dort liegt die Zukunft.
Aber Auban fragte:
Was ist die Zukunft? Die Zukunft ist der Sozialismus. Die Einzwängung des Individuums in immer engere Grenzen. Die gänzliche Unselbständigkeit. Die große Familie. - Lauter Kinder, Kinder... Aber auch das muß durchgemacht werden.- Er lachte bitter, indem er dem Blick seines Freundes folgte: Dort liegt - Rußland! Dann schwiegen beide wieder. Oxford Street dehnte sich aus - eine unübersehbare Linie von verschwimmendem Licht und brausendem Dunkel hinauf und hinunter.
Es gibt drei London, sagte Auban, gepackt von dem Leben - drei: London am Samstagabend, wenn es sich betrinkt, um die kommende Woche zu vergessen; London am Sonntag, wenn es seinen Rausch im Schoß der alleinseligmachenden Kirche ausschläft; und London, wenn es arbeitet und arbeiten läßt - an den langen, langen Tagen der Woche.
- Ich hasse diese Stadt, sagte der andere.
- Ich liebe sie! sagte Auban leidenschaftlich.
- Wie anders war Paris!
Und die gemeinsamen Erinnerungen tauchten auf.
Aber Auban drängte vorwärts:
- Wir kommen nie zum Klub!
Sie überschritten geradeswegs Oxford Street und gingen die nächste Querstraße nach Norden hinauf. Auban stützte sich wieder stark auf den Arm seines Freundes.
- Aber sage jetzt, wie geht es euch?
- Es geht ganz gut, trotzdem wir immer noch keinen »Vorstand« haben. - Erinnerst du dich noch, welcher Lärm sich erhob, als wir seinerzeit den Klub ganz nach kommunistischem Prinzip einrichteten: ohne Vorstand, ohne Beamten, ohne Statuten, ohne Programm und ohne festgesetzte Zwangsbeiträge? Völliger Untergang in Unordnung wurde uns prophezeit und was nicht sonst noch alles! Aber wir kommen immer noch ganz gut zurecht, und in unseren Verhandlungen geht es ganz so zu wie in anderen, wo die Glocke des Präsidenten regiert - es redet immer einer nach dem anderen, wenn er etwas zu sagen hat.
Auban lächelte.
- Ja, sagte er - das können die Ordnungsschreier nicht verstehen, wie vernünftige Menschen zusammenkommen und zusammenbleiben können, um sich über ihre gemeinsamen Interessen zu besprechen, ohne daß der einzelne seine Zugehörigkeit in Rechten und Pflichten auf einem Wisch garantiert erhält. - Aber daraus, daß dieser Versuch nicht mißlungen ist, seht ihr doch noch keinen Beweis für die Möglichkeit der Konstituierung der ganzen menschlichen Gesellschaft auf gleichen Grundlagen? Das wäre doch heller Wahnsinn.
- So, das wäre heller Wahnsinn? Wir finden das nicht. Wir hegen diese Hoffnung, beteuerte Trupp hartnäckig.
Auban fiel ein:
- Was macht euer Blatt?
- Es geht langsam. Liest du es?
- Ja. Aber doch nur selten. Ich habe das wenige Deutsch verlernt, das ich auf der Straße hörte.
- Wir redigieren es auch gemeinsam. Ohne Kommission, ohne Redakteur. An einem Abend der Woche kommen zusammen, die Lust und Zeit haben, und das Eingelaufene wird verlesen, besprochen und zusammengestellt.
- Deshalb ist der Inhalt aber auch so merkwürdig verschieden und uneinheitlich. Nein, hinter einem Blatte muß eine Persönlichkeit stehen, eine volle, interessante Persönlichkeit - Trupp unterbrach ihn ungestüm.
- Ja, und dann hätten wir wieder das »Führertum«. Aus einem Verwalter wird immer ein Regierer (er sah nicht das beistimmende Nicken Aubans), hier im Kleinen, dort im Großen! Unsere ganze Bewegung hat darunter furchtbar gelitten, unter diesem Zentralismus. Wo im Anfang reine Begeisterung war, ist sie in Selbstgefälligkeit aufgegangen; wirkliches Mitgefühl und Liebe in dem Streben, selbst die Retter zu spielen. So haben wir denn überall schon Oben und Unten, die Herde und den Leithammel; auf der einen Seite den Dünkel, auf der andern Seite gedankenlose und fanatische Nachbeterei der Parteilehren …
- Aber du hast mich in der Tat völlig mißverstanden. Als ob ich je etwas anderes geglaubt hätte! Ich mißtraue überhaupt einem jeden, der sich anmaßt andere vertreten, für andere sorgen und die Verantwortung für die Angelegenheiten ander» auf seine eigenen Schultern nehmen zu wollen. Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten und laß mich für die meinen sorgen - das ist ein gutes Wort. Und wirklich Anarchismus.
- Ich bin auch Anarchist.
- Nein, mein Freund, das bist du nicht. Du vertrittst in jeder Beziehung das Gegenteil der wirklich anarchistischen Ideen. Du bist durch und durch Kommunist, nicht nur deinen Ansichten, sondern deinem ganzen Empfinden und Wünschen nach.
- Wer will mir das Recht bestreiten, meine Ansichten anarchistisch zu nennen?
- Niemand. Aber ihr bedenkt nicht, welche unheilvolle Verwirrung entsteht durch das Zusammenwerfen so völlig verschiedener Begriffe. Indessen, warum jetzt über die alte Frage streiten! Komm am Sonntag. Wir können wieder einmal diskutieren. Weshalb nicht?
- Meinetwegen! Du bist und bleibst ja doch der Individualist, zu dem du geworden bist, seitdem du die soziale Frage »wissenschaftlich« studiert hast! Ich wollte, du wärst noch derselbe, der du warst, als ich dich in Paris sah, damals, mein Lieber!
- Nein, ich nicht, Otto! sagte Auban und lachte laut auf. Trupp war gereizt.
Du weißt nicht was du verteidigst! Ist der Individualismus nicht etwa die Entfesselung aller schmutzigen Eigenschaften des Menschen, des Egoismus vor allem, und hat er nicht all dies Elend geschaffen - die Freiheit auf der einen ...
Auban blieb stehen und sah den Sprechenden an.
- Heute Freiheit des einzelnen? Heute, wo wir im kompliziertesten und brutalsten Kommunismus stecken, wie nie vorher? Heute, wo der einzelne von seiner Geburt an bis zu seinem Tode vom Staat von der Gemeinschaft mit Beschlag belegt wird? - Geh die Welt zu Ende und sage mir, wo ich diesen Verpflichtungen entgehen und Ich sein kann. Ich will zu ihr, zu dieser Freiheit, die ich vergebens gesucht habe, solange ich lebe!
- Aber deine Ansichten geben der Bourgeoisie nur neue Waffen in die Hand ...
- Wenn ihr die Waffen nicht selbst gebraucht, die einzigen überhaupt, an die ich noch glaube. Nur dann. - Denn sicherlich: sie. diese langsam reifenden Ideen des Egoismus (mit Absicht brauche ich dies Wort) - sie sind in gleicher Weise gefährlich den СКАЧАТЬ