Fachkräftemangel oder Machkräftemangel?. Jessica Lackner
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СКАЧАТЬ zermürbend.

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      Jeder weiß, wie fatal es ist, wenn plötzlich zu wenige Mitarbeiter zur Verfügung stehen. Damals, während der Fußball-WM, fehlte es ohnehin an allen Ecken und Enden an gut ausgebildeten Fachkräften. Und es gab einfach zu wenige, die bei 30 Grad im Strandbad arbeiten und schwitzen wollten. Mir blieb also nichts anderes übrig, als erst mal selbst für zwei oder sogar drei zu arbeiten.

       Das ist Männersache – Von der kleinen Tochter zur erfolgreichen Unternehmerin mit Herz

      Ich merkte schnell, dass hier etwas gründlich falsch lief. Und so wollte ich das nicht. Es mussten neue Ideen her, um die verfahrene Situation zu verbessern. Ich begann damit, die Teammitglieder in mehrere Bereiche einzuarbeiten – zum Beispiel am Grill oder in der Küche –, um nicht immer von einzelnen Personen und deren Know-how abhängig zu sein. Das klappte auch ganz gut … bis der Tsunami in Gestalt meines Vaters uns wieder plattmachte, denn auch das passte ihm nicht. In seiner Welt hatte jeder immer an seinem vorbestimmten Arbeitsplatz zu bleiben. Und Frauen am Grill oder in der Küche, das ging gar nicht. Auch das Wechseln von Bierfässern oder Fritteusenfett war ausschließlich Männersache. Daraufhin warfen weitere Mitarbeiter entnervt das Handtuch und ich durfte wieder von vorne anfangen. Damals habe ich mir geschworen: Wenn ich mal ein eigenes Restaurant habe, wird das alles anders laufen!

      Doch zunächst vergingen noch ein paar Jahre unter den geschilderten unguten Bedingungen. Selbst bei super anstrengenden Großveranstaltungen mit bis zu 35 000 Gästen (zum Beispiel bei »Energy in the Park«) gelang es dem Tsunami, uns mit seinen Überraschungsangriffen die Stimmung zu vermiesen und die Motivation zu nehmen.

      Natürlich hat es auch schöne Tage gegeben und ich habe in diesen Jahren viel Positives und Wertvolles von meinem Vater gelernt. Und ich kann heute sagen: Ich bin dankbar dafür. Ich habe mir das Beste abgeschaut, es umgesetzt und einfach gemacht, bis es auch mich zum Erfolg geführt hat. Nur in Sachen Mitarbeiterführung kamen wir einfach nicht auf einen Nenner. In diesen Jahren habe ich mich immer wieder bei meiner Mutter ausgeheult und wollte aufhören. Sie sprach mir gut zu und ermutigte mich immer wieder, durchzuhalten und weiterzumachen. Sie ist bis heute meine Mentorin, meine Alltagsheldin.

      Doch im Jahr 2011 geriet ich derartig mit meinem Vater aneinander, dass ein Tsunami nichts dagegen ist. Ich hatte keine Kraft mehr für diese Art von Auseinandersetzung. Egal, was ich machte, er fand immer etwas zu meckern und würde nie zufrieden sein. Ich fühlte mich wie in einer Zwangsjacke. Und ich war auch nicht mehr wirklich ich selbst. Ich fühlte mich wie eine Soldatin, die nur noch funktioniert und das macht, was der General ihr gesagt hatte. Und ich merkte darüber hinaus, dass ich, entgegen meinem Naturell, nach und nach selbst die strikte Art meines Vaters übernommen hatte.

      Viele Jahre später bekam ich das immer noch zu hören, dass ich manchmal so hart sei, kalt, strukturiert, nicht nach links und rechts schaute und mein Ding durchzog. Die meisten wussten schon, dass ich auch sehr warmherzig sein kann. Doch wenn ich im »Business-Modus« war, wirkte es manchmal so, als setzte ich eine Maske auf. Ich schlüpfte in eine Rolle, um als »Geschäftsfrau« glaubhaft zu sein. Damals dachte ich, dass ich das so machen musste, damit ich trotz meines Alters von meinen Geschäftspartnern mit dem nötigen Respekt behandelt würde. Ich hatte noch nicht verstanden, dass viele Mitarbeiter nicht hinter diese Fassade schauen konnten und mich nur als kalt und streng erlebten. Das ging so lange, bis mir meine Mitarbeiter den Spiegel vorgehalten haben und ich gemerkt habe, dass ich so nicht sein wollte.

      In den Seminaren, die ich seitdem besucht habe, habe ich mühsam gelernt, diese Maske wieder abzulegen. Das hat für mich alles verändert. Schließlich habe ich es geschafft, Mitarbeiter langfristig an meinen Betrieb zu binden und sie zu Höchstleistungen zu motivieren – wie über Nacht hatte sich bei mir irgendwann ein Schalter umgelegt und ich wurde authentischer.

      Natürlich ist es in einem Familienbetrieb nie einfach, sich durchzusetzen, vor allem nicht in jungen Jahren und besonders als Tochter eines übermächtigen Vaters. Doch ich war nun an dem Punkt angelangt, an dem ich mich fragte: »Jessica, jetzt bist du 26. Möchtest du die nächsten zehn Jahre so weiterarbeiten? Unter Druck, Stress, mit Angstzuständen, sechs bis sieben Tage in der Woche, zwölf bis 16 Stunden täglich? Wofür? Damit du dann Leute ersetzen musst, wenn einer nicht kommt? Dafür, dass du kein Privatleben hast und schon gar keine persönliche Weiterentwicklung? Dafür, dass man dir ständig das Gefühl vermittelt, nicht gut genug zu sein? Oder möchtest du es anders machen?« Die Antwort fiel sehr deutlich aus: ANDERS!

      Also warf ich in jenem Jahr selbst das Handtuch und sagte zu meinem Vater: »Mach alleine weiter. Ich gehe.«

      Nach diesem Schritt fragte ich mich nun selbst:

      • Was kann ich besonders gut?

      • Was macht mir Freude?

      • Wie kann ich anderen damit helfen?

      • Wo will ich in zehn Jahren stehen?

      Ich fing an, für andere Firmen zu arbeiten, investierte mein gesamtes Erspartes in meine Weiterbildung und machte mich im Coaching- und Trainingsbereich selbstständig. Über Monate baute ich mir mein eigenes Business-Modell auf.

      In dieser Zeit hatten mein Vater und ich keinen Kontakt. Kein Geburtstagsanruf, kein gemeinsames Weihnachtsfest – und all das nur, weil er sich persönlich gekränkt fühlte und zu stur war, um mit mir über das Problem und die Lösung zu sprechen. Doch als meinem Vater nach einiger Zeit klar wurde, wohin ich mich beruflich entwickelt hatte und was ich für andere Firmen tat, fragte er mich, ob ich das nicht auch für seine Unternehmen machen könnte. Meine Antwort lautete: »Ja, wenn ich führen darf, wie ich will, und du dich operativ nicht mehr einmischst, komme ich zurück.« Er stimmte zu – und es hat sich tatsächlich etwas geändert. Von diesem Tag an waren wir auf Augenhöhe und ich war nicht mehr länger nur die »kleine Tochter«.

      Was hatte sich bei mir in der Zwischenzeit geändert? Nun, ich hatte mich dazu entschlossen, beruflich zu wachsen. Meine Vision: Ich wollte ein Team aufbauen, das gerne zur Arbeit kam und sich gegenseitig unterstützte. Ich wollte Mitarbeiter, die sich wohlfühlten, die Lust hatten, bei 30 Grad im Strandbad Wannsee zu schwitzen. Die zu Fans des Unternehmens wurden und von ihrem Job so begeistert waren, dass sie selbst gute neue Leute mitbrachten, die die gleichen Werte teilten, und so weiter und so fort. Mit dem Ergebnis, dass ich selbst gar nicht mehr täglich anwesend sein musste und währenddessen etwas Neues aufbauen konnte. Ich wollte einen Ort kreieren, wo mein Team auch im Winter arbeiten konnte – kurz: Ich wollte für meine Mitarbeiter ein Fundament schaffen.

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      Ich wollte weiterkommen, andere groß machen, und ich hatte den festen Glauben daran, dass das funktionieren konnte. Aber ich wusste auch, dass es ein langer Weg sein würde, ein Prozess, der mir viel Durchhaltevermögen und Verzicht abverlangen würde. Und ich entschied mich DAFÜR. Meine Vision ist bis heute groß. Daraus ist das FAN-Modell entstanden und ich kann dir sagen, dass es funktioniert!

      2015 konzipierten und gründeten mein Vater und ich schließlich gemeinsam ein Restaurant bzw. eine Eventlocation am Rande von Berlin auf einem Schießplatz: die »Schützen-Wirtin«. Alles, was ich bis dahin aus meinen negativen und positiven Erfahrungen gelernt hatte, konnte ich in diesem neuen Restaurant ausprobieren – insbesondere was die Themen Teamführung und Self-Leadership anging.

      Viele, die meine Erfolgsgeschichte aus dem Strandbad kannten, hielten es damals für komplett verrückt, eine heruntergewirtschaftete Gastronomie mitten im Wald zu übernehmen. Das konnte ja СКАЧАТЬ