Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik. Arthur Rosenberg
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Название: Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik

Автор: Arthur Rosenberg

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783863935672

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СКАЧАТЬ Es ist Bismarck gelungen, solange er im Amt war, den Vertrag mit Rußland aufrechtzuerhalten. Das System der zwei Verträge hatte einen einfachen Sinn: Deutschland duldete keinen Angriff Rußlands gegen Österreich, aber es blieb bei einem Angriff Österreichs auf Rußland neutral. Als Gegenleistung verpflichtete sich Rußland, seinerseits Deutschland nicht anzugreifen21.

      Bismarck bewahrte sich trotz mancher Zwischenfälle und Störungen die Freundschaft Rußlands dadurch, daß er niemals ein ernsthaftes sachliches Interesse Rußlands schädigte. Die Ansprüche Rußlands auf Vorherrschaft über Bulgarien und über die Dardanellen fanden stets bei Bismarck Unterstützung. Daß die russischen Staatsmänner in der Zeit des Fürsten Alexander Battenberg ihre Autorität über Bulgarien selbst zerstörten und daß sie in der Dardanellenfrage keine Fortschritte machten, war ihre eigene Schuld. Sie konnten deswegen gegen Bismarck keine Vorwürfe richten. Niemals hat Bismarck das deutsch-österreichische Bündnis so ausgelegt, daß Österreich damit auf dem Balkan freie Hand bekam. Serbische und bulgarische Abenteuer konnte Österreich nur auf eigenes Risiko unternehmen, ohne jede Hoffnung, dabei deutsche militärische Hilfe zu erhalten22. Niemals hat Bismarck eine aktive deutsche Politik in der Türkei auch nur in Erwägung gezogen.

      Dem Wunsche Italiens, sich an Deutschland und Österreich anzulehnen, kam Bismarck entgegen. Italien suchte Rückendeckung für seine Mittelmeerpolitik gegen Frankreich. Hier wachte Bismarck darüber, daß Deutschland durch den Dreibund in keinen überflüssigen Gegensatz zu den Mittelmeerinteressen Frankreichs kam. Die Leichtigkeit und Geschicklichkeit, mit der Bismarck sein außenpolitisches System beherrschte, kann aber über die Kompliziertheit des Ganzen nicht hinwegtäuschen. Das Lavieren zwischen Österreich und Rußland und dann wieder zwischen Frankreich und England erforderte eine Erfahrung und Gewandtheit, wie sie Bismarcks Nachfolgern nicht mehr eigen waren. Trotz aller Einzelkonflikte hat Bismarck nach 1871 ein außerordentliches Vertrauen zu der Uneigennützigkeit und Friedfertigkeit der deutschen Außenpolitik zu erwecken gewußt. Er genoß dieses Vertrauen nicht nur in Wien und Rom, sondern in hohem Maße am Zarenhof, in London und sogar in Paris. Nur die friedliche und sichere Außenpolitik hat es Bismarck ermöglicht, die innerpolitischen Konflikte in Deutschland von 1871 bis 1890 in seinem Sinne zu lösen und den deutschen Verhältnissen einen Schein von Stabilität zu verleihen.

       II. KAPITEL

       Verschärfung der inneren Konflikte unter Wilhelm II.

      Am 9. März 1888 starb Kaiser Wilhelm I. Er war ohne Zweifel ein bedeutender Mann. Er verstand das Bismarcksche System vollkommen und hatte die Einsicht, trotz seines starken dynastischen Selbstbewußtseins den Reichskanzler regieren zu lassen. Bis zu seinem neunzigsten Lebensjahr verfolgte er die politischen Vorgänge und bildete sich stets ein selbständiges Urteil. Den ernstesten Konflikt mit Bismarck hatte er 1879, als der Kanzler sich von Rußland abwenden und das Bündnis mit Österreich zur Grundlage seiner Außenpolitik machen wollte. Daß Wilhelm I. um keinen Preis die Verbindung mit Rußland zerreißen wollte, macht seinem politischen Urteil alle Ehre. Die militärischen und altpreußischen Traditionen hatten auf ihn starken Einfluß. Aber er machte doch alle Zugeständnisse an bürgerliche und moderne Verhältnisse, die Bismarck für erforderlich hielt. In Einzeldingen zeigte der alte Herr manche Wunderlichkeit, aber in wesentlichen Fragen ließ er sich durch höfische und familiäre Einflüsterungen niemals beeinflussen.

      Durch die Verfassung von 1871 war der deutsche Kaiser der mächtigste Mann der Welt geworden. Seine Macht nach innen und außen war so groß, daß sie Schrecken und Mißtrauen erwecken mußte. Der deutsche Kaiser diente seiner Sache am besten, wenn er möglichst seine ungeheuere Macht nicht merken ließ. In diesem Sinne wirkte die einfache und schlichte Art Wilhelms I. Man empfand ihn nicht als militärischen Gewaltherrscher, sondern als den ersten Beamten des Reichs, und das Ausland vertraute seiner friedlichen Gesinnung. Wilhelm I. hat im Sinne der Politik Bismarcks nicht nur drei Kriege geführt, sondern auch im Innern oft rücksichtslos durchgegriffen. Gerade weil er keine Puppe war, sondern ein Mann mit selbständigem Urteil, trägt er vor der Geschichte die volle Verantwortung für die Härten der Konfliktszeit, des Kulturkampfes und des Sozialistengesetzes. Aber er handelte schweigend und hat niemals seine Gegner durch renommistische Reden bedroht oder verletzt. Unter Wilhelm II. war es umgekehrt. Er legte durch pomphafte und prahlerische Reden die ganze Kaisermacht bloß. Darauf folgten aber keine Handlungen. So machte er sich lächerlich und zerstörte das Prestige, das mit der stärksten Machtstellung der Welt verbunden war. Die kurze Regierung Kaiser Friedrichs brachte keine wesentliche Veränderung. Wenn Friedrich auch als Kronprinz persönlich dem liberalen Bürgertum näherstand als sein Vater, so war er doch ein überzeugter Anhänger des Bismarckschen Systems, und er hätte bei längerer Regierung schwerlich etwas daran geändert.

      Am 15. Juni 1888 trat Wilhelm II. seine Regierung an. Staatsrechtlich dauerte seine Regierung von 1888 bis 1918. In Wirklichkeit muß man am Anfang und am Ende je zwei Jahre abziehen. Von 1888 bis 1890 regierte im Namen Wilhelms II. der Fürst Bismarck und von 1916 bis 1918 der General Ludendorff. Die eigentliche Zeit der Selbstherrschaft Wilhelms II. reicht also nur von 1890 bis 1916. Wilhelm II. fühlte sich von Anfang an berufen, selbst die Linie der Reichspolitik zu bestimmen. Da er sich von Bismarck nicht beeinflussen lassen wollte, mußte der Reichskanzler entweder zum Werkzeug des kaiserlichen Willens herabsinken oder aber den Kampf gegen den Kaiser aufnehmen. Bismarck entschied sich für das letztere und ist schnell unterlegen.

      Warum war Bismarck nicht imstande, seine Stellung, die er dreißig Jahre lang mit beispiellosem Erfolg behauptet hatte, gegen einen jungen Mann zu verteidigen, der außer dem königlichen Namen nichts aufzuweisen hatte? Warum schickte nicht Bismarck den widerspenstigen Herrscher fort, genau so, wie es ein Jahrtausend zuvor der Reichskanzler Pippin mit dem Merowingerkönig gemacht hatte? Des Rätsels Lösung ergibt sich aus den Verhältnissen der preußischen Armee. Das preußische Offizierskorps hatte zwar dem Fürsten Bismarck unendlich viel zu danken. Aber es fühlte sich nicht dem Kanzler, sondern nur dem König zum Gehorsam verpflichtet. Bismarck hatte sich nie bemüht, auf den militärischen Apparat direkten Einfluß zu gewinnen. Die preußische Armee war ein Staat im Staate und wurde vom König unter Vermittlung des Militärkabinetts und des Generalstabs, ohne Berücksichtigung der zivilen Regierung, geführt. Die Ressorteifersucht der Generäle wachte eifrig darüber, daß bei ihnen kein Zivilist, auch nicht Bismarck, Einfluß erhielt1. Solange Wilhelm I. lebte, war dieser Zustand für Bismarck keine Gefahr. Denn mit Hilfe des königlichen Befehls stand die Armee stets seiner Politik zur Verfügung. Sobald aber ein Herrscher da war, der gegen Bismarck auftrat, hatte er die Armee gegen den Reichskanzler unbedingt hinter sich. Hätte Bismarck die kommandierenden Generäle auf seiner Seite gehabt, so wäre das Kräfteverhältnis anders gewesen. Da hätte er den Kaiser absetzen können. Aber so hatte Wilhelm II. alle reale Macht in seiner Hand.

      Diese Entwicklung der Dinge war zwar für Bismarck persönlich sehr unangenehm, aber man kann nicht sagen, daß sie dem Geiste der Reichsverfassung widersprach. Ob der Kaiser den Reichskanzler beherrschte oder umgekehrt, war schließlich gleichgültig. Unerläßlich war nur, daß einer von beiden die starke Regierungsgewalt verkörperte. Wilhelms II. Wille, sein eigener Kanzler zu sein, hätte schon allein über kurz oder lang den Konflikt mit Bismarck gebracht. Aber dazu kamen grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten in der Führung der Innen- und Außenpolitik2.

      Es war der Stöcker-Gruppe gelungen, schon in den Jahren vor seiner Thronbesteigung an den Prinzen Wilhelm heranzukommen und ihm ihre Ideen beizubringen. Wilhelm II. war durch das unaufhaltsame Wachsen der Sozialdemokratie ebenfalls erschreckt. Aber er lehnte die Gewaltpläne Bismarcks gegen die Sozialdemokraten ab und wünschte statt dessen eine gesteigerte Sozialpolitik und eine Reichsregierung im Sinne Stöckers. Zu den Führern im Stöcker-Kreise gehörte damals der Generalstabschef Graf Waldersee, der den Krieg mit Frankreich und Rußland für unvermeidlich hielt. Im Sinne Waldersees verwarf Wilhelm II. die Bestrebungen Bismarcks, mit Rußland im Vertragsverhältnis zu bleiben. Statt dessen wollte er, wenigstens in den Anfängen seiner Regierung, СКАЧАТЬ