Название: Perry Rhodan Neo 191: Pilgerzug der Posbis
Автор: Oliver Plaschka
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Perry Rhodan Neo
isbn: 9783845348919
isbn:
13. September 2058
Liebe Ansa,
ich hatte Angst, dass János heute traurig sein würde, aber das war er gar nicht. Mama hat sich wieder beruhigt, und sie sagt, ich bin auch viel ruhiger, nur dass ich den Unterschied nicht merke. Ich will mich ja gar nicht aufregen, und ich will auch nicht, dass wir wieder schreien und Vasen kaputtgehen, wobei die Vase wirklich hässlich war und ich nicht finde, dass Mama wegen so was böse sein sollte. Vasen, Türme, ich finde wirklich nicht, dass ich da schlimmer bin als sie.
János war jedenfalls gar nicht traurig und meinte, es gibt auch ungarisches oder böhmisches Essen, das nicht ganz so schwer und mit viel Zucker ist, wobei es natürlich schade ist und nicht ganz einfach wird, was zu finden. Bis dahin könnten wir statt zu kochen aber auch Musik machen, das wäre fast genauso gut.
Zuerst verstand ich nicht, was er meinte, denn Kochen und Musik sind ja schon sehr verschieden, und ein Lied kann man nicht essen. Dann rollte er eine Art kleines Klavier herein. Klavier kann ich spielen, aber die Art Klavier war mir neu, und das lag daran, dass es nämlich kein Klavier war, sondern eine Celesta. Eine Celesta ist wie ein Klavier, nur dass drinnen keine Saiten sind, sondern ein Glockenspiel. Dann erklärte er mir, dass dieses Instrument vor hundertsiebzig Jahren oder so in Paris erfunden wurde. Das ist da, wo auch Mamas Turm stand. Und das erste Mal richtig benutzt wurde es in einem Ballett, und das Stück, in dem es benutzt wurde, heißt der »Tanz der Zuckerfee«. Dann fragte er mich, ob ich das lernen und dann was essen wollte, und natürlich hatte ich da Hunger, also sagte ich Ja.
János sagt immer, ich habe tolle Hände fürs Klavierspielen. Ich weiß nicht, ob ich das gut finde, denn ehrlich gesagt, finde ich Klavier etwas langweilig.
Die Zuckerfee war lustig, aber viel zu leicht. Ich habe mir alles zweimal angehört, dann wusste ich, wie es geht. János wollte mir erst nicht glauben, wegen der Chromatik. Das ist auch so ein Wort wie Kommunikationstrainer oder Hornschreckwürmer, aber meistens heißt es einfach nur schwarze Tasten. Also hab ich es ihm vorgespielt, mit schwarzen Tasten, und da hat er mir geglaubt. Er sagt, dass ich sehr gut war, dafür, dass ich das Stück nur zweimal angehört habe. Ich habe ihn gefragt, wie häufig Leute denn normalerweise so ein Stück anhören, bevor sie es spielen können, und da hat er merkwürdig mit den Händen gewedelt und gesagt, die Leute, die zu ihm kommen, um Musik zu lernen, brauchen jedenfalls viel länger und meistens auch Noten dazu. Dann hat er mich gefragt, ob ich Noten lesen und schreiben kann. Ich hab gefragt, ob wir dann essen gehen können, ohne dass Mama wieder wütend wird, und er hat gesagt ja, hinterher.
Also hab ich ihm die Zuckerfee dann nicht nur vorgespielt, sondern auch aufgeschrieben, also in Noten, und da hat er wieder komisch mit den Armen gewedelt, und wir sind essen gegangen.
Morgen, sagt er, will er mir was von Bach mitbringen.
3.
Edwina Kerpen
»PERSEPHONE an Pluto ... Pluto, bitte kommen ... Es ruft Edwina Kerpen an Bord der PERSEPHONE... Hört mich jemand? Irgendwer? Ich rufe die Charonstation. Bitte melden Sie sich!«
Edwina Kerpen wechselte hastig die Frequenzen und setzte sich dabei mit der anderen Hand einem steten Schwarm von Holos zur Wehr, der sie wie aufgebrachte Vogeleltern bedrängte. Doch der Versuch, in dem Chaos aus Störsignalen, Fehlermeldungen und Warnungen eine klare Verbindung aufzubauen, war reines Wunschdenken.
So schnell die verwirrten Systeme ihres Raumboots es zuließen, beschrieb Kerpen einen weiten Bogen und steuerte die Space-Disk mit Höchstbeschleunigung zurück Richtung Pluto. Ihr gemütlicher Ausflug mit Tee und Musik war vergangen und vergessen. Was war geschehen? Etwas hatte die Struktur- und Masseorter der Disk bis zum Anschlag belastet. Etwas Großes. Etwas Nahes. Oder beides. Sie mochte sich gar nicht ausmalen, was die Ursache dieses brachialen Signals mit den Gravitationswellendetektoren und den empfindlichen Systemen der Multiortungsanlage angerichtet hatte – ausgerechnet während der Rekalibrierung. Von Charon empfing sie nach wie vor nur ein allgemeines Warnsignal, das auf den Ausfall sämtlicher Kommunikations- und Ortungssysteme hinwies und allen Schiffen davon abriet, die Station anzufliegen, bis die automatischen Navigationshilfen wieder betriebsbereit waren.
Immer wieder sendete sie ihren Ruf in die aufgewühlte Raum-Zeit hinaus, während sie Kurs auf die Basisstation auf Pluto nahm, die seit sieben Jahren ihr zweites Zuhause war. Sie hoffte, dass sie sich kein neues suchen musste. Sie lauschte auf allen Frequenzen.
Dann endlich brach sich eine Stimme aus den Störgeräuschen der Akustikfelder Bahn. Keine Bildverbindung, nur undeutlicher Ton, der allmählich Konturen gewann. Es klang, als arbeite sich jemand mit einem Vorschlaghammer durch eine knirschende, krachende, bröckelnde Wand.
»Kerpen ... mich? Pluto ... SERPHONE ... Wiederhole, Pluto ruft ... Gallagher. Wiederhole, hier spricht Doktor Gallagher. Ich rufe die ... Edwina, hören Sie mich?«
Ihr fiel ein Stein vom Herzen. Patrick Gallagher war einer ihrer engsten Mitarbeiter und für die Dauer ihrer Abwesenheit der Leiter von PUMA. Ihn wohlbehalten vor einem intakten Funkgerät zu wissen, beruhigte ihren Puls fast so sehr wie die Tatsache, dass er die Zeit dazu hatte, sie persönlich zu rufen.
»Patrick? Liebe Güte, bin ich froh, Sie zu hören.« Das war eine grobe Untertreibung, aber sie wollte nicht sentimental werden.
Gallagher hatte da weitaus weniger Skrupel. »Edwina? Mein Gott, haben Sie uns einen Schrecken eingejagt! Wir dachten schon, Ihnen ist vielleicht was zugestoßen dort draußen. Geht es Ihnen gut? Haben Sie etwas gesehen?«
»Ich bin wohlauf, besten Dank. Aber offen gesagt, hatte ich gehofft, dass Sie mir sagen können, was eigentlich los ist. Was machen Sie auf dieser Frequenz? Ich rufe Sie seit mehreren Minuten.«
»Man muss nehmen, was man kriegen kann. Wir arbeiten noch daran, die Systeme neu zu starten ...«
»Sind die Ausfälle sehr schlimm?«, fragte Kerpen besorgt. In Gedanken sah sie sich schon den Schadensbericht an die Terranische Union unterzeichnen. Ihre Gefühle gingen aber tiefer als die bloße Furcht davor, ein Scheitern eingestehen und eine neuerliche Jagd nach Finanzierung beginnen zu müssen. PUMA war ihre wissenschaftliche Lebensleistung, ihr kleines Stückchen Unsterblichkeit.
»Auch das lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht mit Sicherheit sagen«, wich Gallagher aus, und sie hörte seiner Stimme an, dass ihm die Ungewissheit ebenso zusetzte wie ihr. »Wir hatten reihenweise Systemabstürze und kritische Fehler, die uns noch eine ganze Weile beschäftigen werden. Aber die Geräteschäden halten sich bis auf ein paar Kurzschlüsse in Grenzen. Ich schlage also vor, dass Sie landen und wir der Sache gemeinsam auf den Grund gehen – wenn es Sie nicht stört, dass der Leitstrahl noch ausgefallen ist.«
»Nicht im Geringsten.« Sie konnte die PERSEPHONE auch mit geschlossenen Augen parken, wenn es sein musste. »Bis gleich.«
Sie wollte schon den Funkkontakt unterbrechen, als sie doch noch eine Frage stellte, die eigentlich zu wichtig für einen Nachgedanken war, sich aber nicht länger ignorieren ließ.
»Patrick?«
»Ja?«
»Es sind aber nicht die Bestien, oder?«
Sie hörte förmlich, wie sich Gallagher auf die Lippen biss. Er weiß es nicht. Er hofft nur ebenso wie ich, dass wir nicht in unserem schlimmsten Albtraum aufgewacht sind.
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